Katrin Neuhaus

Als wir uns zum Interview verabreden, ist Katrin Neuhaus in Guatemala. Die Berlinerin kennt das Land bereits von einem früheren Aufenthalt. Ihr Mann ist Pfarrer und ihre drei Kinder kamen damals auch mit. Jetzt ist sie vor Ort, um für ihre Doktorarbeit zu recherchieren.


Portrait von Katrin Neuhaus Foto: Mathilda Böttcher
Die FernUni unterstützte Katrin Neuhaus bei ihrer Reise für ihre Doktorarbeit durch interne Forschungsmittel.

Katrin Neuhaus hat in ihrem Leben schon viel gemacht. Sie studierte in Berlin Germanistik, Anglistik/Amerikanistik und als Nebenhörerin Fotografie. Nach einer Weiterbildung zur Mediengestalterin war sie im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig. „Beim ersten Guatemala-Aufenthalt arbeitete ich ehrenamtlich für ein Sozialprojekt und wollte aber gerne noch etwas für meine eigene Bildung tun, da fiel meine Wahl auf die FernUniversität“, erinnert sich Neuhaus zurück. Dort absolvierte sie den Master in europäischer Moderne, Geschichte und Literatur.

Recherchen für die Doktorarbeit

„Ehrlich gesagt war die Fachrichtung nicht meine erste Wahl. Ich komme eher aus der Literaturwissenschaft, aber ich habe während der Zeit in Mittelamerika schnell angefangen, mich für die Geschichte dieser Region und den Einfluss der Europäer zu interessieren.“ Besonders richtungsweisend war für Neuhaus ein Modul, in dem sie eine Hausarbeit über die Veränderung der landwirtschaftlichen Arbeitsbedingungen in Guatemala durch den deutschen Kaffeeanbau schrieb.

„Ich bin der FernUni dankbar für die Möglichkeit, studieren und forschen zu dürfen.“

Die Forschung in diesem Bereich ließ sie seitdem nicht mehr los. Sie entwickelte daraus das Thema ihrer Doktorarbeit und untersucht darin die familiären Beziehungen deutscher Kaffeepflanzer zu einheimischen Q'eqchi‘-Frauen und deutschen Frauen in der Region Alta Verapaz.

Neuhaus ist Doktorandin am Lehrgebiet Geschichte Europas in der Welt. Für ihren Aufenthalt in Guatemala wurde sie von der FernUni durch interne Forschungsmittel unterstützt. „Ich bin der FernUni sehr dankbar für diese Möglichkeit.“ Die Basis für ihre Recherchen bilden Aufzeichnungen, Fotoalben und Archivmaterial. „Ich erforsche den Zeitraum von 1880 bis 1940. Daher war mir klar, dass ich kaum noch Augenzeugen finden werde“, sagt die Doktorandin.

Zeitreise in New Orleans und Guatemala

Für ihre Doktorarbeit war sie zwei Wochen an der Tulane-Universität New Orleans. Dort befindet sich der gesamte schriftliche Nachlass des deutschen Kaffeebauers Erwin Paul Dieseldorff. „Von diesen Briefen konnte ich vielleicht 30 Prozent lesen. Also habe ich sie tagsüber fotografiert und danach stunden- und auch nächtelang damit verbracht, diese zu transkribieren.“

Dieseldorff hatte eine Tochter mit einer Q'eqchi‘-Frau sowie eine Ehefrau in Berlin. Viele deutsche Männer führten in dieser Zeit eine Beziehung mit einer oder gar mehreren Q’eqchi‘-Frauen – teilweise auch über Jahre und lebten dann mit ihr und den Kindern zusammen. Diese Beziehungen wurden lange im Rest von Guatemala heruntergespielt. „Es war quasi undenkbar, dass ein Europäer mit einer Frau aus einem indigenen Stamm zusammen war“, erklärt Neuhaus. „Und ist es eigentlich immer noch.“ Auch Aufzeichnungen eines Priesters zeigen, dass deutsche Kaffeepflanzer hunderte Nachkommen in Guatemala haben. Auch um diese Aufzeichnungen mit den Erzählungen der Nachfahren abzugleichen, führte ihre Reise durch einige Regionen in Guatemala.

Die damals sehr jungen deutschen Männer bauten in der Region Alta Verapaz Guatemalas Kaffee an. Der Ort war sehr entlegen. Viele Männer blieben lange und fingen an, sich „heimisch“ zu fühlen. Sie genossen das Leben fernab der Heimat. „Man könnte gut zusammenfassen, dass die Männer damals mit den Frauen machen konnten, was sie wollten – sowohl in Guatemala als auch in Deutschland“, sagt Neuhaus.

Bunt gekleidete Frauen in Guatemala Foto: Katrin Neuhaus
Indigene Frauen in Guatemala.

Ihre Doktorarbeit möchte sie auch in Form eines Buches herausbringen. „Mir ist wichtig, dass diese Geschichten erzählt werden, um das Bild von dem zu schärfen, was damals vorgefallen ist.“ Besonders für einige der nicht anerkannten Nachkommen der deutschen Kaffeepflanzer sind die Ereignisse immer noch eine „offene Wunde“. Neuhaus erfuhr in Gesprächen mit ihnen, wie lebendig die Geschichte teilweise noch ist und wie wichtig es ist, sie aufzuarbeiten, auch wenn die meisten Deutschen während des zweiten Weltkriegs ausgewiesen wurden.

Nach so vielen Eindrücken hat sich Katrin Neuhaus erstmal einen Aquarell-Block gekauft und mit verschiedenen Stiften alle Stammbäume und relevanten Infos aufgemalt. „Das hilft mir, meine Erkenntnisse zu strukturieren.“ Für ihre Rückkehr nach Deutschland nimmt sie sich vor, schnellstmöglich an ihrer Doktorarbeit zu schreiben. Davor stellt sie ihre eigene Guatemala-bezogene Fotoausstellung in Berlin aus.

Daneben wartet noch ihr eigentlicher Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität Berlin sowie ihr Engagement für ukrainische Flüchtlinge. „Ich bringe ukrainischen Schülerinnen und Schülern die deutsche Sprache bei.“ Bei Katrin Neuhaus steht das Leben nicht still, deshalb passte das flexible Modell der FernUniversität so gut für sie. Als wir uns verabschieden, ist sie unterwegs zur deutschen Botschafterin in Guatemala, um auch ihr über ihre Doktorarbeit und Erkenntnisse zu berichten.

Stand Februar 2023

Hintergrundwissen

Die Q’eqchi’ sind eine zu den Maya gehörende Ethnie, die hauptsächlich in den Regionen Alta Verapaz und Petén lebt (Guatemala). Insgesamt gibt es heute über 420.000 Q’eqchi’ in diesen drei Ländern: Guatemala, El Salvador und Belize. Aufgrund von Verfolgungen, Landenteignungen und Umsiedlungen sind die Q’eqchi’ das am meisten verstreute Maya-Volk Guatemalas.