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Kolloquium: Die Ko-Präsenz der Gewalt: Konfliktlandschaften aus Besatzung, Vernichtungskrieg und Holocaust in Belarus (1941-1944)
[18.11.2025]02.12.2025, 18:00 Uhr, FernUniversität, Universitätsstraße 33, Gebäude 2, Raum 6
Foto: Public History
| Thema: | Die Ko-Präsenz der Gewalt: Konfliktlandschaften aus Besatzung, Vernichtungskrieg und Holocaust in Belarus (1941-1944) |
| Referent/-in: | Christoph A. Rass, Osnabrück |
| Adresse: | FernUniversität, Universitätsstraße 33, Gebäude 2, Raum 6 |
| Termin: | 02.12.2025 18:00 Uhr |
| Anmeldung: | Sofern Sie an einer TN per Zoom interessiert sind, wenden Sie sich bitte an karin.gockel |
Gewaltereignisse überformen Landschaften und Orte tiefgreifend. Prof. Dr. Christoph Rass hat mit der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften (IAK) an der Universität Osnabrück von 2014 bis 2024 interdisziplinäre Forschungsperspektiven darauf entwickelt, wie Gewalt ihre Schauplätze materiell verändert und wie sich daran geknüpfte Narrative und Diskurse, Ereignisse und Akteure aufeinander beziehen. Der methodische Ansatz verbindet naturwissenschaftliche, sozial- sowie kulturwissenschaftliche Zugänge mit Verfahren der digitalen Public History, um Wechselwirkungen zwischen materieller und diskursiver Ebene fassbar, dokumentierbar und vermittelbar zu machen.
Rass präsentiert Untersuchungen zu Tatorten in Belarus, die exemplarisch für unterschiedliche Formen organisierter Gewalt während der deutschen Besatzung stehen. Dazu gehört der Vernichtungsort Maly Trostenez nahe Minsk, zu dem in Kooperation mit der Geschichtswerkstatt Minsk und der Universität Wien multiperspektivische Ausstellungen und Rundgänge in digitaler Form entstanden sind. Aktuell wertet die Osnabrücker Arbeitsgruppe historische Satellitenaufnahmen aus der Zeit des Ost-West-Konflikts aus, um Transformationsprozesse nach 1945 zu rekonstruieren.
Einen zweiten Schwerpunkt bilden die Deportationen von Ozarichi im März 1944. Bereits 2004 führte Rass mit Studierenden eine erste umfassende Prospektion durch, aus der unter anderem der Dokumentarfilm "Ozarichi 1944" (2006) hervorging. Im Rahmen des Projekts "Mapping the Co-Presence of Violence" (2023/24) entstanden in Kooperation mit der Geschichtswerkstatt Minsk gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren aus Belarus und Deutschland Online-Angebote, die neben diesem Kriegsverbrechen auch die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Mogilew sowie weitere Schauplätze aus Besatzung und Holocaust in Minsk adressieren.
Im dritten Teil fokussiert der Beitrag auf die systematische Zerstörung des ländlichen Raums im besetzten Belarus. Grundlage bildet ein Datensatz, der diese Dimension der Besatzungsgewalt mit etwa 9.200 Datenpunkten dokumentiert. Die Gewaltpolitik der „verbrannten Dörfer" im Rahmen der sogenannten „Bandenbekämpfung" hat die Osnabrücker Arbeitsgruppe gemeinsam mit Aliaksandr Dalhouski GIS-gestützt untersucht, um zeitliche und räumliche Muster dieser Verbrechen herauszuarbeiten.
Abschließend greift der Vortrag eine Fallstudie zu Holocaust und Zwangsarbeit aus Griechenland auf, um das Ineinandergreifen dieser Methoden zu demonstrieren. Da Feldforschungen in Belarus seit 2019 nicht mehr möglich sind und eine geplante Prospektion in der Ukraine 2022 kriegsbedingt entfallen musste. Im Jahr 2023 führte die IAK an der Bahnstation Karya in Mittelgriechenland eine geoarchäologische Prospektion durch, die den integrierten Ansatz der Konfliktlandschaftsforschung verdeutlicht. Die Feldforschung kombinierten archäologische, geophysikalische, fernerkundliche und geschichtswissenschaftliche Methoden, darunter drohnengestützte Luftbildaufnahmen, 3D-Modellierung und Magnetometrie.