Ein großes Falltachistoskop für die Werbeforschung

Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 15

FalltachistoskopFoto: FernUniversität
Falltachistoskop

Das Tachistoskop ermöglicht die kurzzeitige Darbietung von visuellen Reizen. In den psychologischen Instituten sind diese Geräte selten geworden, weil die Aufgabe der Kurzzeitdarbietung heute praktischer mit dem Computer gelöst wird. Doch hat das Tachistoskop eine lange und interessante Geschichte. Etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden diese Geräte in der Bewusstseins- und Wahrnehmungspsychologie verwendet.

Für seine Doktorarbeit bei Wilhelm Wundt verwendete der amerikanische Student und spätere Professor James McKeen Cattell (1860-1944) zunächst ein kleines Tachistoskop, das auf den Tisch gestellt werden konnte. Cattells Erfahrungen fanden Niederschlag in späteren Geräten. Da Wundt in seinen gut besuchten Vorlesungen Demonstrationen durchführte, ließ er sich für diesen Zweck große Tachistoskope für den Hörsaal bauen.

Die Entstehung der Gestaltpsychologie als Gegenbewegung zur Bewusstseinspsychologie Wundts ist eng mit frühen tachistoskopischen Untersuchungen über das Sehen von Bewegungen von Max Wertheimer (1880-1943) verbunden. Auch die Leipziger Ganzheitspsychologie hat durch Untersuchungen mit zunächst äußerst kurzen Darbietungszeiten, die dann im Versuch immer mehr verlängert wurden, zeigen können, wie durch die länger werdenden Betrachtungen Gestalten entstehen (sog. Aktualgenese nach Friedrich Sander).

Sehr früh wurde schon erkannt, dass Tachistoskope auch für die Wahrnehmung von Plakaten und Anzeigen verwendet werden konnten, wobei man teilweise auch tiefenpsychologische Deutungen der wahrgenommenen Bilder vornahm (vgl. Spiegel, 1958).

Das hier gezeigte, schwere Metall-Falltachistoskop aus dem Bestand des Psychologiegeschichtlichen Forschungsarchivs stammt ursprünglich aus dem „Werbewissenschaftlichen Institut“, das der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Seyffert (1893-1971) von 1922 bis 1963, also schon vor seiner Ernennung als Professor (1924), an der Universität zu Köln leitete. Vermutlich ist das Tachistoskop eine Einzelanfertigung für das Institut gewesen. Gegenüber kleineren, verbreiteten Geräten hatte dieses Gerät den Vorteil, dass den Versuchspersonen größere Reize, wie zum Beispiel Plakatentwürfe, gezeigt werden konnten. Ein besonderes Handicap bei Untersuchungen dieser Art muss das laute Geräusch gewesen sein, das das fallende Eisenfenster für die Versuchspersonen verursacht hat. Man musste nämlich damit rechnen, dass durch Geräusche der Wahrnehmungseindruck verändert wurde. Auch aus diesem Grund wurden Geräte dieser Art später nicht mehr verwendet.

Zur Verdeutlichung der Arbeit mit tachistoskopischen Geräten wird hier ein kurzer Lehrfilm gezeigt, der ca.1995 vom Zentrum für Fernstudienentwicklung (ZFE) der FernUniversität erstellt wurde.

Cattell, J. McK. (1885). Ueber die Zeit der Erkennung und Benennung von Schriftzeichen, Bildern und Farben. Philosophische Studien, 2, 635-650.

Spiegel, B. (1958). Werbepsychologische Untersuchungsmethoden. Berlin: Duncker & Humblot.

Wertheimer, M. (1912). Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegung. Zeitschrift für Psychologie, 61, 161–265

Wundt, W. (1874). Grundzüge der physiologischen Psychologie. Leipzig: Engelmann. URL: http://psychologie.biphaps.uni-leipzig.de/wundt/opera/wundt/GrundPsy/GphyPsIn.htm (Aufgerufen: 16.10.2017).

Miriam Rothe | 08.04.2024