Präsenzveranstaltung zum Modul 3b

Thema:
Mehr als *nur* Mittelwerte – Einführung in die Nutzung von Variabilität beim Theoretisieren in der Allgemeinen Psychologie
Zielgruppe:
B.Sc. Psychologie: Modul 3b;
Ort:
Bonn
Adresse:
Campus Bonn
Termin:
21.06.2024
Zeitraum:
10.00 bis 18.00 Uhr
Leitung:
Dr. Christoph Naefgen
Anmeldung:
Moodle

Inhalt:

Empirische Untersuchungen sind Teil des Rückgrats der Psychologie. Die Versuchsdesigns und Analysen der Ergebnisse fokussieren sich hierbei häufig auf die Schätzung von Populationsmittelwerten. Populationsmittelwerte und ihre Unterschiede zu schätzen ist gut und nützlich um ein breit gefächertes Spektrum an Fragen beantworten zu können, aber möglicherweise gehen relevante Informationen über die Variabilität innerhalb der Population in dieser Betrachtungsweise verloren. So wäre es z.B. denkbar, dass eine experimentelle Manipulation nur bei einem Teil der Population funktioniert, was bei einer Betrachtung von Mittelwerten allein sich in einem kleineren statistischen Effekt äußern könnte. Sagt aber eine Theorie voraus, dass die Manipulation bei *Allen* funktionieren sollte, so wäre diese Vorhersage mit diesem Werkzeug nicht überprüfbar.

Diese Problemstellung ist insbesondere relevant für die Allgemeine Psychologie. Die Allgemeine Psychologie beschäftigt sich damit, psychische Prozesse besser zu verstehen, die Menschen (all)gemein sind. Während in anderen Disziplinen teils der Fokus eher auf Unterschieden zwischen Menschen liegt, ist in der Allgemeinen Psychologie meist das Ziel besser zu verstehen, was uns (all)gemein ist: Also z.B. eher Prozesse des Lernens statt Unterschiede im Ausmaß von Lernen bei unterschiedlichen Menschen.

Versuchsdesigns und Auswertungsmethoden die die Variabilität sowohl innerhalb von Populationen als auch innerhalb von Personen berücksichtigen, werden in dieser Veranstaltung diskutiert und ihr Potenzial, weitere Erkenntnisse greifbar zu machen herausgeschärft werden. Die den Teilnehmenden bewussten Arten von Fragen die sinnvoll beantwortet werden können sollen erweitert werden.

Methoden:

Für die Teilnahme an diesem Präsenz-Seminar ist es verpflichtend drei der vorgegebenen Veröffentlichungen (Guest & Martin, 2021, Haaf & Rouder, 2019, Naefgen & Gaschler, 2022, siehe Literaturliste) zu lesen und eine stichpunktartige Ausarbeitung eine Woche vor dem Veranstaltungstermin an die Lehrperson zu schicken (veranschlagter Zeitaufwand für Studierende insg. 12-15 h). Die restliche Literatur ergänzt den Hintergrund der Veranstaltung und ist empfohlen, aber nicht verpflichtend. Die Veröffentlichungen beschäftigen sich mit:

  • Dem Mehrwert den das Formalisieren von Theorien mit dem Ziel der statistischen Modellierung mit sich bringt (Guest & Martin, 2021)
  • Einer möglichen abstrahierten Zuordnung von Datenmustern und theoretischen Kategorien unter Nutzung von Verteilungseigenschaften (Naefgen & Gaschler, 2022)
  • Einer Herangehensweise an Bayesianische Mehrebenenmodellierung, die es ermöglicht, die interindividuellen Unterschiede hinsichtlich der Größe und des Vorhandenseins allgemeinpsychologischer Effekte direkt-inferenzstatistisch zu überprüfen (Haaf & Rouder, 2019)

Die Aufgabe für die Ausarbeitung ist zweiteilig:

  • Etwaige Verständnisprobleme sollen festgehalten werden um im Rahmen der Veranstaltung aufgeklärt zu werden.
  • Studierende sollen nach der Lektüre der Literatur skizzenhaft einen (z.B. theoretischen) Sachverhalt identifizieren in dem die in der Literatur diskutierten Prinzipien relevant sein könnten. Diese Skizze soll im Verlauf der Veranstaltung auf der Basis der dort besprochenen Inhalte überarbeitet werden und die Unterschiede zur vorigen Version identifiziert werden.

Die Betonung wird hier weniger darauf liegen, dass der erste Versuch einer solchen Anwendung perfekt ist und viel mehr darauf, dass die Fähigkeit, die Passung von theoretischen Fragestellungen und Forschungsmethoden zu beurteilen trainiert wird.

Literatur:

Brose, A., de Roover, K., Ceulemans, E., & Kuppens, P. (2015). Older adults’ affective experiences across 100 days are less variable and less complex than younger adults’. Psychology and Aging, 30(1), 194–208. https://doi.org/10.1037/a0038690

Guest, O., & Martin, A. E. (2021). How Computational Modeling Can Force Theory Building in Psychological Science. Perspectives on Psychological Science, 16(4), 789–802. https://doi.org/10.1177/1745691620970585

Haaf, J. M., & Rouder, J. N. (2019). Some do and some don’t? Accounting for variability of individual difference structures. Psychonomic Bulletin & Review, 26(3), 772–789. https://doi.org/10.3758/s13423-018-1522-x

Hamaker, E. L. (2012). Why researchers should think “within-person”: A paradigmatic rationale. In M. R. Mehl (Ed.), Handbook of research methods for studying daily life , (pp (Vol. 676, pp. 43–61). Guilford Press, xxvii.

Naefgen, C., & Gaschler, R. (2022). Trade-off vs. Common factor-differentiating resource-based explanations from their alternative. Frontiers in Psychology, 13, 774938. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2022.774938

Ram, N., & Gerstorf, D. (2009). Time-structured and net intraindividual variability: Tools for examining the development of dynamic characteristics and processes. Psychology and Aging, 24(4), 778–791. https://doi.org/10.1037/a0017915

Rouder, J. N., & Haaf, J. M. (2019). A psychometrics of individual differences in experimental tasks. Psychonomic Bulletin & Review, 26(2), 452–467. https://doi.org/10.3758/s13423-018-1558-y

Informationen:

Vor- und Nachbereitung zum Kurs werden über Moodle organisiert. Genauere Hinweise dazu folgen mit der Bestätigungs-E-Mail über die Zulassung zum Kurs.

Zielgruppe:

Die Veranstaltung richtet sich an Studierende im B.Sc. Psychologie, mit Interesse an der Vertiefung der hier benannten Problemstellung.

08.04.2024