Podiumsdiskussion und Ausstellungseröffnung am Campus Bonn „Koloniale Spuren in Bonn – der lange Weg zu einer neuen Erinnerungskultur?“

Was ist in der Stadt Bonn kolonial geprägt, vielleicht ohne, dass es uns heute bewusst ist? Anlässlich der Eröffnung der Popup-Ausstellung am 12. Juli 2023 am Campus Bonn „Fernes Hagen. Kolonialismus und wir“ durch Dr. Fabian Fechner vom Lehrgebiet Geschichte Europas in der Welt widmete sich ein Podium dieser aktuellen Frage, das Vertreter*innen von Einrichtungen aus Stadt, Universität und Zivilgesellschaft zu einem weiterführenden Austausch zusammenbrachte.

Nach der Begrüßung durch Andrea Goyke, Leiterin des Fernuni-Campus Bonn, stand die Äußerung im Raum, dass Bonn während des Hochimperialismus (um 1870-1914) keine politische Sonderstellung innehatte. Umso wichtiger war die Rolle der Universität, wie Prof. Dr. Stephan Conermann (Universität Bonn) ausführte. Im von ihm vertretenen „Bonn Center for Dependency & Slavery Studies“ wird das oftmals vernachlässigte 17. und 18. Jahrhundert in den Fokus genommen, da so lange Erfahrungen von Sklaverei und Ungleichheit verglichen werden können, darunter auch im deutschsprachigen „slavery hinterland“. Joël Kossivi Agnigbo von der 2017 gegründeten Initiative Bonn postkolonial führte die Bedeutung konkreter Orte für die Vermittlung der kolonialen Vergangenheit auf, für Bonn auf dem Poppelsdorfer Friedhof beispielsweise das Grab Lothar von Trothas, der 1904 den Vernichtungsbefehl gegenüber den Nama und Ovaherero im damaligen Deutsch-Südwestafrika erteilte. Lisa Groh-Trautmann vom städtischen Projekt „Aktive Erinnerungskultur“ wies darauf hin, dass sich neben von Trotha noch viele andere koloniale Akteur*innen besonders in dem damals noch eigenständigen Godesberg (heute Stadtbezirk Bad Godesberg der Bundesstadt Bonn) niederließen, beispielsweise der Afrikareisende Gerhard Rohlfs, nach dem heute eine Straße benannt ist. Einen neuen zeitlichen Akzent setzte Barbara Letschert von der 1971 gegründeten Informationsstelle Südliches Afrika e.V. (issa). Während viele deutsche Städte die (post)koloniale Betrachtung mit dem Zweiten Weltkrieg enden lassen, legte Letschert das Stadtprofil für die frühe BRD dar: Gerade Anti-Apartheids-Demonstrationen sowie die Nähe der Bonner Regierung zu Kolonialstaaten wie etwa Portugal (bis 1975) weisen auf einen Teil der Stadtgeschichte, der bislang kaum bekannt ist. In der anschließenden Plenumsdiskussion wurde betont, dass man den aktuellen Rassismus als Auslöser vieler (post)kolonialer Aufarbeitungsinitiativen nicht außer Acht lassen solle. Abschließend konnte der Moderator Dr. Fabian Fechner (FernUniversität / AK Hagen postkolonial) feststellen, dass das Grundvorhaben gelungen ist, weitere Diskussionsräume für den „Kolonialismus vor Ort“ in Bonn zu eröffnen, wodurch auch künftig Gruppierungen, Projekte, Initiativen und Einzelpersonenmit dem Ziel einer inklusiveren Erinnerungskultur zusammengebracht werden. Gerade in Sachen Grundlagenforschung gibt es noch viel zu tun.

Die Popup-Ausstellung kann am Campus Bonn während der Öffnungszeiten oder nach Absprache noch bis zum 13. August 2023 besucht werden.