Hermann Hesse über Hans Pfitzner

„Der dumm-böse alte Gnom …“

Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 23

Der Streit zwischen dem Komponisten Hans Pfitzner und dem Psychologen Julius Bahle (s. Schaufenster Nr. 22) eskalierte mit Pfitzners Buch über Inspiration (1940), in dem Bahle massiv angegriffen und herabgesetzt wurde. Für Bahle war es aber kaum möglich, sich in der Nazizeit gegenüber einer prominenten Figur wie Pfitzner öffentlich zu verteidigen. Bahle tat dies mit einem Buch, das erst 1949, im Todesjahr von Pfitzner, erscheinen konnte. Das Buch fand eine interessierte Aufnahme, u.a. bei Thomas Mann.

Der Schriftsteller Hermann Hesse (1877–1962) schrieb an Julius Bahle im Oktober 1949:

„Hochgeschätzter Herr Dr.
Danke für das Pfitznerbüchlein.
Eigentlich ist der dumm=böse alte
Gnom, den Sie darin zur Strecke
bringen, des Aufwandes nicht
wert. Aber es ist doch immer
noch der Mentalität zu rechnen,
deren Sprecher u. Nutzniesser
er war. Hochachtungsvoll
HHesse.“


Die ungewöhnlich kritische Bewertung der Person Pfitzners durch den bedeutenden Schriftsteller erscheint als überraschend. Zu bedenken ist aber, dass Pfitzner in selbstherrlicher Weise mit vielen Menschen in Streit geriet und dass Hesse zum Nationalsozialismus kritisch eingestellt war.

Hesse PfitznerFoto: FernUni

Abb. 1. Postkarte von Hermann Hesse an Julius Bahle vom 14. Oktober 1949. Die Bildseite der Ansichtskarte zeigt die Casa Rossa, das Wohnhaus von Hesse in Montagnola, in dem er von 1931 bis 1962 lebte.

Bahle, J. (1949). Hans Pfitzner und der geniale Mensch. Eine psychologische Kulturkritik. Eine psychologische Kulturkritik. Konstanz: Curt Weller. – Leicht veränderte 2. Auflage unter dem Titel Der geniale Mensch und Hans Pfitzner. Eine psychologische Kulturkritik. Hemmenhofen: Kulturpsychologischer Verlag 1974.

Pfitzner, H. (1940). Über musikalische Inspiration. Berlin-Grunewald: Adolf Fürstner.

H.E.L.

Gerhard Tübben | 12.08.2021