Kommunikation ist viel mehr, als nur miteinander zu sprechen

Mit einer Vorlesung stellte sich Dorett Funcke als neue Professorin für Mikrosoziologie vor. Stifterin ihrer Professur an der FernUniversität ist die Ernsting‘s family-Gruppe.


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Prof. Dorett Funcke

Bereits zum zweiten Mal konnte sich Prof. Dr. Dorett Funcke von der FernUniversität in Hagen wissenschaftlich interessierten Bürgerinnen und Bürgern in Coesfeld mit einer Antrittsvorlesung vorstellen: Pandemie-bedingt mit Verspätung hielt die Leiterin der 2020 eingerichteten Ernsting‘s family-Stiftungsprofessur Mikrosoziologie ihren Vortrag über Kommunikation in der „BürgerUniversität Coesfeld“ vor rund 70 Interessierten. Bereits seit 2013 war Dorett Funcke der Stadt als Ernsting’s family-Junior-Stiftungsprofessorin und als Verantwortliche der Veranstaltungsreihe „BürgerUni“ verbunden. Dabei spielte auch das Promotionskolleg der FernUni-Fakultät Kultur- und Sozialwissenschaften (KSW) eine wichtige Rolle.

In der Vortrags- und Seminarreihe BürgerUniversität Coesfeld (BUC) werden aktuelle und grundlegende Themen Interessierten vor allem aus soziologischer Sicht im Zentrum WBK – Wissen Bildung Kultur nähergebracht. Für die Auftaktveranstaltung des Sommersemesters 2022 hatte die Soziologin ein Thema ausgewählt, das alle Menschen angeht: „Was macht menschliche Kommunikation aus? Anmerkungen zu einer soziologischen Konzeption von Kommunikation.“

Kommunikation ist umfassend

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Was beim Kommunizieren passiert, ist alles andere als zufällig, beliebig oder bloß „individuell“.

„Wir alle haben schon erlebt, was schiefgehen kann, wenn wir kommunizieren – nicht nur, weil wir ‚aneinander vorbeireden‘. Kommunikation ist viel mehr, als nur miteinander zu sprechen“, erläutert Funcke die Thematik. „Für die heutige Soziologie ist sie ein Schlüsselbegriff. Es geht darum, wie wir uns über kommunikative Prozesse austauschen und welchen Regeln sie folgt.“

In ihrer Antrittsvorlesung führte sie mit ihrem Vortrag und mit Ausschnitten aus Spielfilmen in die Perspektive ihres Fachs auf die Kommunikation ein. Beispiele „aus dem Leben“ zeigten, wie Kommunikation soziologisch erklärt und gestaltet werden kann.

Kommunikation folgt Regeln

So erläuterte die Soziologin, was menschliche Kommunikation ausmacht und zeigte, dass das, was dabei passiert, alles andere als zufällig, beliebig oder bloß „individuell“ ist, sondern durch Regeln strukturiert wird.

Ein Beispiel: Zwei Menschen treffen sich zufällig, etwa in einem Café. Sie interessieren sich füreinander, nehmen durch symbolische Handlungen wie intensive Blicke, Mimik und Körperhaltung Kontakt auf und zeigen ihr Interesse. Am Ende eines gelungenen kommunikativen Prozesses könnte eine Heirat stehen. „Dabei lässt sich eine Vielzahl an Regeln ausmachen, die – unbewusst wie bewusst – eine solche kommunikative Wechselbeziehung mit ganz eigenen Gesetzlichkeiten oder Gesetzmäßigkeiten entstehen lässt.“ Es geht es um mehr als persönliche Motive und Absichten. Unter anderem ging Funcke auch der Frage nach, was diese kommunikative Beziehung mit den Menschen macht, die sie selbst erzeugt haben.


Die Antrittsvorlesung als Stream:


Eröffnet wurde die von der Coesfelder Musikschule umrahmte Festveranstaltung mit Grußworten des Prodekans der FernUni-Fakultät KSW, Prof. Dr. Michael Stoiber, des CFO der Ernsting's family-Unternehmensgruppe, Horst Beeck, und der Bürgermeisterin der Stadt Coesfeld, Eliza Diekmann.

Beziehungen und Kommunikation im Fokus

Prof. Stoiber hob hervor, dass Dorett Funcke bereits im Zusammenhang mit ihrer Promotion die Familien- und Paarsoziologie als Schwerpunkt für sich entdeckt hatte. Hinzu kommt bei ihr die Klinische Soziologie, also etwa Arzt-Patienten-Beziehungen. In diesem Bereich betrieb sie auch Feldforschung, beschäftigte sich mit der öffentlichen Drogen- und Kneipenszene in Zürich. Dies zeige, „was Frau Funcke antreibt, nämlich die Gegenstände in der Realität, Familien, Paare – etwas, was eben greifbar ist“. Dabei gehe es ihr auch um Wissenstransfer in die Gesellschaft: „Genau das, was wir hier heute in der BürgerUniversität haben.“ In den neun Jahren an der FernUniversität habe sie ihr mikrosoziologisches Forschungsprofil mit dem Kern „Familiensoziologie“ weiterentwickelt, zunächst für sechs Jahre als Leiterin der Ernsting´s family-Junior-Stiftungsprofessur für Soziologie familialer Lebensformen, Netzwerke und Gemeinschaften.

Bewährte Partnerschaft

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Horst Beeck (Ernsting's family)

Für den Unternehmensgründer Kurt Ernsting (†) war es wichtig, sich sozial, kulturell und für die Bildung bzw. die Wissenschaft sowohl in der Region Coesfeld als auch darüber hinaus zu engagieren, betonte CFO Horst Beeck für die Ernsting’s family-Gruppe. „Er wollte damit etwas von dem Erfolg des Unternehmens zurückgeben.“ Bereits die erste Stiftungsprofessur „Soziologische Gegenwartsdiagnosen“ 2006 sollte den Dialog und den Transfer zwischen Hochschule und Öffentlichkeit in der Region Coesfeld fördern. Dazu sollten die heutige BürgerUniversität, Veranstaltungen für Studierende und ein Promotionskolleg beitragen. 2018 entschloss das Unternehmen sich, „für weitere fünf Jahre bewährter Partner der FernUniversität“ zu sein, nun wieder mit einer Stiftungsprofessur, für die die vormalige Juniorprofessorin Dorett Funcke ausgewählt wurde. Alleine hierfür stellt die EHG Service GmbH der FernUniversität über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt 550.000 Euro zur Verfügung. Die drei Stiftungen mit einem Gesamtzeithorizont von rund 18 Jahren zeigten, „wie eine Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft erfolgreich funktionieren kann“, so Beeck.

Er ging auch noch auf das Thema des Abends ein: „Corona hat uns allen verdeutlicht, wie wichtig menschliche und zwischenmenschliche Kommunikation generell ist.“ Homeoffice gab es auch schon zuvor, aber urplötzlich musste diese Form der Arbeit für die 700 Mitarbeitenden vor Ort sichergestellt werden: „Und dann fand Kommunikation fast ausschließlich über den PC statt, fast zwei Jahre lang. Das macht etwas mit Menschen, auch im negativen Sinn!“

Wahrheit finden ohne Kommunikation?

„Wir sprechen heute über Kommunikation und eigentlich würde ich meine Grußworte gerne anschließend sagen, denn wer weiß, was ich noch lerne“, bekannte die Coesfelder Bürgermeisterin Eliza Diekmann. Die Stadtverwaltung versuche gerade, den Ansatz zu etablieren, dass man generell nur von einer „aktuellen Wahrheit“ sprechen könne. Die Frage sei, „ob wir immer wieder bereit sind zu hinterfragen, ob das, was wir denken, richtig und aktuell ist“. Dieser Ansatz sei schwierig, wenn man miteinander nicht kommunizieren könne: „Wie finden wir denn überhaupt unsere Wahrheit ohne Kommunikation?“ Die Bürgermeisterin freute sich, „dass wir die BürgerUni in Coesfeld haben, denn es gibt nur vier Bürgerunis in ganz Deutschland Das ist ein echtes Geschenk und das macht unsere Stadt reicher“.

BürgerUni weiterentwickeln

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Das WBK, in dem auch der Campusstandort Coesfeld der FernUniversität zu finden ist.

Mit Funckes Antrittsvorlesung als Professorin meldete sich die BürgerUniversität Coesfeld (BUC) nach zwei Jahren mit aufgezeichneten Online-Vorträgen wieder zurück in der Welt der Präsenzveranstaltungen. „Was Pandemie-bedingt fehlen musste, war der kommunikative Austausch zwischen Vortragenden und Publikum, bei dem neue Aspekte gewinnbringend für alle eingebracht wurden. Doch haben wir mit der ‚Digitalen BürgerUni Coesfeld‘ das Beste aus den Einschränkungen gemacht“, betonte Prof. Funcke. Online-Vorlesungen können andererseits aber auch weiter entfernt Wohnenden die Vortragsinhalte zur Verfügung stellen, auch später. Das BUC-Team, zu dem auch Mitarbeiterinnen des Campusstandortes Coesfeld der FernUniversität gehören, arbeitet daher bereits daran, Online- und Präsenzformate zu kombinieren.

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Prof. Dorett Funcke (Mitte) mit Horst Beeck, Eliza Diekmann, KSW-Prodekan Prof. Michael Stoiber und der Leiterin des Campusstandorts Coesfeld, Barbara Thesing (v.li.)
Gerd Dapprich | 10.06.2022