Wer war Alvise Contarini?

A. Herkunft und diplomatische Laufbahn Contarinis

Foto: FIRM

Die diplomatische Laufbahn Contarinis begann im Jahr 1623 mit dessen Entsendung in die Republik der Vereinigten Niederlande.

Ab 1643 wirkte Contarini als Mediator an den Friedensverhandlungen in Münster mit und leistete damit einen wichtigen Beitrag zum Zustandekommen des Westfälischen Friedens.

Contarini starb 1651 im Alter von 54 Jahren in Venedig.

Recherche und Zusammenstellung:
Marc Hermann, Master of Mediation


„CONTARINI, eines der ältesten und angesehensten adeligen Geschlechter zu Venedig, dessen Name von Contadini (Landleute) hergeleitet wird. Es gehörte nicht nur zu den alten herzoglichen Häusern, sondern auch […] zu den Familien die von den zwölf Tribunen herstammen, welche im Jahre 697 den ersten Dogen wählten. Kein anderes venedisches Haus kann sich, wie dieses rühmen, acht Dogen der Republik gegeben zu haben.“

Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste – in alphabethischer Folge von genannten Schriftstellern bearbeitet und herausgegeben von J. S. Ersch und J. G. Gruber Professoren zu Halle, Neunzehnter Theil, Leipzig 1829, S. 196.

„[…] Contareno, als dessen ganzes Leben, wie es Wiquefort ausgedrucket hat, eine aneinander hangende Gesandtschaft gewesen. Im Jahr 1627 mußte er nach London gehen, und an einem Frieden zwischen England und Frankreich arbeiten, und er brachte auch denselben glücklich zu Stande; […] in den Jahren 1629 und 1632 verwaltete er eben dieses Amt zu Paris und Rom, so wie er im Jahr 1638 als Abgesandter seiner Republik nach Constantinopel geschickt wurde.“

Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Vorrede zu Band 3, Halle 1759, S. 29.

B. Was wissen wir über Alvise Contarini?

„Endlich wurde das Temperament gefunden / daß beyder Theile Ratificationes bey dem Venedischen Mitlergesandten niedergelegtet werden sollten […].“

Hiob Ludolf, Allgemeine Schau-Bühne der Welt oder Beschreibung der vornehmsten Welt-Geschichte des Siebzehnten Jahr-Hunderts. 2. Teil., Frankfurt am Main 1701, S. 1559.
Friedensmediationssetting Foto: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Quelle: Allgemeine Schau-Bühne der Welt oder Beschreibung der vornehmsten Welt-Geschichte des Siebzehnten Jahr-Hunderts. 2. Teil. Frankfurt 1701, S. 1559, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.

„Friedensmediationssetting“ in einem Gesandtschaftsquartier in Münster. Der anonyme Kupferstich zeigt (vermutlich) Alvise Contarini (2. v. l.) in Ausübung seiner Aufgabe als Mediator im Jahr 1648.


I. Der Mediator Contarini: Eigenschaften und Haltung

1. Eigenschaften und Haltung

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Der französische Historiker und Jesuit Guillaume-Hyacinthe Bougeant (1690-1743), beschreibt den Mediator Alvise Contarini (1597-1651), mit Verweis auf „alle Zeugnisse, so in den Geschichten dieser Zeit und Friedenshandlung von ihm vorhanden“, wie folgt:

„Aus seinem Verhalten muß man es in Ermangelung näherer Umstände seines Lebens schliessen, daß er ein Mann von vortrefflichen Eigenschaften, Fähigkeit und Gelehrsamkeit gewesen, so ferne sie zu einem solchen Mann erfordert werden, der zu den wichtigsten Geschäften und Gesandtschaften gebrauchet werden soll, wie Contareno, als dessen ganzes Leben, wie es Wiquefort ausgedrucket hat, eine an einander hangende Gesandtschaft gewesen.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens -Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Vorrede zu Band 3, Halle 1759, S. 29.)

„Wie er nun an allen Orten, wo er Gesandtschaften auszurichten gehabt, sich den Ruhm ungemeiner Fähigkeiten und Geschicklichkeit zu Unterhandlungen erworben, so legte auch die Republik Venedig die deutlichsten Merkmale ihrer Zufriedenheit dadurch gegen ihn an den Tag, da sie ihn nach Münster sendete, um in ihrem Namen zwischen den großen Mächten von Europa die Stelle eines Mediateurs zu vertreten, und den Frieden wieder herzustellen.“

„In diesem Geschäfte zeigte er sich in seiner ganzen Stärke, wie solches auch die Beschaffenheit der Sache und die Menge der Gegenstände erforderte.“

„Alle Zeugnisse, so in den Geschichten dieser Zeit und Friedenhandlung von ihm vorhanden, stimmen darin überein, daß er ein Mann von durchdringendem Verstande und von aufgeklärten Ansichten gewesen, der seine Leidenschaften in seiner Gewalt gehabt, der die Kunst sich zu verstellen meisterlich besessen, und der bey einer tiefen Verschwiegenheit andere zu gewinnen und einzunehmen gewußt.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a.a.O., S. 30.)

„Es war in seiner Gewalt, bald langsam und schläfrig, bald aber hitzig und lebhaft zu wirken, nachdem es die Umstände erforderten.“

„Wenn er sich unruhig und besorgt anstellete, so war es innerlich am allerwenigsten; und wenn andere in wirklicher Unruhe und Furcht waren, so herrschte bey ihm eine grosse Gelassenheit und Gleichgültigkeit.“

„Bey aller Demuth und Unterwerfung behauptete er die Ehre seines Ranges und seiner Republik unverletzlich, so, daß er auch keine Schrift annahm, die nicht in italienischer Sprache abgefasstet war.“

„[…] daß er gelernet, was das Amt eines Mediateurs mit sich bringe, und es waren alle Mittel bey ihm vergeblich, die Spanien sowohl als Frankreich bei ihm anwendete, die Gemüther nach ihren Absichten zu lenken.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a.a.O., S. 31.)

Ähnliche, dem Mediator Contarini zugeschriebene, Eigenschaften finden sich auch in der Präambel des Friedensvertrages von Münster. Hier wird unter anderem hervorgehoben, dass der Friedensschluss

„durch Vermittelung vnd Vnterbawung deß auch Hochgebornen / Herrn Aloysij Contareni, Abgesandten vnd deß Raths / der Herrschafft Venedig / Ritters / welche bey nahe fünff gantzer Jahrlang die Stelle eine Mittlers / allerdings vnpartheyisch vnd vnverdrossen versehen / vnd geführet“, zustande gekommen ist.

(Philipp Jacob Fischer (Hg.), Westfälischer Friede – Vertrag von Münster. Frankfurt am Main, 1649, S. 3.)

2. „Non ad Perniciem“

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Contarini-wappenFoto: https://en.wikipedia.org/wiki/Alvise_Contarini_(diplomat)#/media/File:Anselmus-van-Hulle-Hommes-illustres_MG_0505.tif (Ausschnitt)
Stark vergrößerte Detailansicht eines Portraits Alvise Contarinis nach Anselm van Hulle.

„Non ad perniciem“ – „Nicht bis zum Untergang“: Die persönliche Wappendevise Contarinis erlaubt Rückschlüsse auf dessen verantwortungsvolle Haltung als Mediator.

Stark vergrößerte Detailansicht eines Portraits Alvise Contarinis nach Anselm van Hulle.

Bild/Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Alvise_Contarini_(diplomat)#/media/File:Anselmus-van-Hulle-Hommes-illustres_MG_0505.tif (Ausschnitt)

3. Contarini Briefe

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Contarini-briefFoto: Universitätsbibliothek, Münster
Alvise Contarini und der Westfälische Friedenskongress in Münster: Ausstellung vom 4. - 30. Oktober 1982 / Katalog: Bertram Haller mit einem Beitrag von Heinz Dollinger. Universitätsbibliothek, Münster, Katalog Nr. 18 (S. 20).

Auszug aus den rund 300 Briefen Contarinis an seinen Kollegen, den venezianischen Gesandten in Paris, Giovanni Batista Nani aus den Jahren 1644 bis 1648. Das Beispiel zeigt neben unkenntlich gemachten Zeilen, die Handschrift und die Unterschrift Contarinis. Darüber hinaus existieren auch in Geheimschrift abgefasste Briefe Contarinis, die sowohl als Beleg für seine Verschwiegenheit, als auch die Furcht vor Spionage in jener Zeit ausgedeutet werden können.

„Ausser diesen Gründen, die von den Mediateurs unterstützet wurden, besorgte Herr Contarini gar sehr, daß der Fürst Ragoczy Lust haben möchte, unter dem Namen der Deputierten Spionen nach Münster zu schicken […].“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 2, Halle 1758, S. 304.)


II. Zeitgenössische Anforderungen an einen Mediator

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„Die Eigenschaften, die einen Mediateur am besten kleiden, sind die, daß er schlau, einschleichend und gefällig sey, daß er die Gründe einer ieglichen Partei brauche, nicht als seine eigenen, sondern als solche, die ihm gesaget worden, und wenn sie über diese Schranken kommen, so zerrütten sie das Wesen der Mediation und geben gerechte Ursachen an die Hand, Beschwerde über sie zu führen.“

Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 2, Halle 1758, S. 157.


III. Die Mediatorentätigkeit Contarinis

1. Auftrag und Arbeitsweise Contarinis

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„Es war dieser der Ritter Ludewig Contarini, ein edler Venetianer, der sich einige Monate vor dem päpstlichen Nuntius nach Münster begeben hatte, um mit demselben die Mediation im Namen der Republik Venedig zu theilen“ [Co-Mediation].

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 2, Halle 1758, S. 9.)

„Es blieb die Vollmacht des Contarini nur auf die Negotiation zu Münster eingeschränkt; doch hatte sie zuweilen und in gewissen Fällen, da die Autorität derselben nötig war, ihren Einfluss in die beförderung desjenigen, was zu Osnabrück tractiret wurde. Wobey noch zu bemerken ist, daß sich gleich die Mediation des Contarini weiter erstreckte als die Mediation des päpstlichen Nuntius, indem sie das Interesse der Catholiquen und Protestanten zugleich in sich fassete, dennoch der Fabio Chigi, vermöge der Würde eines apostolischen Nuntius, in den Angelegenheiten, welche die catholischen Fürsten betrafen, ein grosses Uebergewichte vor dem Venetianischen Abgesandten hatte.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 11.)

„Er tractierte seine Geschäfte zuweilen ganz geschlossen und mit einem […] kalten Blute; zuweilen bewies er sich lebhaft und feurig, nach dem es die Umstände erforderten […].“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 9.)

„War aber auch diese Ergebenheit [gegenüber Frankreich] aufrichtig, so glaubte er doch nun, da er ein Mediateur von Europa geworden wäre, daß es ihm nicht erlaubt sey, seinen besonderen Neigungen nachzuhängen.“

„So viel Behutsamkeit ist einem Mediateur nöthig, wenn er die Zärtlichkeit der Partheien, die er vergleichen soll, nicht beleidigen will.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 10.)

2. Nach heutigen Grundsätzen der Mediation fragwürdig anmutende Vorgehensweisen

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Im Rahmen seiner Aufgabe als Mediator bediente sich Contarini auch Vorgehensweisen und Techniken, die nach heutigen Grundsätzen der Mediation fragwürdig anmuten, jedoch in deren historischen Kontext betrachtet werden müssen.

Verfahrensbeschleunigung und Schuldzuweisungen seitens der Mediatoren

„So mussten sie [die Deputierten] sich von den Mediateurs selbst verfolgen lassen; welche, weil es ihnen unleidlich war, daß nichts geschahe, sie ohne Unterlaß behelligten, und den Aufschub der Unterhandlung nur ihnen allein Schuld gaben, die mehr von den Beschwerden ihrer Feinde übertäubet, als geneigt waren, ihren Gründen Gehör zu geben. Sie stellen sich an, sagten sie, als ob unsere Versicherungen und Vorstellungen in ihren Augen neue Verbrechen wären.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 2, Halle 1758, S. 155 f.)

„Mazarin schrieb daher an die Bevollmächtigten: Nun ist die Zeit da, gegen die Mediateurs mit der Sprache heraus zu gehen, und ihnen nicht mehr zu gestatten, daß sie uns bedrohen, oder Vorwürfe machen, als ob wir den Frieden nicht begehreten (Lettre du Card. Mazarin aux Plenipot, 22. Jul. 1645).“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 344.)

„Die Forderung auf Philipsburg und die zehen Städte ist es, antwortete Contarini, die alles verdorben hat. Man hatte immer vom Hofe geredet und geschrieben, daß wenn Brisach eingeräumet werde, der Friede mit Frankreich seine Richtigkeit habe […].“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 609 f.)

„Es entstand auch ein Mißverständnis zwischen den Spaniern und dem Contarini. Den Spaniern war es verdrießlich, daß dieser Minister so oft auf die Beschleunigung des Tractats drang, noch mehr aber fiel ihnen das empfindlich, daß er sich zuweilen die Freyheit nahm, ihnen ihre Schwäche aufzudecken.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 450.)

„Allein dieser Termin kam dem Mediateur alzu weit entfernt vor, als welcher die unendliche Langweiligkeit der Friedenshandlungen gar wohl kannte; […] daher schlug er den Franzosen vor, daß sie mit den Spaniern einen besonderen Vergleich schließen möchten, ohne den Tractat mit dem Kayser abzuwarten.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 451.)

Einflussnahme auf die Parteien seitens der Mediatoren

„In einer anderen Conferenz erschöpften die Mediateurs fast den ganzen Vorrath ihrer List und Geschicklichkeit, um bey den Franzosen eine Eifersucht gegen die Schweden zu erwecken, indem sie ihnen Nachricht gaben, was der Graf Trautmannsdorf den Schweden bey der Unterhandlung für Vorzüge einräume, wobey sie ihnen viele nachtheilige Reden erzähleten, die dieser Minister, die Reichsstände und die Schweden selbst geführet. Sie wolten dadurch einen Versuch machen, ob etwa die Furcht bey den Franzosen so viel ausrichten könte, ihre Forderungen zu mäßigen, oder ob sie etwa in der Ungedult und Verdruß ein Wort ausstossen möchten, daraus sie einiges Licht erhalten erhalten könten.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 568 f.)

3. Contarini – ein Mediator von freier Gemütsart

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Teile der Literatur beschreiben den Mediator Contarini auch als hitzig oder situativ aufbrausend. Dieses Verhalten ist neben dem persönlichen Temperament Contarinis auch im historischen Kontext zu betrachten, hegte die Republik Venedig auch Eigeninteressen in diesem Vermittlungsprozess die, durch Verzögerungstaktiken seitens der Kriegsparteien, zunehmend in Gefahr gerieten.

Insbesondere hat Contarini in den angestelten Conferenzen öfters eine Hitze blicken lassen, die mit einer Entrüstung verbunden war, die wir lieber seiner Offenherzigkeit und Eifer um die Beförderung der algemeinen Angelegenheiten, als einer anderen Ursache zuschreiben wollen.“

„[…] wobey er zur Entschuldigung der Hitze, in welcher er redete, hinzu setzte, daß er von freyer Gemüthsart und in einer freyen Republik geboren sey; er suche von niemand was, und erkenne kein anderes Interesse, als das algemeine Beste.

„Die Franzosen bewiesen so viel Mäßigung, daß sie den Contarini nicht beleidigten; indes äußerten sie doch soviel Empfindlichkeit, daß er mercken konnte, wie er unrecht darin habe, daß er sich durch seine natürliche Hitze hinreissen lasse.“

Der Cardinal Mazarin trieb seine Ahndung weiter, und man schrieb an die Bevolmächtigten, dem Herrn Contarini dergleichen Ausdrücke nicht zu gestatten. Die Venetianer, heisset es (Memoire à Mff. les Plenipotent. Le 21 Jun. 1645), sind sehr frey in ihren Unterhandlungen, wenn man es ihnen gestattet; und vielleicht ist keiner, der sich mehr heraus nimt, als Herr Contarini, wenn man dazu stille schweiget.

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 2, Halle 1758, S. 156.)

„Er konnte zwar einigermaßen Grund haben zu dem was er sagte, aber es geziemet den Mediateurs nicht, Sprüche abzulassen, am allerwenigsten aber gebühret es ihnen, daß sie sich entrüsten, und die Gründe der Gegenpartei mit alzugrosser Heftigkeit treiben. Sie müssen das Zeichen der Geduld seyn. Indes scheinet es, als ob dieser sich blos darüber beschwere und beunruhige, daß noch nicht alles schon zu Stande gebracht worden.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 157.)

4. Beispiel für die Komplexität der Mediatorenarbeit und Shuttlemediation

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„Die Franzosen, welche gar wohl merkten, daß sie weniger Vortheile erhalten würden, wenn sie zuerst den Antrag thäten, bestunden auf einen Frieden auf gut holländisch, weil sie wohl wusten, daß die Spanier denselben nicht annehmen würden; und die Mediateurs, die auf diese Weise vom einen zum anderen geschicket wurden, stellten sich ganz verzweifelt an, daß sie nicht von der Stelle kommen konnten.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 2, Halle 1758, S. 343.)

„Indes war er [Graf Trautmannsdorf] darauf bedacht, sich nicht auf seiner schwachen Seite vollständig zu zeigen, daher er die Mediateurs den Vortrag in seinem Namen thun lies (Memoire de Plenipotent au Card. Mazarin 17. Mart. 1646).

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 571.)

5. Beispiele für „aktive Mediation“ mit unverbindlichen Vorschlägen seitens der Mediatoren

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Neben der Unterstützung der Kriegsparteien in ihrer Kommunikation, führte Contarini den Mediationsprozess mitunter sehr zielorientiert und brachte zahlreiche eigene Einschätzungen und Lösungsvorschläge in das Verfahren ein, wie beispielsweise in Fragen der Heiratspolitik, bei Gebietsabtretungen bzw. Gebietstausch oder dem Schleifen von Festungen. Darüber hinaus schlug Contarini wiederholt Waffenstillstände für die Zeit der Friedensverhandlungen vor.

„Die vornehmste Absicht des Venetianers [Contarinis] mag hiebey wol dahin gehen, alles in dasjenige Gleichgewicht zu stellen das sich die Republik so vest in den Kopf gesetzet hat […].“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 2, Halle 1758, S. 560.)

„Herr Contarini setzte hinzu: Da auf die Bedingungen so Frankreich vorgeschlagen hätte, gar kein Frieden zu erwarten sey, so werde nothwendig ein Waffenstillstand müssen gemachet werden.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 327.)

„Insbesonderheit bewies der Herr Contarini eine ausserordentliche Lebhaftigkeit: Ew. Eminenz, schrieb der Graf von Avaur an den Cardinal Mazarin, würde es zur Belustigung gereichen, wenn ich ihnen die Sprünge und Einfälle dieses Mediateurs recht deutlich abmahlen könte.“

„Bald stellete er den Franzosen vor, daß sie mit Spanien Frieden machen möchten, weil es denselben begehrete, und einen Waffenstillstand von zehen bis zwölf Jahren zwischen Spanien und Portugal; welcher Vorschlag auch den Absichten Frankreichs nicht gänzlich zuwider war.“

„Bald mahlete er dem Graf von Avaur die Vortheile eines langen Waffenstillstandes vor; den folgenden Tag aber redete er wieder von Frieden. Ich sehe wohl, sagte er einstens, daß der Sache nicht anders als durch eine Marriage wird abzuhelfen seyn (Lettre du Comte d’Avaux au Card. Mazarin 22. Apr. 1645.).“

„Er verstund darunter die Vermählung des Königs von Frankreich mit der Infantin von Spanien. Er setzte hinzu, daß er jetzo ohne Ordnung rede, daß er es aber für ein sehr bequemes Vergleichsmittel hielte, wenn der König von Frankreich die Infantin heiratete, und daß diese Prinzessin die Grafschaft Flandern gegen Catalonien zum Heyrathsgut einbrächte. Es ist gar kein Zweifel, daß Contarini diesen Vorschlag ohne Ordnung gethan. Denn es war wol dieser Gedanke den Spaniern noch nicht in den Sinn gekommen.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 343.)

„Die Mediateurs boten ihnen [den französichen Bevollmächtigten] an statt Brisach, Benfeld, Saverne, Lausenburg an. Zu einer anderen Zeit trugen sie ihnen an, daß, wenn Brisach abgetreten würde, es dennoch ausgemacht werden solte, daß dieser Ort nicht länger befestigt bleiben sollte, als bis zur Volljährigkeit des Königs [Ludwig XIV.], und daß alsdenn die Festungswerke geschleifet, dem Könige aber an deren Statt die vier gemeldeten Oerter abgetreten werden sollten.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 576 f.)

6. Gemeinsames Einbringen von Vorschlägen des Mediators mit einer der Parteien

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„Wie nun weder die kayserlichen noch die Schweden einen Vortrag thun wolten, und gleichwol wegen Pommern nothwendig eine Vermittlung geschaffet werden muste, so wurden die Franzosen und der Herr Contarini eins, selbst davon anzufangen. Ihre Vermittelung bestund darin, daß den Schweden Vorpommern, ingleichen die Insul Wollin und die Städte Stettin und Garz überlassen, dem Churfürsten von Brandenburg aber nur Schadloshaltung für diese zween abgetretenen Städte von dem Kayser zwölfmal hunderttausend Reichsthaler bezahlet, oder, wenn der Churfürst diese Plätze lieber behalten wolle, die ganze Summe der Krone Schweden gegeben werden sollte.“

„Ausser dem Verlangen der Franzosen, durch dieses Mittel das vornehmste Hinderniß des Friedens aus dem Wege zu räumen, hatten sie noch eine andere Absicht dabey, die sie aber verheelten. Sie hofften nemlich, daß der Kayser durch die Unmöglichkeit, die erwehnte Summe Geldes aufbringen zu können, genöthiget werden würde, zu Frankreich seine Zuflucht zu nehmen, und ihnen vielleicht für diese Summe die Waldstädte und Benfeld zu überlassen. Der Herr Contarini theilte noch an eben dem Abend dem Grafen von Trautmansdorf dieses Project mit; der aber eine Veränderung in demselben machte, worein der Churfürst von Brandenburg natürlicher Weise nicht willigen konte.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 2, Halle 1758, S. 637.)

7. Protokollarische Rangstreitigkeiten und Verfahrensautorität des Mediators

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Prestige und protokollarischer Rang waren, neben dem Gedanken der Staatsräson, fester Bestandteil im Denken der politischen Akteure.

„[…] wo nicht der Graf von Avaur um eben diese Zeit Befehl vom Hofe erhalten hätte, dem Herrn Contarini alle Ehre zu erweisen, die den Abgesandten der Kronen erwiesen werden muss; als wodurch alle ihre Maasregeln verrücket wurden.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 2, Halle 1758, S. 163.)

„Der Nuntius schlug verschiedene Mittel zum Vergleich [ im Streit zwischen Contarini und den Abgesandten der Kurfürsten um die protokollarische Rangfolge] vor, die aber zu beyden Seiten verworfen wurden; so gar daß Herr Contarini zuletzt drohte, sich weg zu begeben und die ihm aufgetragene Mediation nieder zu legen.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 335.)

„Der Kayser, der sich das churfürstliche Collegium gefällig machen wolte, war gleichfalls entschlossen, den Abgesandten der Churfürsten, wie dem venetianischen Abgesandten, gleiche Ehre widerfahren zu lassen.“

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant a. a. O., S. 164.)

[Reaktion Contarinis auf eigenständige Vermittlungsbemühungen der Niederländer]

„Was die Mediateurs betrift, so fuhren sie noch immer fort ihr Mißvergnügen zu verbeissen, das ihnen die Vermittelung der Holländer in einer solchen Sache verursachte, die sie als Stück ihres Amtes bey diesem Friedensgeschäfte ansahen.“

„[…] da die Mediateurs sich dem ungeachtet gar sehr beleidigt zu seyn glaubten, so waren sie mit dieser Entschuldigung [durch die Spanier] nur sehr mittelmäßig zu frieden, sonderlich der Herr Contarini, der sich einige Worte entfallen lies (Memoire du Roi 29. Nov. 1646), welche sein erschöpftes Mißvergnügen ganz deutlich offenbareten."

(Guillaume-Hyacinthe Bougeant, Historie des dreysigjährigen Krieges und des darauf erfolgten Westphälischen Friedens - Aus dem Französischen Übersetzt. Mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von Friedrich Eberhard Rambach, Band 3, Halle 1759, S. 80.)

Pax optima rerum!

Contarini-Institut für Mediation | 08.04.2024