Promotionsprojekte

Promotionen in Betreuung von Prof. Dr. Alexandra Przyrembel:

Florian Gregor: Moral und Männlichkeit im Nationalsozialismus

​​​​Das Dissertationsprojekt befasst sich mit dem Konzept der nationalsozialistischen Moral und seiner Bedeutung für die Täter der Shoah. Im Mittelpunkt steht dabei nicht die Rekonstruktion von Tatabläufen. Vielmehr werden die kulturell geprägten moralischen Vorstellungen der Täter, die einen Querschnitt der deutschen Gesellschaft bildeten, entschlüsselt. In der vorliegenden Untersuchung wird nicht, wie in der bisherigen Forschung meist üblich, ein einzelner Tatkomplex untersucht. Stattdessen ist die Studie komparativ angelegt, um der Komplexität und Dynamik der Shoah gerecht zu werden

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Die verwendeten Fallbeispiele (Einsatzgruppe A im Baltikum, das Vernichtungslager Treblinka sowie das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz) erlauben einen Zugriff auf unterschiedliche Taten, Tatorte und Tätertypen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die von der Forschung bisher unberücksichtigte Frage, wie die moralischen Überzeugungen mit Vorstellungen von Männlichkeit verwoben und emotional codiert waren: Ehre, Anstand, Sittlichkeit, Kameradschaft, Gehorsam und Opferbereitschaft waren konstitutive Elemente einer moralischen Haltung, in der völkische Moralvorstellungen mit einer soldatisch geprägten Männlichkeit verflochten waren. Diese Moral prägte die Handlungsmuster der Täter maßgeblich. Um ihren zugleich handlungsleitenden wie performativen Charakter aufzuzeigen, ist es notwendig, die situativen Kontexte an den Orten der Vernichtungspraxis in die Analyse miteinzubeziehen und anhand von Fallstudien zu vertiefen.

Roswitha Klee-Emmerich:Der deutsch-jüdische Dialog nach der Shoah: Das Bespiel Eva G. Reichmann

Während der ersten Jahrzehnte nach der Shoah wurde das Ringen in Deutschland um ein neues Verhältnis zwischen Juden und Deutschen von deutsch-jüdischen WissenschaftlerInnen mitgestaltet, die, zwischen Exil und Heimat lebend, mit ihrer Interpretation der deutsch-jüdischen Geschichte, mit ihrer Deutung des Zeitgeschehens und mit ihrer Bereitschaft zu einer Neu-Begegnung als „MentorInnen auf dem Weg der Westdeutschen in die Demokratie“ bezeichnet werden. Eva G. Reichmann, Protagonistin jüdischer Selbstbehauptung in den 1930er Jahren und bis zur ihrer Emigration 1939 führende Persönlichkeit des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, forschte in ihrem Londoner Exil zu den Ursachen des Antisemitismus.

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Dabei verfolgte sie neben der Betrachtung soziologischer Aspekte einen emotionstheoretischen Zugang. In der deutschsprachigen Antisemitismusforschung wird einem solchen emotionsgeschichtlichen Ansatz erst in jüngerer Zeit vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt (emotional-turn), er soll in dieser Arbeit angewendet werden. Reichmann blieb in den Nachkriegsjahrzehnten als Beobachterin und als Gastrednerin in Räumen und Foren, die das „andere Deutschland“ vertraten – u. a. die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der Arbeitskreis Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag – eng mit den Entwicklungen hinsichtlich des Umgangs mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in ihrem Herkunftsland verbunden. Dabei war ihr zentrales Erkenntnisinteresse deckungsgleich mit den Leitfragen des Promotionsprojekts: Wie war der Umgang zwischen Juden und Deutschen nach der Shoah? Wie wurde gesprochen, wie sah die soziale Praxis aus? War es möglich Hass und Hassbereitschaft in Deutschland tatsächlich zu überwinden und ein neues Verhältnis zueinander zu finden? Auf emotionstheoretischer Basis und auf der Grundlage sozialwissenschaftlicher Studien sowie kirchlicher Zeitforschung werden Antworten auf die Frage nach Gefühlen gegen Juden als auch Antworten auf die Frage nach Gefühlen von Juden in den Nachkriegsjahrzehnten gesucht. Die Forschungsarbeiten Reichmanns, ihre im Kontext gesellschaftlicher Prozesse zur Problematik der Vergangenheitsbewältigung entstandenen Publikationen und Radiobeiträge, ihre empirisch-deskriptiven Arbeiten zur sozialen Praxis des Antisemitismus in den 1950er und 60er Jahren werden als „Sonde“ genutzt, um den deutsch-jüdischen Dialog nach der Shoah zu untersuchen.

Ricarda Rapp: Korsika 1755-1769 – ein vergessener moderner Verfassungsstaat?

Bereits Jahrzehnte vor den Revolutionen in den USA und Frankreich und den daraus resultierenden Verfassungen, die als erste moderne gelten, hatte auf Korsika eine Unabhängigkeitsbewegung gegen die genuesische Fremdherrschaft stattgefunden. Deren Höhepunkt waren die Jahre von 1755 bis 1769, in denen die Genuesen weitgehend vertrieben wurden und der Versuch, einen funktionierenden Staat zu installieren, stattfand. 1755 wurde eine Verfassung in Kraft gesetzt, die durchaus als modern gelten kann - eine Tatsache, die in der Geschichtsschreibung weitgehend ignoriert wird.

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Die Hauptanliegen meines Forschungsprojektes sind die Untersuchung Korsikas 1755-1769 auf eine moderne Verfassungsstaatlichkeit und außerdem die Frage der öffentlichen Aufmerksamkeit. Zunächst bedeutet dies, die Verfassungsnorm und die politische Praxis auf Korsika zu vergleichen, denn eine existierende Verfassung bedeutet nicht gleich auch das Existieren eines modernen Verfassungsstaates. Anschließend stellt sich die Frage nach der Rezeption in der Öffentlichkeit und eventueller Konsequenzen, sowie dem Verschwinden des Korsikas des 18. Jahrhunderts aus der Geschichtsschreibung.

Im Fokus steht die Aufarbeitung von und Aufmerksamkeit für weitgehend vergessene Geschichte.

Claudia Vollmer: Der Todesmarsch von Palmnicken: Mikrogeschichtliche Annäherung an eine Gewalterfahrung im 20. Jahrhundert und ihre Aufarbeitung in transnationaler Perspektive.

Trotz langjähriger und umfassender Studien sind manche Verbrechen des Holocaust noch wenig bekannt und kaum erforscht. Im Rahmen einer Anthropologie der Gewalt wird der Todesmarsch von Palmnicken in seinen vergleichbaren sowie spezifischen Ausprägungen betrachtet, sowohl für das Geschehen an sich, als auch für die „Nachgeschichte“ (juristische Aufarbeitung und Erinnerungskultur bzw. –politik). Dabei wird eine makrogeschichtliche Einbindung in transnationaler Längsschnittperspektive durchgeführt.

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Mehrere Tausend jüdische Frauen vor allem aus Polen, Ungarn und dem Baltikum wurden von SS-Bewachern und ihren Helfern aus unterschiedlichen Ländern im Januar 1945 in Ostpreußen ermordet. Ein Todesmarsch von verschiedenen Außenlagern des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig (heute poln. Gdańsk) endete in einem Massaker am Strand in Palmnicken (heute russ. Yantarny) an der ostpreußischen Küste. Der Ort des Massakers liegt seit Kriegsende in der heute russischen Exklave Kaliningrader Gebiet. Mit dem Forschungsvorhaben wird eine bislang ausstehende, vertiefende und systematische Studie zu diesem NS Endphase-Verbrechen angefertigt.

Die mikrogeschichtliche Annäherung an das Geschehen, basierend auf Unterlagen von vor allem Ermittlungsbehörden aber auch der Zivilgesellschaft in verschiedenen Ländern, bildet Ansatzpunkte für eine makrogeschichtliche Einordnung. Ein Hauptaugenmerk der geplanten Studie liegt auf der Erarbeitung weiterer Details zu dem tatsächlichen Geschehen sowie der Frage, was dazu beitrug, dass das Verbrechen lange nahezu unbekannt blieb.

Mit dem Forschungsvorhaben soll

Die transnationale Perspektive verspricht hier neue Einsichten mit dem Fokus auf Deutschland, Russland und Polen aber auch das Baltikum u.a.

Weiterhin werden die so gewonnen Erkenntnisse mit anderen, ähnlichen, aber besser erforschten NS-Verbrechen kontrastiert (z.B. Todesmarsch nach Volary und Todesmarsch mit Massaker in Gardelegen). Ebenso werden gender-Aspekte, die bei der systematischen Studie zu dem Todesmarsch und dem Massaker relevant sind, berücksichtigt.

Das Dissertationsprojekt wird vom 12.4. bis 11.11.2021 durch ein Forschungsstipendium des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Warschau gefördert und ist im Arbeitsbereich 4. Gewalt und Fremdherrschaft im "Zeitalter der Extreme" bei der stellvertretenden Direktorin des DHI Warschau Prof. Ruth Leiserowitz, angebunden.

Promotionen in Betreuung von Prof. Dr. Wolfgang Kruse:

  • Klaus Wilhelm Hornberg: Das Frankfurter Bürgertum im Krisenjahrzehnt 1914-1924.
  • Angel Ruiz Kontara: Ärzte im Krieg. Erfahrungsgeschichte der württembergischen Ärzte im Ersten Weltkrieg.
  • Marie Käbel: Britische Kriegseinsätze als Handlungsfelder des irisch-nationalistischen Widerstands, 1803-1918.
  • Annemarie Bluhm-Weinhold: Louise Otto-Peters: Von der revolutionären Utopie zur Massenbewegung.
  • Jürgen Dick: Vom "Achtundvierziger" zum "Forty-Eighter", Franz Sigel (1824-1902).
  • Markus Flüggen: Die Borchardt-Kontroverse.
  • Michael Grübnau-Rieken: Entstehungsgeschichte beruflicher Schulen im Großherzogtum Oldenburg und der Hansestadt Bremen im 19. Jahrhundert.
  • Claudia Scheel: Zwischen privater Trauer und Politisierung: Der Umgang mit dem Soldatentod im Ersten Weltkrieg.
  • Rolf Simon: Die nationalsozialistische Presseeroberung in Franke.

Abgeschlossene Dissertationen (PDF 85 KB)

05.10.2022