Podiumsdiskussion und Ausstellungseröffnung am Campus München „Koloniale Spuren in München und Bayern – Stadtgesellschaften und neue Dynamiken?“

In den Räumlichkeiten der Technischen Universität München begrüßte Nicole Berndt, die Leiterin des Campus München der FernUniversität, die fünf Podiumsgäste. Einführend stellten alle die Schwerpunkte ihrer jeweiligen Aufarbeitung des „Kolonialismus vor Ort“ vor, woran sich individuelle Fragen schlossen, moderiert von Dr. Fabian Fechner (FernUniversität in Hagen/Arbeitskreis Hagen postkolonial). Die Soziologin Dr. Eva Bahl konnte dabei auf 15 Jahre Mitarbeit bei [muc] münchen postkolonial zurückblicken – eine Gruppe, die regelmäßig postkoloniale Stadtführungen anbietet und u.a. 2013/14 an der Ausstellung „Decolonize München“ im Münchner Stadtmuseum mitgearbeitet hat. Bahl resümierte, dass von Seiten der Politik insgesamt „zu langsam und zu wenig“ passiere – schließlich sei Europa in der Bringschuld, und von hier müssten die Impulse ausgehen.

Jean-Pierre Félix-Eyoum, Großneffe des Königs der Duala in Kamerun Rudolf Duala Manga Bell (1873-1914), leitete seine Herangehensweise biographisch ein. Die Benennung von Plätzen in Ulm und Aalen nach seinem Vorfahren, wo dieser insgesamt sechs Jahre gelebt hatte, seien wichtige Symbole. Doch gingen diese nicht gegen das koloniale „Vergessen“ an – vielmehr ginge es darum, in Deutschland die tradierte, rassistische Erzählung der Kolonialherren abzulösen, wobei Félix-Eyoum wichtige Fortschritte in den vergangenen drei Jahrzehnten hervorhob. An die Frage des Vergessens konnte der Historiker PD Dr. Richard Hölzl anknüpfen. Von seiner Tätigkeit als Provenienzforscher am Museum Fünf Kontinente berichtete er, wie vor allem in den 1960er Jahren im kolonialen Kontext erworbene Objekte von Museen in ganz Bayern an das damalige Völkerkundemuseum in München gegeben wurden – so habe man den eigenen Anteil am Kolonialismus in gewisser Weise leichter ausblenden können, der allerdings um 1900 noch ganz präsent in allen Schichten der Bevölkerung gewesen war. Für ganz Bayern könne allerdings festgehalten werden, dass in der Rückschau der Kolonialismus oftmals als Teil einer preußischen Agenda wahrgenommen wurde, was einer Distanzierung Vorschub leistete.

Hierzu konnte die Dipl.-Wirtschaftsanglistin und Bildungsaktivistin Modupe Laja Parallelen sehen, da sie bei ihren Forschungen zu deutschen Schulbüchern feststellen kann, dass die Kolonialgeschichte oftmals nicht aufgearbeitet, sondern externalisiert wird. An lokalen Beispielen erklärte sie, wie das Wissen von Nichtweißen nicht anerkannt wird, und wie wenig etwa die „Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft“ der Vereinten Nationen (2015-2024) wahrgenommen wird – auch in München. Vom Historiker Michael Rösser wurde die geographische Perspektive geweitet, da er in Regensburg postkoloniale Stadtrundgänge initiierte. Dort erführen Debatten um (auch temporäre) Straßenumbenennungen derzeit noch besonderes mediales Echo. Jedoch sei die Geschichte der Stadt seit der Frühen Neuzeit mit dem europäischen Kolonialismus verwoben. Es bestehe die Notwendigkeit, auch ein Bewusstsein für diese größere Perspektive zu schaffen, um dazu beizutragen, dass in der Stadt die Kolonialgeschichtliche von einem Nischenthema allmählich zu einem Querschnittsthema werde.

Die Diskussion mit dem Plenum konnte noch im benachbarten Campus der Fernuniversität fortgeführt werden, wo mit der Wanderausstellung „Fernes Hagen. Kolonialismus und wir“ die am Abend behandelten Beispielstädte miteinander verglichen werden konnten. Die Rollups und Poster sind noch bis zum 31. Januar 2024 in der Arcisstraße 19/EG zu den Öffnungszeiten des Campusstandorts zu sehen. Das vertiefende Begleitheft, das auch einen Artikel zur Ausstellung „Decolonize München“ enthält, liegt dort kostenlos aus.

Text: Fabian Fechner