15. Studienwoche Literatur- und Medienwissenschaft: "Klassiker" vom 10.-14. Juni 2024

Zum Thema "Klassiker"

Was „Klassiker“ sind, scheint nicht erklärungsbedürftig. Es gibt Klassiker im Bereich des Sports (Radklassiker wie Paris-Roubaix), in der Musik (Haydn ist ein Klassiker der Wiener Klassik), in der Malerei (Picasso als Klassiker der Moderne), im Film (Reclams Filmklassiker in fünf Bänden). Und man spricht sogar von Parfümklassikern, Modeklassikern, Klassikern des Automobilbaus oder IKEA-Klassikern. Die Herkunft des Wortes ist jedoch die Literatur. Im alten Rom wurde ein vermögender Bürger als classicus bezeichnet, der Begriff wurde aber schon in der Antike auf herausragende und vorbildliche Schriftsteller angewandt. Waren im alten Rom Klassiker stets Menschen (genauer: Männer), begann man im 17. Jahrhundert, den Begriff auf Werke, genauer auf ästhetische Gegenstände auszudehnen. Jetzt sind es in erster Linie Gegenstände, später gar Events, die als Klassiker bezeichnet werden – eine Verschiebung, die nicht selbstverständlich ist. In der Querelle des Anciens et des Modernes stand zur Debatte, ob man sich von den Klassikern – den Alten – einschüchtern lassen müsse oder ob die ästhetische Produktion der Jetztzeit einen Eigenwert beanspruchen dürfe.

Die typischen Merkmale eines „Klassikers“ sind leicht aufzuzählen: Ein Klassiker muss über eine gewisse Berühmtheit verfügen, die schon längere Zeit andauert; es muss ihm ein hoher Wiederkennungswert und eine hohe Qualität zugestanden werden; er muss etwas Neues in die Welt gebracht und andere inspiriert haben. So gebrauchen wir das Wort ‚Klassiker‘ jedenfalls im Alltag. Was wir aber genau tun, wenn wir etwas als Klassiker bezeichnen, und wie wir uns auf Klassiker welcher Art auch immer beziehen, ist damit noch nicht ausgemacht. Was ist zum Beispiel der Unterschied zwischen einem klassischen Text und einem kanonischen Text? Als kanonisches Drama wäre Goethes Faust ein Klassiker, stiltypologisch aber fällt er alles andere als klassisch aus. Ist ein Klassiker auch ein Prototyp? Wie verhält sich der Begriff „Klassiker“ zu dem Umstand, dass es auch eine Epoche der Klassik gibt? Ob man sich selbst als Klassiker bezeichnen bzw. Klassisches zu erschaffen intendieren könne, darüber hatte schon Goethe nachgedacht und die Frage vorsichtig verneint. Muss ein Klassiker immer ein „Werk“ sein? Können Klassiker ihren Status einbüßen? Gibt es in jedem Medium, in jedem Genre Klassiker?

Dass wir erst dann wirklich verstehen können, was ein „Klassiker“ – in Anführungszeichen gesetzt – ist, wenn wir uns ihm konkret zuwenden, uns auf ihn einlassen und unsere Beziehung zu ihm befragen, ist der Ausgangspunkt der Studienwoche „Klassiker“.