Jörg Lenhardt
Ohne Abitur bis zur Promotion
Als Teenager weiß man ja oft vieles besser als Lehrer und Eltern. Da kann es auch schon mal passieren, dass man Entscheidungen trifft, die man zu einem späteren Zeitpunkt gerne wieder rückgängig machen würde. So war es auch bei Jörg Lenhardt. „Die Schule abzubrechen, war eine Kurzschlussreaktion und mein größter Fehler“, gibt er offen zu. Mit der FernUniversität hat der heute 33-jährige diesen Fehler korrigiert und seine zweite Chance so gut genutzt, dass er jetzt promoviert. Aber von vorne:
Von der elften Klasse in die Polizausbildung
Den „Koller“ bekam Jörg Lenhardt in der elften Klasse. Obwohl er ein guter Schüler war, hielt ihn nichts mehr auf dem Gymnasium. „Ich hatte gehört, dass man bei der Polizei schon in der Ausbildung gutes Geld verdient. Und genau das wollte ich“, erinnert er sich. Gesagt, getan. Doch die Ernüchterung kam schnell. Schon nach wenigen Monaten merkte er, dass dies nicht sein Job war. Er zog die Ausbildung trotzdem durch und blieb im Polizeidienst. Aber seine Interessen lagen eigentlich woanders – nämlich in der Informatik. Als er zehn Jahre alt war, hatte ihm sein Vater den Commodore 64, heute ein „Computer-Relikt“, geschenkt. Der damals kleine Junge fing an zu programmieren und brachte sich step by step immer mehr Computerkenntnisse selbst bei. Seine einzige Hilfe war später ein Buch über die Programmiersprache „Pascal“. „Im Internet konnte ich ja damals noch nicht recherchieren. Das stand der Allgemeinheit Anfang der 90er-Jahre ja so noch nicht zur Verfügung“, schmunzelt er.
Sein Faible für die Informatik ist bis heute geblieben, seine Kenntnisse in diesem Bereich hat Jörg Lenhardt immer weiter ausgebaut. Schon während seiner Ausbildung bei der Polizei gab er Computerkurse für Kolleginnen und Kollegen und arbeitete später in der EDV-Abteilung. So spannend, wie er die Informatik findet, seinen gut bezahlten und sicheren Job für ein Studium an den Nagel zu hängen, kam für Lenhardt da noch nicht in Frage. Außerdem, dachte er, hätte ihm dafür ja auch das Abitur gefehlt. Auf die zündende Idee, sich über ein Akademiestudium an der FernUniversität für ein grundständiges Studium in der Informatik zu qualifizieren, brachte ihn ein Kollege. „Er hat selbst an der FernUni studiert und hat mir von seinen guten Erfahrungen berichtet“, erinnert sich Lenhardt.
„Ich hatte nie Angst vor der Mathematik“
Also schrieb er sich 2004 ein. Zunächst allerdings nicht mit dem Ziel, sich beruflich zu verändern. Um das nötige mathematische Wissen aus der Oberstufe nachzuholen, hatte er sich entsprechende Bücher besorgt und Brückenkurse der FernUniversität genutzt. „Ich hatte aber auch nie Angst vor der Mathematik, im Gegenteil sie ist mir schon in der Schule immer leicht gefallen“, sagt er.
Nachdem er an der FernUni als Akademiestudierender die nötigen Leistungsnachweise erbracht und damit die Zugangsprüfung bestanden hatte, war Jörg Lenhardt Bachelorstudent an der FernUniversität. Im Januar 2010 freute er sich über seinen ersten Uniabschluss – und machte direkt mit dem Masterstudiengang Informatik weiter. Parallel zum Studium und seiner 42-Stunden-Woche bei der Polizei arbeitete er von München aus als wissenschaftliche Hilfskraft im Lehrgebiet Rechnerarchitektur (Prof. Dr. Wolfram Schiffmann). Bereits Ende 2011 hatte Lenhardt den Masterabschluss in der Tasche. Wie er das so schnell geschafft hat? Die Kunst sei, die große Masse an Stoff lernbar zu machen. „Ich habe mit Kommilitonen beispielsweise Fragenkataloge zu den Kurseinheiten erarbeitet. Indem wir uns überlegt haben, welche Fragen gestellt werden könnten, haben wir uns sehr intensiv mit den Inhalten auseinandergesetzt und ein tieferes Verständnis für den Stoff entwickelt“, erklärt er.
Nach dem Bachelor und dem Master jetzt die Promotion
Wie ging es für ihn weiter? Inzwischen hatten sich für ihn auch beruflich einige Veränderungen ergeben. Seit Mitte 2010 arbeitete er in der Ermittlungsabteilung zur Bekämpfung von Internetkriminalität des Bayerischen Landeskriminalamts und am FernUni-Lehrgebiet als Wissenschaftliche Hilfskraft. Den Polizeidienst quittieren und mit einer Promotion ganz in die wissenschaftliche Karriere einsteigen? Diese Entscheidung stand vor der Tür als Anfang 2012 bei Prof. Schiffmann eine Stelle für einen Wissenschaftlichen Mitarbeiter frei wurde, Lenhardt sich bewarb und die Zusage bekam. Mittlerweile hatten seine Frau und er eine Tochter bekommen. Das Paar überlegte: Sollte und konnte er die Sicherheit der Beamtenlaufbahn aufgeben, um das machen zu können, was er eigentlich immer wollte? Das Votum hieß „ja“!
„Auch, wenn die Sicherheit jetzt weg und meine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter befristet ist, die Entscheidung war richtig und ich fühle mich angekommen“, strahlt Jörg Lenhardt. Der nächste Schritt ist nun die Promotion, mit der er gerade angefangen hat.
Übrigens: Dass er ohne Hochschulzugangsberechtigung im Studium sehr erfolgreich war, findet Lenhardt im Rückblick gar nicht so ungewöhnlich: „Das Abi ist doch auch nicht automatisch der Beweis dafür, dass man fit für das Studium ist. Dass Hochschulen sich immer mehr öffnen und man seine Fähigkeiten auch ohne Abi im Studium zeigen kann, finde ich klasse.“
Stand: Oktober 2012