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Mediation: „Es gibt immer einen Weg mehr, als man denkt“

[18.02.2023]

Doppel-Interview mit Stefanie Sampaio de Meideros und Hermann Baumann


Foto: privat
Stefanie Sampaio de Meideros und Hermann Baumann

Musik und Mediation: Stefanie Sampaio de Medeiros und Hermann Baumann bilden sich in Mediation an der FernUniversität weiter. Sie möchten Konflikte strukturell und konstruktiv lösen – schon von Berufs wegen.

Stefanie Sampaio de Medeiros spielt nach einem Pädagogik- und Musikstudium seit über 22 Jahren Bratsche im Sinfonieorchester St. Gallen/Schweiz. Hermann Baumann arbeitet seit 30 Jahren als Orchestermanager, Verwaltungsdirektor und Personalleiter in verschiedenen Orchestern und Opernhäusern. Als Sohn eines Berufsmusikers und leidenschaftlicher Amateurmusiker studierte er BWL, um hinter den Kulissen eines Theater- oder Orchesterbetriebs Verantwortung übernehmen zu können.

Interne und externe Konflikte

Beide lieben ihren Job und ihre Branche. Stefanie Sampaio de Medeiros Augen leuchten: „Es ist ein Traumberuf – meistens!“ Denn Kreativität, Rampenlicht und Applaus prallen auf starre Hierarchien, reglementierte Abläufe und räumliche Enge am Arbeitsplatz. Wenn man erstmal einen festen Stuhl im Orchester hat, dann sitzt man dort jahrzehntelang.

„Wir stiften bei der Einstellung Zwangsehen, weil die Sitzordnung im Orchester vorgegeben ist. Nebeneinander müssen die Kolleg:innen dann tagein tagaus harmonisch zusammenspielen, auch wenn es menschlich kein Auskommen miteinander gibt“, ergänzt Hermann Baumann. Da können schon das falsche Parfum oder unterschiedlicher Humor zu echten Problemen werden. In einem Orchester sitzen zudem viele verschiedene Nationen, da bleiben allein sprachliche Missverständnisse nicht aus. Man kann leicht aneinander vorbeireden. Ein räumliches Ausweichen bei härteren Konflikten ist nahezu unmöglich.

„Die Linien für Konflikte verlaufen aber nicht nur innerhalb der Ensembles“, sagt Baumann. „Zwischen den Sparten, Musik, Schauspiel, Tanz knirscht es, aber auch mit dem Umfeld – der Politik und der Stadtgesellschaft – gibt es mitunter Zoff.“ Augenzwinkernd schiebt er nach: „Das Management und die Verwaltung werden ohnehin oft als der natürliche Feind der Künstler:innen gesehen.“

„Studiums-Juwel “: Perspektive erweitern

Heute haben beide Techniken und Methoden an der Hand, um konfliktbeladene Situationen zu lösen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. „Man kann lernen, empathisch zuzuhören. Kommunikation ist ohnehin das A und O“, stimmt Medeiros zu. Ihr Lieblingstool fürs Konfliktmanagement – ein „Studiums-Juwel“ – zielt darauf ab, Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. „Den Kuchen zu vergrößern heißt, es gibt immer einen Weg mehr, als man denkt.“ Mit ihrem Wissen gelingt es beiden gut, präventiv zu wirken und gelassen zu bleiben. „Das nimmt in der Regel schon Druck raus“, meint Medeiros.

Sie absolviert den Master of Mediation, um einen international anerkannten Abschluss zu bekommen und neben ihrer Tätigkeit als Musikerin als freiberufliche Mediatorin arbeiten zu können. „Ich kann online studieren. Das ist perfekt, denn alles andere ist mit meinem Beruf nicht zu vereinbaren.“ Mittlerweile leitet sie als Präsidentin den Orchestervorstand, ein ehrenamtliches Gremium. Die Fähigkeiten dazu bringt sie auch durch das Mediation-Studium mit. „Das Studium navigiert mich aber auch durch private Auseinandersetzungen“, spielt sie lächelnd auf ihre Rollen als Mutter zweier Teenager, als Deutsche in der Schweiz und als Frau eines Brasilianers an.

Von der Theorie zur Praxis

Auch vor seiner Weiterbildung zum Mediator an der FernUniversität gelang es Baumann, so manches Problem aus der Theater-Welt zu schaffen und Lösungen zu finden: Durch Ausprobieren, Erkunden und Lernen durch Erfahrung. Bis er über eine befreundete Musikerin auf das Angebot an der FernUniversität stieß. „Endlich konnte ich theoretisch unterfüttern, was ich seit Jahrzehnten praktiziere.“

Baumann, der aktuell am Staatstheater Wiesbaden arbeitet, hat nach „Mediation kompakt“ berufsbegleitend das Mediation-Studium zum zertifizierten Mediator aufgenommen. „Ich lerne, wie ich in Konfliktsituationen denke, wie ich frage und handle, um schneller zum Kern des Problems zu kommen – ganz strukturell. Das hilft mir im Arbeitsalltag enorm, denn ich kann es direkt anwenden.“ Als Mediator möchte er sich nicht niederzulassen, aber der Hagener Studiengang hilft ihm, seine „konfliktreiche Arbeit besser zu bewältigen und den Betrieb durch eine mediative Grundhaltung positiv zu beeinflussen.“

Foto: Mudar Adas
Bei einem gemeinsamen Vortrag über die Eigenheiten von Musik und Mediation ergänzten sich die beiden inhaltlich.

Beweggründe und Bedürfnisse

Über die Arbeitsgruppe „Musik und Mediation“ innerhalb eines Mediationsverbandes haben sich Medeiros und Baumann kennengelernt und schnell festgestellt, dass sie beide an der FernUni Mediation studieren: „Das Spannende an der Weiterbildung ist, dass wir im Beruf polarisierende Positionen einnehmen.“ Medeiros steht für die Arbeitnehmerinnenseite und Baumann verkörpert die Arbeitgeberseite – im beruflichen Alltag generell, aber natürlich erst recht bei Konflikten. „An der FernUni sind wir beide Studierende und verfolgen die gleichen Ziele.“

Im Studium lernen sie, im Konfliktfall Beweggründe und Bedürfnisse der Konfliktparteien zu erfragen, Bitten statt Forderungen zu formulieren und Verständnis und Empathie für die andere Seite aufzubringen. So lotet man aus, wie man wieder zueinander kommen kann. Wichtig bleibt dabei, den Streitparteien zu helfen, selbstbestimmt Lösungen zu finden, auf die diese sich einigen können.

Darüber hinaus bekommen sie noch weitere Kompetenzen an die Hand: „Das Besondere am FernUni-Studium ‚Mediation’ ist die Studierendenschaft. Vor allem durch die unterschiedlichen beruflichen Hintergründe und das Altersspektrum der Studierenden und Lehrenden bekommt man Einblick in verschiedenen Gedankenwelten. Unterschiedliche Perspektiven und Lebenserfahrungen machen den Umgang miteinander unglaublich spannend und bereichernd. Das erweitert den eigenen Horizont und trainiert die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten“, berichten beide begeistert.

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