TIN/ Trans*, Inter*, Nicht-Binär

TIN steht für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen. Transgeschlechtlichkeit, Intergeschlechtlichkeit und Nicht-Binarität beschreiben geschlechtliche Identitäten.

Geschlecht bestimmt unser Leben alltäglich, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Wir verknüpfen damit bestimmtes, nicht wissenschaftlich fundiertes Alltagswissen, welches wir selten hinterfragen, obwohl es weitreichende Konsequenzen für uns und unser Miteinander hat. Die Geschlechterforschung hat eine Reihe von wissenschaftlichen Erkenntnissen gewonnen, die unsere Alltagsannahmen widerlegen.

Geschlecht ist nicht etwas, das man ist. Es ist etwas, das man tut, eine Handlung oder genauer gesagt eine Folge von Handlungen, ein Verb und kein Substantiv, ein ‹Tun› und nicht ein ‹Sein›.

Judith Butler

Geschlecht ist demzufolge etwas, das sozial konstruiert ist. Die meisten von uns verhalten sich tagtäglich auf eine bestimmte Art, die verdeutlichen soll, welcher geschlechtlichen Identität wir angehören. So festigt sich unser Alltagswissen und vieles erscheint als natürlich, was eigentlich menschengemacht ist. Durch ‚doing gender‘ werden Geschlechterdifferenzen konstruiert.

Sobald anhand der Genitalien, teilweise schon vor der Geburt, bestimmt wird, ob es sich augenscheinlich um ein Mädchen oder einen Junge handelt, wirken Geschlechterstereotype. Kinder lernen, sich an diese (unausgesprochenen) Regeln zu halten, um nicht negativ aufzufallen. Diese Erwartungen strukturieren das gesellschaftliche Miteinander ein Leben lang und bestimmen unter anderem, über wie viel gesellschaftliche Macht ein Mensch verfügt. Was damit auch einhergeht: Menschen, die eindeutig in die medizinische und generell gesellschaftliche körperliche Norm von Frauen und Männern passen, also endogeschlechtlich sind, haben es leichter im Leben. Genauso Menschen, bei denen das eigene Geschlechtsempfinden zu dem passt, was bei der Geburt von außen zugeschrieben wurde, die also cisgeschlechtlich sind.

Inter- und transgeschlechtliche Menschen hingegen sind beständig mit den Herausforderungen einer heteronormativen und cisnormativen Welt konfrontiert – einer Welt, die auf diesem unhinterfragten Alltagswissen zu Geschlecht aufbaut, nach dem es ausschließlich zwei Geschlechter gäbe, die eindeutig an den Genitalien erkennbar wären und sich auch nicht ändern könnten.

  • inter*: Überbegriff für Menschen, deren angeborenen körperlichen Merkmale nicht in die Norm von ‚männlichen‘ und ‚weiblichen‘ Körpern passen - z. B. in Bezug auf die Chromosomen, Hormonproduktion, Genitalien und/ oder Keimdrüsen.
  • endo: Gegenbegriff zu Inter*. Endogeschlechtliche Menschen passen körperlich in die medizinischen und gesellschaftlichen Vorstellungen von einer Frau oder einem Mann.
  • trans*: Überbegriff für Personen, die sich nicht oder nur teilweise mit dem bei der Geburt verkündeten und eingetragenen Geschlecht identifizieren
  • cis: Gegenbegriff zu Trans*. Ein Mensch ist cis, wenn das nach der Geburt eingetragene Geschlecht zum eigenen inneren Geschlechtsempfinden passt.

Die Alternative, für die wir uns einsetzen, ist die Anerkennung von körperlichen Unterschieden bei gleichzeitiger Entkopplung von unseren Vorstellungen von Geschlecht. Ein Körper mit Uterus kann demnach z. B. menstruieren, muss aber nicht notwendigerweise der einer Frau sein. Die Idee geschlechtlicher Vielfalt erkennt an, dass es mehr Geschlechter gibt als die cis endo Frau auf der einen Seite und den cis endo Mann auf der anderen. Stattdessen sind dies nur zwei mögliche Geschlechter neben einer Reihe anderer (wie z. B. trans* Männern), die alle gleichwertig sind. Das ausschlaggebende Kriterium für die eigene Geschlechtszugehörigkeit ist dann kein von außen erkennbares Merkmal, sondern die innere Überzeugung der jeweiligen Person. Diese kann nicht notwendigerweise von anderen Personen erkannt werden, denn der Geschlechtsausdruck, also die Art, wie sich eine Person gibt, muss nicht unbedingt mit der empfundenen Geschlechtsidentität übereinstimmen. Im Zweifel gilt: Nachfragen.

  • Viele cisgeschlechtlichen Menschen beschäftigen sich nie wirklich mit der Frage nach ihrer eigenen Geschlechtsidentität. Für sie steht fest, „Ich bin ein Mädchen/ eine Frau“ oder „Ich bin ein Junge/ ein Mann“. Trans* Menschen hingegen stellen sich diese Frage häufig schon sehr früh. Schon als Kind haben viele von ihnen das Gefühl, dass das ihnen der Geburt zugewiesene Geschlecht sich nicht richtig anfühlt. Oft sprechen sie nicht mit anderen darüber, um nicht ausgelacht oder anderweitig sanktioniert zu werden. Sie wissen: Unfreiwillig anders zu sein als die Norm ist anstrengend und mitunter gefährlich. Viele verdrängen aus diesem Grund die weitere Auseinandersetzung für eine lange Zeit. Irgendwann kommt vielleicht der Moment, in dem andere eingeweiht werden. Transition nennt sich der Prozess, wenn ein trans* Mensch beginnt, nach und nach Maßnahmen zu ergreifen, um im eigenen Geschlechtsempfinden anerkannt zu werden. Dazu kann die Veränderung des Kleidungsstils, des Namens und Pronomens, der Haare, manchmal auch Medikamente und Operationen gehören. Die offizielle Vornamens- und Personenstandsänderung ist ein Prozess, der vielen bürokratischen Hürden unterliegt, die einiges an psychischem Leid auslösen können. Er kann sich sehr langziehen, so dass mitunter Jahre vergehen, in denen die amtlichen Dokumente nicht mit dem gelebten Geschlecht übereinstimmen.

    Jede dieser Phasen kann in die Studien- oder Arbeitsphase fallen. Laut der Arbeitsgemeinschaft trans*emanzipatorische Hochschulpolitik sind 3,3 Prozent der Bevölkerung in Deutschland trans*, inter* oder nicht-binär (Stand 2018). Für die FernUniversität wären das bei knapp 2.000 Beschäftigten (Stand 2023) potenziell um die 60 TIN-Menschen, bei den knapp 67.000 aktiv Studierenden (Stand 2023) über 2.000. Auch wenn viele von ihnen vermutlich nicht geoutet sind, muss davon ausgegangen werden, dass sie da sind. Laut der Studie 'Out im Office' von 2017 sprechen fast 70 Prozent der Trans*-Beschäftigten mit keinen oder nur wenigen Kolleg*innen über ihre Geschlechtsidentität.

    Universitäten als Institutionen, in die Menschen eingebunden sind, stellen dementsprechend Orte dar, an denen es auch zu Diskriminierung kommen kann. Sei es die klischeehafte Verhandlung von Inter- oder Transgeschlechtlichkeit, ein Nicht-ernst-Nehmen, die falsche Ansprache, die Verwendung unzutreffender (alter) Angaben, die fehlende Bereitschaft zur Unterstützung der Änderung von Vornamen oder Personenstand im System, die Gefahr eines Zwangsoutings zum Beispiel durch Seminarlisten oder technische Einstellungen bei Kommunikationsplattformen, Gerüchte, Witze, Beschimpfungen, Beleidigungen, den Aufbau eines Rechtfertigungsdruck aufgrund nicht deckungsgleicher Dokumente, Ausgrenzung, nicht vorhandene Toiletten beziehungsweise die Sorge vor Anfeindungen bei der Nutzung von sanitären Anlagen oder Umkleiden, unangemessene intime Fragen, Mobbing oder (sexualisierte) Gewalt.

    Das hat nachweislich einen negativen Effekt auf die Lebensqualität und die mentale Gesundheit von trans*, inter* und nicht-binäre Menschen. Auch die Arbeitsleistung leidet darunter, sowohl bei TIN-Angestellten als auch bei TIN-Studierenden. Die Belastung kann für letztere so weit gehen, dass das universitäre Bildungsangebot gar nicht mehr angenommen werden kann.

  • Do

    • Bilden Sie sich zum Thema fort.
    • Seien Sie respektvoll und sensibel im Sprechen über die Themenbereiche und im Umgang mit TIN-Personen.
    • Nutzen Sie die Bezeichnungen, die ein Mensch für sich selbst benutzt.
    • Verwenden Sie geschlechtergerechte Sprache, die inkludiert.
    • Stellen Sie sich eigeninitiativ mit Ihrem eigenen Pronomen vor und ergänzen Sie in Ihrer Mailsignatur, wie Sie angesprochen werden möchten.
    • Schreiten Sie bei Diskriminierung und Fehlinformationen ein.
    • Nehmen Sie Rückmeldungen von TIN-Personen nicht persönlich. Entschuldigen Sie sich, wenn Sie etwas falsch gemacht haben. Das nächste Mal bietet eine neue Chance.
    • Lernen Sie den Menschen kennen! Es muss in Gesprächen mit TIN-Menschen nicht immer um das Thema geschlechtliche Vielfalt gehen.

    Don‘t

    • Nicht fremdouten. Wenn Sie sich nicht sicher sind, mutmaßen Sie nicht über die Geschlechtsidentität einer anderen Person.
    • Geben Sie keine Informationen weiter, die Ihnen anvertraut wurden.
    • Stellen Sie keine neugierigen Fragen zu Körperlichkeiten oder abgelegten Namen.
    • Vermeiden Sie vermeintlich positive Komplimente zum Aussehen oder Auftreten.
    • Verurteilen Sie nicht die Art, auf die ein Mensch trans*, inter* oder nicht-binär ist.
  • Hier können Sie tiefer in das Thema geschlechtliche Vielfalt einsteigen:


  • Bücher:

    • polymorph (Hrsg.) (2002): (K)ein Geschlecht oder viele? Transgender in politischer Perspektive. Berlin: Querverlag.
    • Barth, Elisa/ Böttger, Ben/ Ghattas, Dan Christian/ Schneider, Ina (2013): Inter - Erfahrungen intergeschlechtlicher Menschen in der Welt der zwei Geschlechter. Berlin: NoNo Verlag.
    • Gregor, Joris (2015): Constructing Intersex. Intergeschlechtlichkeit als soziale Kategorie. Bielefeld: transcript.
    • Krämer, Anike/ Sabisch, Katja (2017b): Inter*. Geschichte, Diskurs und soziale Praxis aus Sicht der Geschlechterforschung. In: Kortendiek, Beate/ Riegraf, Birgit/ Sabisch, Katja (Hrsg.): Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Wiesbaden: Springer.
Gleichstellungsstelle | 08.04.2024