Der Sceno-Test – ein projektives Verfahren mit langer Vergangenheit

Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 52

Der Sceno-Test ist ein sog. projektiver, allgemeiner Entwicklungstest, der für Kinder ab drei Jahren sowie für Erwachsene eingesetzt wird. Seit einigen Jahrzehnten wird der Test auch für Gruppen (z.B. Familien) eingesetzt. Spielzeug, wie Puppen, Bäume, Häuser, Tiere werden vom Probanden (Pb) zu beliebigen Szenen auf dem Deckel der Testkiste aufgebaut und kommentiert. Der Pb soll die beteiligten Figuren agieren lassen. Viele Kinder sprechen hierzu. In jedem Fall sollen Probanden zum Abschluss ihre Darstellung erläutern.

Foto: Fernuniversität in Hagen

Der Sceno-Test wurde 1939 von der Nervenärztin Gerhild von Staabs (1900-1970) entwickelt. Sie hatte Kinder beim Spiel beobachtet und suchte nach Spielmaterial, das geeignet war, psychische Probleme der Kinder sichtbar werden zu lassen, um diese Probleme besser zu verstehen und behandeln zu können. Dabei hat sie angenommen, dass der Pb seine persönlichen Affekte, Ziele und Konflikte durch die agierenden Personen und Tiere zum Ausdruck bringt (Projektion der eigenen Gefühle und Bedürfnisse, daher „projektiver“ Test).

Sehr bald wurde der Test aber schon für diagnostische Zwecke eingesetzt, besonders in der Tiefenpsychologie. Der Sceno-Test ist diesbezüglich aber problematisch, denn es gibt keine übliche Normierung und die sonst geltenden klassischen Testgütekriterien (Objektivität, Zuverlässigkeit, Gültigkeit) sind weitgehend unbekannt. Es gibt aber ein mehrfach überarbeitetes Handbuch und weiterführende Literatur, so z.B. über den Sceno-Test als Gruppentest. Wer mit dem Test längere Zeit arbeitet, gewinnt dazu eigene Erfahrungen. Diese Erfahrungen können durchaus kultur- und zeitbezogen sein. In einer frühen Arbeit von v. Staabs aus dem Kriegsjahr 1944 findet sich z.B. das Protokoll einer Spielszene, in der ein fünfjähriger Junge geschickt einen Luftschutzkeller gebaut hat, in dem die Mutter mit gebrochenem Bein auf einer Bank liegt (1944, S. 22ff.) Diese Szene lässt nach von Staabs insgesamt deutlich die Wünsche des Jungen nach Geborgenheit in einer als feindlich erlebten Welt erkennen.

Die Testrequisiten entsprechen auch heute noch weitgehend dem originalen Test. Wegen der einzeln angefertigten Figuren ist der Test teuer; alle Teile und weitere Figuren können einzeln nachgekauft werden. Der Test ist – anders als andere psychologische Tests – auch für Nicht-Psychologen frei zugänglich. Die Figuren wirken nach über 80 Jahren ein wenig altmodisch, den Teppichklopfer kennen viele Kinder nicht mehr, die Toilette wird als Sessel missverstanden usw. Aus diesem Grund hat Fliegner (1995) eine gründliche Materialrevision (Aktualisierung) i.S. der Zielsetzung von Gerhild von Staabs vorgenommen. Ein Problem bei solchen Testrevisionen ist aber die fehlende Vergleichbarkeit von alten und neuen Untersuchungs­ergebnissen.

Trotz der genannten kritischen Punkte wird der Sceno-Test auch heute noch häufig eingesetzt, vor allem in der Kinder- und Jugendpsychotherapie. Dies zeigen gelegentlich durchgeführte Befragungen von Psychologinnen und Psychologen zu den von ihnen genutzten Tests. In der Erziehungsberatung wird der Sceno-Test in der Regel als ein weiteres Verfahren zur Diagnostik des Kindes eingesetzt. Der Sceno-Test ist in fast allen Beratungsstellen vorhanden und wird trotz seines Alters und trotz der nicht mehr zeitgemäßen Gestaltung geschätzt. Offenbar wird der Test als geeignet angesehen, um bewusste und unbewusste Bereiche der Familiendynamik sichtbar zu machen. Die spielerische Verwendung der Testrequisiten erleichtert hierbei die Nutzung.

Das Hagener Archiv bewahrt eine Anzahl alter, zum Teil seltener Tests. Das hier gezeigte, gebrauchte Exemplar des Sceno-Tests erhielt das Hagener Archiv 2022 aus dem Bestand einer Beratungsstelle in Oberhausen.

Literatur

Fliegner, Jörg (1995). „Sceno-R": Eine Materialrevision des Scenotests. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 44 (6), 215-221.

Menne (Hrsg.): Jahrbuch für Erziehungsberatung. Band 7 (S. 129-150). Weinheim: Juventa.

Staabs, G. von (1944). Anleitung zum Sceno-Test. 46 S. mit 8 Abb. Berlin (ohne Verlag).

Staabs, G. von (1964). Der Scenotest. Beitrag zur Erfassung unbewusster Problematik und charakterologischer Struktur in Diagnostik und Therapie. Bern: Huber.

H.E.L.

Patrick Rostane | 08.04.2024