Die Deportation des Mannheimer Psychologen Otto Selz

Eine Mitteilung von Géza Révész 1946

Schaufenster zum Forschungsarchiv Nr. 4

Dr. Julius Bahle, Schüler des Mannheimer Psychologen Prof. Otto Selz, erkundigte sich nach Ende des 2. Weltkriegs von Deutschland aus bei Prof. Géza Révész in Amsterdam nach dem Verbleib seines früheren Lehrers Selz. Mit Datum vom 2. Juli 1946 berichtet Révész:

Brief BahleFoto: FernUniversität
Brief an Julius Bahle

„Sehr geehrter Herr Dr. Bahle,

über Selz kann ich nur Ungünstiges schreiben. Ich habe ihn 3-mal aus den Händen der Gestapo herausgerissen. Dann haben wir ihm empfohlen sich bei bek. Familien zu verstecken, aber das hat er nicht gewollt. Er war stets überzeugt, dass man ihm schliesslich nichts kann tun. Endlich hat man ihn doch verschleppt (vor 2 ½ Jahren) und seitdem haben wir von ihm nichts gehört. Man hat mir versprochen, dass er nach Böhmen geht, ich bin aber fest davon überzeugt, dass man ihn sofort nach Auschwitz gebracht hat und dort getötet.“

Otto Selz, jüdischer Herkunft, studierte in Berlin, München und Bonn Jura, Philosophie und Psychologie. 1923 wurde er Professor an der Handelshochschule Mannheim, später dort auch Rektor. Selz wird der Würzburger Schule der Denkpsychologie zugerechnet. Seine Untersuchungen und Theorien zum reproduktiven und produktiven Denken gingen jedoch darüber hinaus. Einfluss hatte die Psychologie von Selz u.a. auf die Erziehungswissenschaften. Aus rassistischen Gründen wurde Otto Selz 1933 amtsenthoben, kam mehrere Wochen in das KZ Dachau, lebte zunächst zurückgezogen in Mannheim, emigrierte dann 1939 nach Amsterdam, wo er noch kurze Zeit lehren konnte. 1943 wurde Selz im KZ Auschwitz Opfer des Holocaust.

H.E.L.

Alexander Moroz | 08.04.2024