Prof. Dr. Ulrich Eisenhardt: der Traditions-Wahrer

Biographisches

  • 1937 geboren in Lüdenscheid
  • 1974 Berufung in den Gründungs­ausschuss der FernUniversität
  • 1975 – 2002 Professor für Bürger­liches Recht und Unternehmens­recht an der FernUniversität
  • Fast durch­gängig Mitglied des Senats, zeitweise Prorektor und mehrfach Dekan des Fachbereichs Rechts­wissenschaft
  • 2000 Mitbe­gründer des Instituts für Japanrecht
  • 2002 Mitbe­gründer des Kurt-Haertel-Instituts für geistiges Eigentum
  • 2002 Emeritierung

Der Rechtswissenschaftler Ulrich Eisenhardt wurde von Johannes Rau in den Gründungsausschuss der FernUniversität berufen. Im April 1975 unterschrieb er als erster Professor der Hagener Hochschule seine Ernennungsurkunde. „Es war etwas ganz Neues“, blickt er auf die Anfangszeit zurück. „Eine Universität zu gründen und bei der Gestaltung mitwirken zu können, das war eine reizvolle Aufgabe.“

Anführer der Beton-Fraktion

Ulrich Eisenhardt führte gemeinsam mit Michael Bitz die sogenannte „Beton-Fraktion“ an. Diese orientierte sich am Vorbild einer traditionellen Universität und war gegen die Öffnung der FernUniversität. „Alle Auseinandersetzungen sind im Senat ausgefochten worden“, erinnert er sich. „Da gab es richtige Fraktionen.“ Um das Ansehen der FernUniversität zu stärken, setzte Eisenhardt sich für die Etablierung der Geisteswissenschaften mit ihren traditionsreichen Fächern Philosophie, Germanistik und Geschichte ein. „Damit kann man Ansehen gewinnen“, begründet er sein Engagement.

Aufbau einer juristischen Fakultät

Nach der Anfangszeit, in der Eisenhardt als einziger Jurist mit den Wirtschaftswissenschaftlern in einer Fakultät zusammenarbeitete, baute er die juristische Fakultät und das Jura-Studium an der FernUniversität maßgeblich mit auf. „Das war schon eine gewisse Aufbruchsstimmung“, erinnert er sich. Unter großem Zeitdruck entstanden damals die ersten juristischen Kurseinheiten. „Diejenigen, die zuerst hier waren, sind ja alle nach Hagen oder in die Umgebung gezogen. Sonst wäre das gar nicht möglich gewesen“, erinnert er sich an die Aufbauarbeit. „Da waren Kurse im Einsatz, für die wir alle vierzehn Tage 40, 50 Seiten oder noch mehr abliefern mussten. Da ging das Manuskript manchmal noch warm in den Druck.“

Didaktik

Für Ulrich Eisenhardt stand dabei immer das Fachliche im Mittelpunkt, die Vorschläge der Fachdidaktik waren ihm zu abstrakt. „Wir wollten die Verantwortung für unsere Kurse behalten“, betont er. „Ohne diese Linie wäre die FernUniversität kein Erfolgsmodell geworden.“

 

Das Interview als Text

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Das war ja nun eine Phase, in der ich wie gesagt diese Professur in Bonn schon hatte, aber wenn man einmal diese Laufbahn eingeschlagen hat, dann ist man ja nicht unbedingt darauf fixiert, dass es dabei dann bleibt. Dann will man auch gerne eine Stufe höher.

Das war meine Situation, als die Sache mit der FernUniversität kam, und zwar ging es ja da zunächst einmal um den Gründungsausschuss.

Dann bin ich in diesen Gründungsausschuss vom damaligen Wissenschaftsminister Rau berufen worden. Ich habe dann regelmäßig an den Sitzungen, die hier in der Fachhochschule stattfanden, teilgenommen.

Es ging um die Einrichtung von Fachbereichen. Wie die Fachbereiche besetzt und strukturiert sein sollten, und natürlich um die Frage, welche Fächer überhaupt angeboten werden sollten.

Dann mussten, und das ist eine schwierige Aufgabe, Studienordnungen errichtet werden, denn wenn man das Studium anfängt, dann braucht man eine Studienordnung, nicht wahr?

Wie soll ein Fernstudium überhaupt aussehen? Da hatten ja die meisten, die da saßen gar keine Ahnung von. Und dann war allerdings eine ganze Reihe von so genannten Fernstudien-Didaktikern da. Es war dann so, dass es auch viele Diskussionen darüber gab, was macht man wie? Wobei sich herausstellte, dass diese Fernstudien-Didaktiker das alles losgelöst von irgendeinem Fach entwickelten. Also ich hatte mir das vorher so vorgestellt, dass, nehmen wir einmal das Fach Wirtschaftswissenschaft, dass dann jemand kommt, der weiß, wie Fernstudium geht und das auch vom Inhaltlichen her bestimmen kann, wie man was machen kann. Das war aber nicht so. Das war, was diese Fernstudien-Didaktiker da brachten, das war ja alles relativ abstrakt. Das nachher dann umzusetzen, das blieb dann letztlich und das hatte ich so nicht erwartet, auf den einzelnen Fachrichtungen hängen. Wobei aber dann diese mir abstrakten Fernstudien-Didaktiker immer meinten, sie können ins Fachliche hineinregieren und dann auch am Fachlichen drehen. Das war natürlich ein Streitpunkt. Und das war ein ganz wesentlicher Inhalt der Auseinandersetzungen, die im Gründungsausschuss begannen, sich nachher aber fortgesetzt haben.

Ich will es Ihnen ja nicht verschweigen, das werden Sie ja sowieso erfahren, ich gehörte eher damals eher zu den Konservativen, die meinten, Pädagogik und Didaktik müssen sein, aber das Wichtigste ist zunächst einmal das Fachliche. Wenn das nicht stimmt, ist man angreifbar. Einer der Hauptstreitpunkte war, was machen die Fernstudien-Didaktiker, die sich da eine gewisse Herrschaftsbarriere bauten, was machen die mit unseren Kursen, den wir geschrieben haben, wenn wir die weggeben? Denn deren Forschung ging, fürchtete ich zunächst einmal dahin, sie schnibbeln dann unsere Kurse irgendwie wieder zusammen. Und das wollten wir nicht. Wir wollten die Verantwortung für unsere Kurse behalten. Solche Themen beherrschten schon den Gründungsausschuss, haben sich aber dann fortgesetzt, die ganzen ersten Jahre.

Wir haben immer gesagt, wenn ihr an unseren Kursen rumschneidet, dann ziehen wir unsere Namen zurück.

Das Ganze ist dann sehr vernünftig gelaufen und die Hauptaufgabe dieser Didaktiker, was so formal alles war, und vom äußeren her, das haben wir sowieso alles mehr oder weniger akzeptiert. Wenn die sagten, Ihr müsst Randnummern machen, dann haben wir das gemacht, Ihr müsst ein Glossar machen, alles kein Problem. Nur Ihr dürft uns nicht ans Inhaltliche gehen. Und, letztlich ist es darauf hinausgelaufen, dass deren Hauptaufgabe die Evaluation wurde. Das war ja eine vernünftige Sache.

Wir haben immer gesagt, Didaktik muss dazu kommen, nur, wer die Didaktik dann da sozusagen auch praktiziert, der muss auch einen fachlichen Schimmer haben. Sonst wird das nichts. Ich kann mir ja nicht ganze Sätze rausschneiden lassen von jemandem, der die Materie nicht kennt. Und dann war so die Linie, Fernstudien-Didaktiker werden wir alle.

Ich meine, wenn Sie sich die ersten Kurse mal ansehen, die sind ja nicht schlecht.

Also zum Beispiel im Gesellschaftsrecht, die Kurse die ich da verfasst habe, die sind dann ja auch als Lehrbuch erschienen, und dieses Lehrbuch ist jedenfalls zunächst mal bei Jurastudenten der Marktführer gewesen über viele Jahre inzwischen. Ich bin gerade dabei die 16. Auflage zu machen.

Da gibt’s ja auch lustige Sachen. Die kennen Sie wahrscheinlich auch schon, dass Professoren anderer Universitäten erwischt worden sind, die aus unseren Skripten vorgelesen haben. Kennen Sie die Geschichten nicht? Ja. Wo dann aber auch Studenten saßen, die hatten die Skripten auch. Und so ist es dann aufgefallen.

Dann wurden die Professorenstellen, also, die für die Erstbesetzung notwendig waren, damit man überhaupt anfangen konnte, ausgeschrieben und uns wurde dann gesagt, also, ihr könnt euch auch bewerben. Aber, das Berufungsverfahren lief dann so, dass dann auswärtige Gutachten eingeholt wurden, damit man nicht nur im eigenen Umfeld, sag ich mal ganz vorsichtig... Sondern das war schon dann ordentlich. Und dann habe ich mich beworben und bin es dann auch geworden.

Und dann war ich der Erste überhaupt, der eine Urkunde erhielt. Viele haben ein bisschen gezögert, weil es gab ja dann so ein Fernuniversitätserrichtungsgesetz oder so was ähnliches. Weil alles muss ja eine legale Grundlage haben, und damals war also die SPD an der Regierung, die wollte das. Und die CDU hat gesagt, wenn wir dran kommen, dann werden wir das alles wieder kippen. Dann waren irgendwie im Mai, waren da Landtagswahlen. Und da haben einige sich die Urkunde nicht aushändigen lassen, sondern wollten offensichtlich erst mal warten, wie die Wahlen ausgingen. Und daher sind manche anderen es etwas später geworden.

Ich war ja nun zunächst mit den Wirtschaftswissenschaftlern als einziger Jurist in einer Fakultät und, das war schon eine gewisse Aufbruchsstimmung.

Und das waren dann nicht so hierarchisch verkrustete Strukturen, wie man sie in vielen Fakultäten findet.

Wir haben uns nach einer gewissen Eingewöhnungsphase, so nach zwei, drei Jahren, haben wir uns bemüht, ein Jurastudium aufzubauen. Aber da müssen ja die Justizprüfungsämter mitmachen, und die haben dann gemauert und haben gesagt, also nein, Jura eignet sich zum Fernstudium überhaupt nicht. Also habe ich dann immer gesagt, ja Mathematik und Informatik, Elektrotechnik ist ja auch nicht ohne. Wenn das geht, müsste ja Jura ... Ja, ne, also ... Es war aber die Angst, dass wir alle Studenten auf uns ziehen würden.

Und dann hat man ein Projekt, das hieß Arbeitswissenschaft, kreiert. Herr Bitz wird schon darüber gesprochen haben, nicht? Das war also ein Projekt, was in alle Fachbereiche hineinwirken sollte, wobei man sagen muss, Arbeitswissenschaft ist natürlich, wenn man es zunächst einmal neutral betrachtet, eine tolle Sache. Wenn es darum geht, die Arbeitsplätze entsprechend zu gestalten, also Stichwort Arbeitssicherheit oder auch soziale Sicherheit. Ganz klar. Nur, das ging mehr in die Richtung, wir wollten eine bestimmte politische Richtung hier fördern und Weiterbildung, das heißt, also was weiß ich jetzt, Betriebsräte schulen, wie sie den bösen Kapitalismus bekämpfen können. Also, in diese Richtung ging das erst. Also nicht bei den Ingenieuren, und so, Elektrotechnik und Informatik und so. Da hätte man gesagt, das ist gut, macht mal. Aber es ging mehr in den anderen Fachbereich, wo die Ideologie verortet werden sollte.

Aber letztlich, ist es also gelungen, dieses Projekt zu stoppen, was also soweit ging, das also bei den entscheidenden Senatssitzungen, damals hatte der Senat sehr viel Macht, nicht wie heute, damals war das so eine Art Parlament, der wählte auch die Co-Rektoren und Rektoren und so, er hatte jedenfalls Vorschlagsrecht. Aber da konnte an sich was Entscheidendes nicht passieren, was nicht durch den Senat abgesegnet wurde, und deshalb kam es da auf jede Stimme an. Das ging dann auch so weit, dass also die gewerkschaftlich gebundenen, es gab über mehrere Fraktionen hinweg, auch bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern, gab's also auch welche, die gewerkschaftlich gebunden waren, die baten dann zum Beispiel, das werde ich nie vergessen, bei einer Senatssitzung darum, die Sitzung doch bitte mal zu unterbrechen, sie müssten mit ihrem Gewerkschaftsbüro Rücksprache nehmen. Also das so als äußeres Zeichen der Fremdbestimmung. Wir haben uns natürlich köstlich amüsiert. Aber letztlich ist dieses Projekt dann gescheitert. Das war, also das hat hier zu richtigen Kämpfen geführt.

Ohne den Senat lief nichts. Alle wichtigen Dinge, einschließlich Berufungen mussten durch den Senat.

Also da hat es sehr harte Auseinandersetzungen gegeben, es war häufig so, also da gab's richtige Fraktionen. Da gab es richtige Fraktionen.

Und Bitz und ich, wir waren, also, wurden angesehen als die Fraktionsführer der sogenannten Betonfraktion. Und wir saßen immer genau Rektor und Kanzler gegenüber. Wenn es hart wurde, damals wurde ja noch geraucht und Bartz rauchte Reval, nein, Gauloises, die blauen. Und wenn die Gauloises zitterte, dann wussten wir, jetzt haben wir gewonnen. Denn der war häufig der Hauptgegner.

Ich weiß nicht, kennen Sie die Geschichte mit Bochum?

Also, das war so, das war schon kurz nach der Gründung, aber das Studium war angelaufen. Und Bochum hatte damals ein Problem. Sie hatten zu viele Bauten. Da standen zwei dieser riesen Schiffe damals leer. Ich meine heute sind sie ja froh dass sie sie haben, aber damals standen zwei leer. So. Und, wie soll das also nun da weiter gehen? Da kam jemand auf die Idee zu sagen "Da kann die FernUniversität rein ziehen".

Das gab also Mordsaufruhr, und dann ging das also soweit, dass also hier damals Dieter Haak, der Abgeordnete hier, zu uns kam und sagte: „So geht das nicht, ihr müsst dagegen sein. Ich komme, macht eine Veranstaltung.“ Dann haben wir eine große Veranstaltung gemacht, also sozusagen eine Demonstration für Hagen.

Und wir hatten aber ein wirklich intelligentes Argument und das hieß: Wer es ernst meint mit dem Fernstudium, der muss in Hagen bleiben. Aber wenn wir nach Bochum gehen, dann werden unsere personellen Ressourcen, insbesondere die Professoren von den dort anwesenden Fakultäten sofort geschluckt, weil, die haben ja auch wirklich Bedarf, die lebten ja von der Hand in den Mund. Es gab viel zu viele Studenten. Und dann wird das da aufgesogen. Und das mit dem Fernstudium, das ist dann noch so n Nebenamt, das macht keiner mehr.

Dann haben sich aber andere politische Kräfte auch dafür eingesetzt. Ich glaube nicht zuletzt auch aufgrund dieser schönen Veranstaltung, die wir da gemacht haben mit viel Presse, viel Wirbel. Und dann durften wir hier bleiben

Ich habe mich ja schon als konservativ geoutet. Um jetzt das Pferd beim Schwanz aufzuzäumen: Die Öffnung, wie es sie heute gibt, die finde ich gut und richtig. Aber damals kamen so einige bildungspolitische Ideologen hier hin, die also sozusagen das voranstellten. Die Öffnung ist die Hauptsache. Auch verbunden also auch mit etwas anderen Bestrebungen ,die vielleicht nachher nochmal kommen. Nur, wenn Sie also mit dem Fernstudium anfangen und dann die Öffnung gleichzeitig propagieren, haben wir, also die konservative Fraktion, gesagt: Das ist ein bisschen viel. Also machen wir doch erst mal ein anspruchsvolles Studium und dann können wir ja öffnen.

Und dann hatten wir irgendwie weit über 5.000 Studenten, das nächste Studienjahr. Und dann hatten die Leute, die in Katastrophe machten, weil wir nicht geöffnet hatten, es etwas schwer.

Da haben wir immer die Auffassung vertreten, wir müssen ja den Leuten, die bei uns Abschlüsse machen, die müssen ja einen Abschluss haben, der allgemein anerkannt ist.

Wir haben gesagt, Fernstudium ist an sich schon was ganz Neues und den meisten geht das sowieso schon quer runter wahrscheinlich. Aber dann müssen wir fachlich top sein, sonst sind wir angreifbar. Das war unsere Linie, die sich ja letztlich auch durchgesetzt hat. Und ich bin nach wie vor der Meinung, ohne diese Linie wäre die FernUniversität auch kein Erfolgsmodell geworden.

 

Über das Projekt Zeugen der Zeit

Interviews und Redaktion:
Dr. Almut Leh (Institiut für Geschichte und Biographie)

Produktion:
Jennifer Dahlke, Alexander Reinshagen, Sascha Senicer (Zentrum für Medien und IT)

Texte:
Carolin Annemüller, Susanne Bossemeyer, Gerd Dapprich, Anja Wetter, Multimediale Umsetzung: Oliver Baentsch (Dezernat 7 Hochschulstrategie und Kommunikation)

Fotos:
Jakob Studnar, Stefanie Loos, Archiv der FernUniversität

Plakate:
Gabriele Gruchot (Dez. 5 Technische Medienadministration)