Claudia Kornelius

„Warum mit Abitur, wenn es auch ohne geht?"

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Claudia Kornelius

Mit Anfang 20 hatte Claudia Kornelius zwei Probleme: Sie will studieren, hat aber kein Abitur. Und: Ihr ehemaliger Vermieter zahlt ihre Kaution nicht zurück. „Ich mag es nicht, wenn Menschen andere über den Tisch ziehen. Ich stehe für Fairness“, erklärt Claudia Kornelius gleich zu Beginn des Video-Interviews. Kein Wunder also, dass die junge Frau das Verhalten ihres damaligen Vermieters nicht auf sich sitzen lässt. Sie nimmt sich einen Anwalt. „Parallel dazu habe ich angefangen, mich selbst ins Mietrecht einzulesen und immer tiefer einzuarbeiten. Schließlich habe ich dem Anwalt sogar zugearbeitet. Das hat mir unheimlich Spaß gemacht!“, erzählt sie.

Jura wird zur Leidenschaft

In ihrer Freizeit berät Claudia Kornelius nun bereits Freunde und Bekannte in Rechtsfragen, noch ganz ohne Studium: „Ich habe zum Beispiel dabei geholfen, offizielle Briefe oder Kündigungsschreiben zu formulieren. Oder natürlich bei Ärger in Mietsachen – da hatte ich ja nun einige Erfahrung. Und ich habe gemerkt: Jura ist meine Leidenschaft.“ Beruflich entwickelt sie sich aber erst einmal in eine andere Richtung, absolviert eine Ausbildung zur Industriekauffrau und bildet sich zur Buchhalterin weiter. „Aber ich habe mich dann relativ schnell gefragt: Es muss doch noch mehr geben als Produktionspläne?!“

Warum mit Abitur, wenn es auch ohne geht?“

Und es gibt tatsächlich mehr für Claudia Kornelius: Durch Zufall erfährt sie von der Möglichkeit, an der FernUniversität in Hagen Rechtswissenschaften zu studieren – auch ohne Abitur. „Da habe ich mir dann gesagt: Warum mit Abitur, wenn es auch ohne geht?“ Claudia Kornelius besteht das Probestudium und schreibt sich im Sommersemester 2011 für den Bachelor ein. Parallel ist sie weiterhin in ihrem Beruf als Industriekauffrau tätig – in Vollzeit. „Ich hatte ja einen guten Job und wollte den nicht einfach aufgeben. Die FernUni hat es mir dann ermöglicht, neben der Berufstätigkeit meinen Traum vom Jura-Studium zu erfüllen. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Mit viel Fleiß und Disziplin

Für Claudia Kornelius beginnt nun eine herausfordernde Zeit: „Wenn ich ehrlich bin: Der ganze Urlaub ging fürs Studium drauf. Auch die Wochenenden und der Feierabend.“ 2016 wechselt sie in den Examensstudiengang, den die FernUniversität nun auch anbietet. Kurz darauf hört sie auf zu arbeiten, um sich ganz auf das anspruchsvolle Studium konzentrieren zu können: „Ich war sehr diszipliniert. Ich bin um 5 Uhr morgens aufgestanden und habe mich an den Schreibtisch gesetzt.“ Durch diese anstrengende Zeit trägt sie ihr Hund, mit dem sie in den Lernpausen ausgiebige Spaziergänge unternimmt. Und eine Karaoke-Maschine: „Ich singe sehr gerne. Das war ein super Ausgleich!“, erzählt sie lachend.

„Die meisten Repetitorien arbeiten mit Angst. Das hat mir überhaupt nicht gefallen.“

Claudia Kornelius

Zur Examensvorbereitung entschließt sich Claudia Kornelius, ein kommerzielles Repetitorium zu besuchen. Repetitorien sind im Jura-Studium üblich, um den umfangreichen Lernstoff zu wiederholen. „Ich habe aber feststellen müssen: Die meisten Repetitorien arbeiten mit Angst und bauen einen unheimlichen Druck auf. Das hat mir überhaupt nicht gefallen.“ Im Oktober 2020 absolviert Claudia Kornelius schließlich die schriftlichen Examensprüfungen, ihr Erstversuch. Einige Wochen später dann das Ergebnis: Durchgefallen. Nur ein Punkt hat gefehlt.

Das Examensergebnis: ein Schock

„Es war ein Schock. Das muss ich ehrlich sagen.“ In dieser schwierigen Zeit kommt ihr aber auch ihr Pragmatismus zugute: „Ich habe mich dann aufgerappelt und mir gesagt: ,Hock dich nochmal hin. Du bist jetzt so weit gekommen – jetzt machst du es nochmal richtig!‘“

Mit dem FernR3P zum Erfolg

Auf ihren Zweitversuch bereitet sie sich mit dem FernR3P vor. „Der Klausurenkurs der FernUni in Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum war super. Da habe ich wirklich gelernt, wie die juristische Methodik funktioniert.“ Das Ziel hat sie dabei immer vor Augen: „Im FernR3P wurde uns der Tipp gegeben, zur Motivation unser Ziel zu visualisieren. Ich habe mir dann eine Examensurkunde mit meinem Namen drauf über meinen PC gehängt, mein Partner hat das Wunschergebnis eingetragen: Prädikat. Er hatte immer großes Vertrauen in mich“, erzählt Claudia Kornelius, und lächelt. Im August 2022 wagt sie sich schließlich in den Zweitversuch. Auch dieses Mal sind die Prüfungen kein Zuckerschlecken. Eine besonders anspruchsvolle Klausur mit außergewöhnlichem Schwerpunkt erarbeitet sie sich allein durch ihr Wissen in der Methodenlehre. Mit Erfolg: Claudia Kornelius besteht alle Klausuren. Im Januar dieses Jahres auch die mündliche Prüfung. Sie hat ihr erstes juristisches Examen in der Tasche.

„Ich möchte Studierenden Mut machen“

Wer denkt, dass sich Claudia Kornelius seitdem hauptsächlich mit ihren Hunden (inzwischen sind es zwei) oder Karaoke beschäftigt hat: falsch. Seit Abschluss ihrer Examensprüfungen hat die Juristin ihre Master-Thesis verfasst. Und gibt ihr Wissen als Nachhilfe-Lehrerin weiter: „Mit Angst zu arbeiten, ist nicht mein Stil. Ich möchte Studierenden Mut machen: Denn es kann jede und jeder schaffen, wenn man die richtige Technik beherrscht.“ Claudia Kornelius möchte im Mai ihr Referendariat beginnen. Ihr Berufsziel: Rechtsanwältin. Parallel könnte sie sich vorstellen, ein eigenes Repetitorium anzubieten. Genug Erfahrung in der Rechtsberatung und Nachhilfe hat sie ja. Während des Gesprächs blickt sie ab und zu auf die Wand hinter ihrem Bildschirm. Warum? Dort hängt nun ihre „echte“ Examensurkunde. Das Ergebnis: Prädikat.

Stand: März 2023

Eva Schulze-Gabrechten | 20.03.2024