Ronja Jedro

„Sprachen sind ein Fenster in andere Kulturen“

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Ronja Jedro

„Es ist toll, dass es in Deutschland so etwas wie die FernUniversität gibt“, sagt Ronja Jedro. „Eine öffentliche Uni, an der man ein Fernstudium absolvieren kann, das hat ja nicht jedes Land!“ Die 34-Jährige hat sich für das Interview aus Indonesien zugeschaltet. Von hier aus arbeitet sie an ihrem Master Neuere deutsche Literatur im medienkulturellen Kontext. „Ich habe Mitte 2020 während der Pandemie angefangen – mit einem Quereinsteiger-Semester, bei dem man zunächst zwei Module aus dem Bachelor belegt.“ Ihre akademische Vorerfahrung hat die gebürtige Hamburgerin nämlich in einem ganz anderen Bereich gesammelt: „Ich habe einen Bachelorabschluss, allerdings in BWL.“

Bereits nach dem Abi denkt sie zwar darüber nach Literatur oder Journalismus zu studieren, ihr Gymnasium bietet ihr hierfür sogar ein Deutschlandstipendium an. „Aber ich komme aus einer Familie, in der sonst niemand einen universitären Abschluss hat. Daher war mir die ganze Uni-Welt völlig fremd.“ Hinzu kommt ein Todesfall im familiären Kreis. Jedro stellt ihren Traum erst einmal zurück. 2007 startet sie eine Ausbildung als Bankkaufrau mit angeschlossenem Studium: „Mir war einfach klar: Ich muss jetzt etwas machen, dass mir Sicherheit und Stabilität gibt. Das war gut, aber nicht meine Leidenschaft.“

Viele Sprachen, viele Blickwinkel

„Ich war immer an Sprachen interessiert!“, resümiert Jedro, die heute neben Deutsch noch fließend Englisch und Mandarin beherrscht. „Sprachen sind ein Fenster in die Köpfe von anderen Leuten, in andere Kulturen.“ Nach ihrem Bachelorabschluss 2011 nimmt sie erneut Anlauf: „Ich habe mich für ein Stipendium beim Deutschen Akademischen Austauschdienst beworben und bin für ein Jahr nach Taiwan gegangen.“ Sofort verliebt sie sich in die fernöstliche Kultur. Sie beschließt in Asien zu bleiben und auf dem chinesischen Festland fortan Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten.

„Als während der Pandemie alles langsamer und der Unterricht weniger stressig wurde, habe ich mich nach einem Fernstudiengang umgeschaut, der etwas mit Literatur zu tun hat.“ Jedro startet aber nicht nur an der FernUni durch, sondern orientiert sich auch beruflich neu. Als mehrsprachige Werbetexterin ist sie noch freier und flexibler. Internationale Unternehmen und Startups zählen zu ihren Kunden. „Ich bin froh, dass ich als selbstständige Texterin eine Arbeit gefunden habe, die ich überall hin mitnehmen kann.“

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Ronja Jedro arbeitet fürs Fernstudium gerne mit Blick auf die Natur.

Lernen mit Wellengang

Auf Bali lebt Ronja Jedro nun seit 2021 gemeinsam mit ihrem Ehemann. Hier in Nusa Dua steht persönliche Fortentwicklung auf dem Programm: „Nach fast zehn Jahren in China wollte ich weiter und außerdem noch einmal eine neue Sprache lernen – Indonesisch ist sehr schön und zugänglich.“ Zu dieser Zeit befindet sich die Corona-Pandemie in einer Hochphase. Doch zwischen Meer und Palmen findet Jedro ausreichend Ruhe zum Studieren. „Für Hausarbeiten gehe ich in mein Lieblingscafé direkt am Strand“, schwärmt sie. „Nachmittags ist es da immer schön ruhig. Ich sitze mit einem Eistee an meinem Tischchen und vor mir brechen die Wellen.“ Auch sonst hilft die Natur ringsumher der ambitionierten Läuferin, trotz Lernstress die Balance zu halten: „Ich mache wahnsinnig gerne Sport. Das ist der perfekte Ausgleich für mich, weil ich viel im Kopf unterwegs bin.“

Basislager in Deutschland

Feste Bande nach Deutschland hält Jedro nach wie vor. Das hilft ihr auch im Literaturstudium, in dem Tinte und Papier teils unerlässlich sind. „Ich brauche unbedingt ein Support-Team in Deutschland. Meine Mama und meine Schwägerin, die in Hagen wohnt, helfen mir bei der Literaturbeschaffung. Zum Beispiel scannen sie alte Bücher und Zeitschriften für mich ein. Manchmal schickt mir meine Mama doch Bücher aus Hamburg. Bis das Paket ankommt, dauert es schon drei bis vier Wochen“, erzählt die Studentin mit einem Schmunzeln. „Ich drücke dann immer die Daumen, dass es nicht im Zoll hängenbleibt.“ Ist Jedro selbst einmal in der alten Heimat zu Besuch, kehrt sie meist mit einem riesigen Stapel Studienmaterial nach Bali zurück. „Zum Glück gibt es die Studienbriefe aber alle auch als PDF. Das ist gut!“ Prüfungen lassen sich meist virtuell ablegen, ansonsten kommen Goethe-Institute und deutsche Botschaften als Klausurorte infrage.

Und weiter geht‘s

Trotz der Distanz ist es Jedro wichtig, eng mit anderen Fernstudierenden vernetzt zu bleiben. „Ich schreibe direkt andere Studierende an, die meine Module belegen. So ist nach und nach eine Chat-Gruppe entstanden mit Leuten, die alle verschieden fortgeschritten sind in ihrem Studium“, berichtet sie. „Das ist ganz toll, weil man dort Fragen stellen, sich Rückmeldung holen oder auch einfach beklagen kann, wenn mal etwas nicht so gut gelaufen ist.“

Ronja Jedro ist sich darüber im Klaren, dass ihr Wissendurst so schnell nicht gestillt sein wird. „Lebenslanges Lernen macht mir ganz viel Spaß!“ Von der FernUniversität trennen möchte sie sich daher auch nach ihrem Abschluss nicht. „Ich kann mir vorstellen, an der FernUni nach dem Masterstudium noch einige literaturwissenschaftliche Bachelormodule nachzuholen oder ein Bachelorstudium in Psychologie anzufangen.“ Sicher beides Projekte, die sich ebenfalls von Bali aus stemmen lassen.

Stand: April 2023