Gespräche am Tor - Karlsruher Begegnungen zu Wissenschaft, Politik und Kultur

Prof. Dr. Hans-Peter Becht im Online-Vortrag Foto: Dr. Werner Daum
Prof. Dr. Hans-Peter Becht im Online-Vortrag

Das Karlsruher Ständehaus – Deutschlands
erstes Parlamentsgebäude:

Planung – Bau – Bedeutung

06. April 2022, 18 Uhr
Prof. Dr. Hans-Peter Becht

Flyer zur Veranstaltung (PDF 979 KB)

200 Jahre Karlsruher Ständehaus: Die badischen Ursprünge des modernen deutschen Parlamentarismus

„Es dauerte nur annähernd vier Jahre, bis die badischen Kammern eine feste eigene Heimstatt erhielten“ – mit einem augenzwinkernden Seitenblick auf die notorischen Verzögerungen gegenwärtiger Bauprojekte eröffnete Prof. Dr. Hans-Peter Becht (Universität Stuttgart) seinen Vortrag über das badische Ständehaus. Dazu hatte anlässlich des 200. Jahrestags seiner baulichen Fertigstellung die Karlsruher Veranstaltungsreihe in Kooperation mit dem Förderverein Forum Recht e.V., Karlsruhe, sowie dem Dimitris-Tsatsos-Institut für Europäische Verfassungswissenschaften in Hagen eingeladen. Nach einem Grußwort Michael Börners (Förderverein Forum Recht) führte der Referent kenntnisreich durch die baulichen Entstehungsphasen des ersten deutschen Parlamentsgebäudes im modernen Sinne.

Die im August 1818 erlassene badische Verfassung hatte die Eröffnung des Landtags für den 1. Februar 1819 angekündigt, doch nach ersten turbulenten Sitzungen im engen Turmflügel des Karlsruher Schlosses war selbst der Großherzog („Die kommen mir nicht mehr ins Haus!“) von der Notwendigkeit eines eigenen Gebäudes für beide Kammern überzeugt. Neben diesen räumlichen Mängeln machte Hans-Peter Becht aber auch deutlich, wie sich dieses Projekt von Anfang an in die repräsentative Stadtplanung der jungen Residenzstadt einfügte, deren bedeutendste Baumeister auch bei der Konzeption des Ständehauses mitwirkten: So war Friedrich Arnold (1786-1854) mit der Ausführung des auf Friedrich Weinbrenner (1766-1826) zurückgehenden Entwurfs beauftragt. Das unter erheblicher Kostenüberschreitung nach zweijähriger Bauzeit 1822 fertiggestellte Ständehaus wies eine großzügige Gestaltung mit zwei Kammersälen, darunter dem Plenarsaal der Zweiten Kammer mit dem Thron und dem bautypischen Rondell, Publikumstribünen, Plätzen für die Sekretäre, den Stenographen und Archivar sowie Logen für den Hof und das diplomatische Korps auf. Über die baulichen Entstehungshintergründe hinaus veranschaulichte der Referent die Bedeutung des badischen Ständehauses für die deutsche Parlamentarismusgeschichte: Dank der schon frühzeitig „in gigantischen Auflagen“ veröffentlichten Sitzungsprotokolle entfaltete das badische Ständehaus nach seiner ersten Sitzung am 4. November 1822 rasch eine überregionale Ausstrahlung, die sich von den Debatten des Frühkonstitutionalismus über das Revolutionsgeschehen von 1848/49 bis hinein in die parteipolitischen Auseinandersetzungen des Kaiserreichs erstreckte.

In der anschließenden Diskussion vertiefte Hans-Peter Becht mit dem online zugeschalteten und in Präsenz erschienenen Publikum vor allem Aspekte des konkreteren parlamentarischen Lebens wie die allmähliche (partei-)politische Ausdifferenzierung der Sitzordnung, die räumlichen Kapazitäten für die Kommissionen sowie die Zugangsregelung für die Zuschauertribüne. Für die internationale Ausstrahlung und Bedeutung des ersten deutschen Parlamentsgebäudes zeigte sich ein deutlicher Bedarf nach weiterer Forschung. Überraschend nahm man die verhaltene Würdigung des hier verhandelten Jahrestages in der regionalen und bundesweiten Öffentlichkeit zur Kenntnis – wofür die Folgeveranstaltung zu diesem Thema eine angemessene Abhilfe verspricht („Gespräche am Tor“ am 5. Oktober 2022).

Hinweise auf weitere Ressourcen:

Zur Aufzeichnung des Vortrags (.mp4-Datei)

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