Bericht zur Tagung „Digitalisierung als Herausforderung für die Hochschuldidaktik“

Am 21. und 22. März fand an der Uni Mainz die Tagung „Digitalisierung als Herausforderung für die Hochschuldidaktik“ statt, die mit knapp 200 Teilnehmenden gut besucht war. Kein Wunder: das Buzzword „Digitalisierung“ ist in aller Munde. Gefühlt scheint es die zehnte Tagung, die mit den Worten „Digitalisierung als Herausforderung für…“ begann. Die Keynotes und Workshop-Inputs machten dann aber doch den Unterschied. Jedenfalls fast immer.

Unsere Auffassung von Lehre überträgt sich schnell auf die Studierenden

Die Tagung startete mit einer Keynote von Professorin Linda Price von der University of Bedfordshire in England, die verschiedene Aspekte der Digitalisierung zusammenfasste. Wichtig erscheint ihr vor allem die Tatsache, dass Studierende nicht für eine sich veränderte Welt ausgebildet werden, sondern so, als wäre vieles festgelegt und unveränderbar. Das sei eine grundfalsche Annahme. Interessant war dabei, dass die ersten Wochen im Studium einen großen Einfluss auf die Erwartungen haben, die Studierende an ihr Studium haben. Was sie in den ersten sieben Wochen erfahren, so Professorin Price, prägt sie für das gesamte Studium. Wenn diese Wochen also mit Frontalunterricht gefüllt sind, werden die Studierenden das auch in anderen Veranstaltungen erwarten und andere Lehrformate weniger akzeptieren.

Der Vortrag von Professorin Linda Price kann (demnächst) auf der Tagungswebsite abgerufen werden.

Hochschul-Strategien oder einfach mal machen?

Nach der Mittagspause ging es in die (leider parallel laufenden) thematischen Workshops, zunächst zu Strategien der Hochschulen im Bereich der Digitalisierung. Brauchen Hochschulen das? wurde im ersten Workshop gefragt. Dr. Barbara Getto von elearning.nrw und Isabell Schünemann vom Stifterverband sorgten für die Input-Vorträge. Natürlich konnte in der Diskussion kein Konsens darüber erzeugt werden, ob Hochschulen eine Strategie benötigen, wenn es um Digitalisierung geht. Manche plädierten dafür, dass Hochschullehrende eine solche Strategie benötigen, um in einem gewissen Rahmen die Freiheit zu bekommen, ihre Konzepte umzusetzen. Andere wiederum verwiesen auf die lange Zeit, die verloren geht, wenn eine solche Strategie die Gremien einer Hochschule durchläuft, und dass diese Zeit lieber genutzt werden sollte, einfach mal zu machen.

Dies stellte auch Professor Jürgen Handke zur Debatte, der seine Keynote mit dem Roboter Miki teilte.

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Professor Handke stellte seine Ansätze zum Inverted Classroom Model vor und präsentierte einige Ergebnisse aus den begleitenden Studien. Seine kurzweilige Keynote wurde durch einen seiner humanoiden Roboter unterstützt, die er in seinem aktuellen Forschungsprojekt untersucht. Als einer der Pioniere des Inverted Classroom Models in Deutschland basierte er seine Empfehlungen natürlich auf diesem Szenario. Wichtiger aber als alle Strategien, Modelle und Konzepte ist aber für Handke das Machen. Einfach mal machen und ausprobieren, ohne über die Rahmenbedingungen zu stolpern, mag nicht für alle einfach sein. Dennoch lassen sich wertvolle Erfahrungen nur auf diese Weise gewinnen, so der Tenor von Handkes Vortrag.

Wieviel Öffentlichkeit verträgt die Lehre?

Den Abschluss des ersten Tages bildete eine Podiumsdiskussion zum Thema „Digitalisierung der Lehre und mediale Verwertung: Wieviel Öffentlichkeit verträgt die Lehre?“ bei der zunächst austariert werden musste, was unter „offen“ verstanden wurde. Im Anschluss wurde nicht nur auf dem Podium, sondern auch durch Einbindung des Publikums mit Hilfe der Website pigeonhole.at diskutiert. Die Website bietet die Möglichkeit, Fragen online zu stellen, über die von anderen Teilnehmenden abgestimmt werden kann. Die Fragen mit den meisten Stimmen landeten weiter oben in der Liste und konnten vom Moderator Dr. Malte Persike an die Personen auf dem Podium weitergeleitet werden. Offenheit wurde dann auch in verschiedene Richtungen interpretiert, von der Öffnung der Hochschulen hin zu nicht-traditionellen Zielgruppen (das Kerngeschäft der FernUni) bis zu Open Educational Resources. Interessant war der Hinweis auf sogenannte Open Educational Practices, also der Öffnung von Bildungspraktiken. Ein Dossier auf der Website des Portals „Informationsstelle OER“ bringt dabei für alle Interessierten Licht ins Dunkel.

Am zweiten Tag war der Autor dieser Zeilen an der Reihe die Blended Learning Szenarien an der FernUni vorzustellen. Der zweite Beitrag des Workshops wurde von PD Dr. Sebastian Kuhn bestritten, der ein Projekt zur Entwicklung von Kompetenzen im Bereich Digitalisierung bei angehenden Ärztinnen und Ärzten vorstellte. Angeregt wurden danach im Plenum unterschiedliche Ansätze diskutiert, wie Studierende durch die Erstellung eigener Lernresourcen stärker aktiviert werden können.

Plädoyer für mehr Reflexion beim Thema Digitalisierung

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Gewohnt kritisch beleuchtete Professorin Gabi Reinmann das Thema in ihrem Vortrag (oder besser: in ihrer Rede) zum Thema „Digitalisierung in der hochschuldidaktischen Weiterbildung – Potentiale und Grenzen“. Das Manuskript dazu ist mittlerweile auch in ihrem Blog veröffentlicht. Digitalisierung, so Reinmann, sollte nicht reflexhaft zum Thema von hochschuldidaktischen Weiterbildungen gemacht werden, sondern ein Innehalten und Reflektieren ist angebracht. Dabei identifierte sie vier Ausgangspunkte:

  • Die Hochschulen sind – genau wie der Rest der Gesellschaft – mittendrin im digitalen Wandel und müssen darauf reagieren.
  • Es gibt unbestreitbare Vorzüge, was den sinnvollen Einsatz von digitalisierten Szenarien in der Lehre anbelangt.
  • Kritisch gesehen werden muss jedoch die latente Algorithmisierung bestimmter Prozesse, etwa in der Diskussion um Learning Analytics.
  • Ebenfalls kritisch ist die Einflussnahme von Hochschulleitungen, Stiftungen und so weiter auf die Lehre aus den falschen Gründen.

Reinmann plädierte für ein Scholarship of Teaching bei Fachwissenschaftler*innen. Diese Expert*innen erforschen Lehrpraxis aus ihrer fachwissenschaftlichen Perspektive.

Man wird es mit der üblichen wissenschaftsdidaktischen Weiterbildung nicht erreichen können, alle Lehrenden in diesem Sinne zu Scholars zu machen. Wir würden aber gut daran tun, alles daran zu setzen, offene und kritische Fragen zur Digitalisierung und zu ihrem Verhältnis zur Lehre forschend und wissenschaftlich reflektierend zu behandeln – und zwar nicht nur durch Hochschuldidaktiker, sondern eben auch durch Fachwissenschaftler. — Gabi Reinmann

Wie ist denn nun die Rolle der Lehrenden?

Die anschließende Workshopphase sollte dann eigentlich die „Changing Role of Teachers in the Context of Digitalized Instruction“ behandeln. Leider wurde zu dem Adjektiv „changing“ nur wenig gesagt. Im Gegenteil, eher die Studierenden wurden beleuchtet (im parallel laufenden Workshop war es laut Augenzeugenberichten übrigens genau umgekehrt). Und bei diesen scheinen die gleichen Arten wie in der traditionellen Lehre zu existieren, ohne dass man scheinbar eine Handhabe hätte. Sicherlich gibt es Studierenden, die man in Online-Szenarien niemals erreichen kann. Aber es gibt eine Menge Möglichkeiten, wie man Aktivierung gestalten kann.

Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion, die das Thema Digitalisierung in das Gebiet der Internationalisierung erweiterte. Die Diskutant*innen berichteten von eindrücklichen Beispielen, wie digitale Szenarien internationale Vernetzung voranbringen können. Dazu hätte man sich eine Linkliste der Projekte gewünscht.

Insgesamt eine sehr gelungene Tagung, von der vielen Impulse mitgenommen werden konnten.



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