Einsatz für eine soziale Polizeikultur

Nicole Klappert ist Gleichstellungsbeauftragte der Kölner Polizei. An der FernUniversität promovierte sie zu einem psychologischen Thema, das eng mit ihrer Arbeit verknüpft ist.


Polizisten in schwerer Schutzmontur Foto: Canetti/iStock/Getty Images/Plus/Getty Images
Gemeinschaftsgefühl: Polizistinnen und Polizisten müssen sich unbedingt aufeinander verlassen können.

Von außen ist nicht immer nachvollziehbar, wie es im Inneren der Polizei zugeht. Auch deshalb gibt es über die dort vorherrschende Kultur viele Vorurteile – positive wie negative. Wie es wirklich um die „Cop-Culture“ bestellt ist, weiß Dr. Nicole Klappert: Seit drei Jahren ist sie Gleichstellungsbeauftrage im Polizeipräsidium Köln. Zuvor war sie jahrelang operativ tätig, lernte alle möglichen Einsatzgebiete kennen, vom Streifendienst bis zur Spezialeinheit. Um sich parallel zum Job weiterzuentwickeln, absolvierte Klappert ein Magister-Studium an der FernUniversität in Hagen. „Meine Fächerkombination Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften war für mich als Polizeibeamtin sehr relevant.“ Das Fernstudium half ihr, noch besser zu verstehen, wie ihre Behörde tickt. Ihr Wissen gibt sie seit 15 Jahren an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW weiter – in den Bereichen Psychologie, Soziologie und Sozialkompetenz. Jetzt hat sie ihre Promotion in Hagen abgeschlossen. Auch ihre Doktorarbeit bei Prof. Dr. Stefan Stürmer (Sozialpsychologie) dreht sich ganz ums Zwischenmenschliche bei der Polizei.

Klappert untersuchte hierin „Einflussgrößen auf die Entwicklung empathischen Erlebens und prosozialen Verhaltens bei Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten“. Eine Schlüsselrolle nehmen aus Sicht der Psychologin sogenannte soziale Ansprechpersonen ein. Diese sind vom Landesministerium vorgeschrieben. Sie erhalten eine spezielle Ausbildung, sind ansonsten aber reguläre Beschäftigte der Polizei. „In der Regel sind es Polizistinnen und Polizisten, in seltenen Fällen auch Mitglieder der Verwaltung“, erklärt Klappert. Weil das soziale Engagement parallel zur normalen Arbeit läuft, sind die Ansprechpersonen für ihre Kolleginnen und Kollegen stets greifbar, bringen Verständnis für die täglichen Belastungen im Polizeidienst auf. Helfen können sie aber auch bei privaten Krisen. Entsprechend groß ist das Themenspektrum, mit dem sie zu tun haben. „Es kann um Sucht gehen, finanzielle Probleme oder traumatische Erlebnisse im Dienst.“

Foto: FernUniversität
Prof. Andreas Mokros, Dekan der Fakultät für Psychologie, verlieh Nicole Klappert ihre Urkunde.

Wahrnehmung und Wertschätzung

Die Erhebung unter den im Bundesland verstreuten Ansprechpersonen war nicht immer einfach, erinnert sich Klappert. „Ich bin ein ganzes Jahr lang durch Nordrhein-Westfalen gefahren und habe meine Fragebögen persönlich verteilt.“ Die verbindliche Ansprache bedeutete zwar viel zusätzliche Arbeit, allerdings motivierte sie das positive Feedback der Teilnehmenden: „Die Kolleginnen und Kollegen haben das auch als Wertschätzung ihres sozialen Engagements gesehen.“ Das spiegelt sich auch in der hohen Beteiligung wider. Im Untersuchungszeitraum 2015/16 konnte Klappert fast alle der 132 aktiven sozialen Ansprechpersonen in ihre Studie einbeziehen. „Ich habe 128 Bögen zurückbekommen!“

Soft-Skills in einem harten Job

Aus der Befragung zog die Psychologin wichtige Schlüsse. Zum Beispiel fungieren, anders als erwartet, nicht überwiegend Frauen als Ansprechpersonen – unter den Geschlechtern teilt sich das soziale Engagement paritätisch auf. Der Altersdurchschnitt liegt bei 50 Jahren. Die Beweggründe sind stets gleich: „Die Ansprechpersonen sind alle hochemphatisch und sehr altruistisch motiviert.“ Der Gedanke an eine bessere Beurteilung durch Vorgesetzte oder die eigene Karriere spielte für sie kaum eine Rolle. „Die wollen wirklich helfen!“, unterstreicht Klappert. „Außerdem war ihnen total wichtig, ihren sozialen Werten Ausdruck zu verleihen.“

Offenes Ohr für die anderen

Um mehr über dieses Werteverständnis zu erfahren, führte die Forscherin zusätzlich 13 Interviews mit den Ansprechpersonen. Ihr Schluss: „Es gibt eine formale Kultur bei der Polizei, aber auch eine informelle Polizeikultur, die bei den Kolleginnen und Kollegen herrscht, die an der Basis arbeiten.“ Für die einfachen Polizistinnen und Polizisten sei es selbstverständlich, sich untereinander offen und auf Augenhöhe zu begegnen. Die Forscherin wertet das als prosoziale und positive „Cop-Culture“. „Tausende Beamtinnen und Beamten duzen sich zum Beispiel – egal, ob man sich kennt oder nicht.“ Der solidarische Umgang sei im Alltag unerlässlich. Polizistinnen und Polizisten müssen sich hundertprozentig aufeinander verlassen können.

„Tausende Beamtinnen und Beamten duzen sich – egal, ob man sich kennt oder nicht.“

Dr. Nicole Klappert

Hinzu komme die große Nähe: „Beim Streifendienst sitzt man manchmal zehn Stunden lang zusammen in einem Auto. Da bespricht man alles, weiß alles über die Familie des anderen.“ Grenzen setze hier jedoch meist der Dienstgrad. „Zum Beispiel werden Führungskräfte meist nicht mehr automatisch geduzt.“ Klappert sieht diese Distanz kritisch: „Mit seinen Problemen geht man nicht zu Kolleginnen und Kollegen aus dem höheren Dienst.“ Sie wirbt daher für eine einheitlichere „Unternehmenskultur“ und mehr Durchlässigkeit. „Da muss was passieren!“

Neue Generation rückt nach

Eine weitere Herausforderung für den Gemeinschaftsgeist sieht Nicole Klappert in den neuen Ausbildungsformen, die nun viel individueller seien als früher. „In meiner Ausbildungszeit in den 90ern waren wir noch sehr kaserniert. Man lebte zusammen über einen längeren Zeitraum – und wurden teils fast militärisch ausgebildet, mit Marschieren und allem. Das schweißt natürlich zusammen.“ Heute kommen neue Kolleginnen und Kollegen über ein Studium in den Polizeidienst. Statt feste Einheiten zu bilden, durchmischen sich Arbeitsgruppen häufiger. Flexibilität wird großgeschrieben. „Es gibt unter den Jungen deshalb aber auch weniger Interesse, soziale Ansprechperson zu werden.“

Aufbauend auf ihren Befunden sieht Klappert nun ein wichtiges Ziel darin, die nachwachsende Generation aufs Neue für das soziale Engagement in ihrer Behörde zu begeistern. „Wenn die kollektive Identität irgendwann nachlässt, dann ist die Polizei nicht mehr Familie, sondern einfach nur noch Arbeitgeber.“ Hier möchte sie in ihrer Rolle als Gleichstellungsbeauftrage gegensteuern, denn: „Polizei – das ist eben auch ein sozialer Beruf.“

 

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Benedikt Reuse | 19.05.2023