Hans-Böckler-Stiftung vergibt „Maria-Weber-Grant” an Dr. Maximilian Waldmann
Wissenschaftler aus dem Lehrgebiet Bildung und Differenz der FernUniverstität in Hagen erhält renommierte Förderung für seine Forschung zu Smartphone-Apps.

Sie stecken mitten in einer Rush-Hour des (akademischen) Lebens: Junge Wissenschaftler:innen, die sich in der Postdoc-Phase befinden, sich habilitieren oder eine befristete Juniorprofessur innehaben. Sie müssen forschen und publizieren, Lehrveranstaltungen geben und Verwaltungsarbeit übernehmen, sich austauschen und vernetzen, teilweise in Kombination mit Kinderbetreuung. Und zugleich immer den akademischen Arbeitsmarkt im Blick halten.
Das macht Fördermittel wie die „Maria-Weber-Grants“ der Hans-Böckler-Stiftung, benannt nach der stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes von 1972 bis 1982, umso wertvoller. Sie geben ausgewählten Hochschulbeschäftigten die Möglichkeit, sich für einige Zeit vorrangig auf ihre Forschungsarbeit zu konzentrieren – eine wesentliche Voraussetzung, um eine feste Professur zu erhalten.
2025 wird Dr. Maximilian Waldmann als einer von zwei herausragenden Wissenschaftlern mit dem „Maria-Weber-Grant“ ausgezeichnet, den die Stiftung seit 2018 vergibt: Waldmann ist Postdoc und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung der FernUniversität in Hagen. Neben ihm erhält Dr. Jan-Markus Kötter, Juniorprofessor für Alte Geschichte an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf und im Sommersemester 2025 Lehrstuhlvertreter für Alte Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn den Grant.
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Wie uns Smartphone-Apps verändern können
Maximilian Waldmann scheut vor einem ganz großen Wort nicht zurück: Weltverbesserung. Und er verbindet es mit etwas, woran man hinsichtlich hehrer humanistischer Ansprüche wohl nicht zuallererst denken würde: Smartphone-Apps. „Mich interessiert“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung der Fernuniversität Hagen, „wie Apps dazu beitragen, sich mit Digitalisierung, Umweltschutz, Gleichberechtigung, Diskriminierung, Gesundheit und anderen sogenannten Schlüsselthemen der Gesellschaft auseinanderzusetzen.“ Waldmann will wissen, was solche „Weltverbesserungs-Apps“, wie er sie nennt, mit ihren Nutzer:innen machen. Wie sie die Menschen verändern können, ihr Verhältnis zu anderen und zur Gesellschaft. „Das ist ungewöhnlich, weil wir normalerweise davon ausgehen, dass wir es sind, die etwas mit Apps tun.“ Und nicht umgekehrt.
Waldmann, geboren 1986 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), hat Erziehungswissenschaft, Medienwissenschaft, Psychologie, Ostslawistik und Kulturgeschichte studiert, in Jena, Minsk und Moskau. Bevor er nach Hagen kam, lehrte er an den Universitäten in Jena und Köln. „Orte inspirieren mich durch die Menschen, die sie beleben und zu etwas Besonderem machen“, sagt er. Einer der in diesem Sinne intellektuell „lebendigen Orte“ sei der interdisziplinäre Forschungsschwerpunkt „digitale_kultur“ der Fernuniversität Hagen. „Ein Großteil meines Wissens über die digitale Kultur, die uns wie eine zweite Natur umgibt, entstammt diesem Forschungszusammenhang.“ Auch die Idee zu seinem Projekt entstand hier.
Die „quasi-pädagogischen Effekte“ von nicht ausdrücklich für Bildungszwecke konzipierten Smartphone-Apps seien noch größtenteils unerforscht, erklärt der Wissenschaftler. Er will nicht nur wissen, inwieweit Apps, mit denen zum Beispiel geleistete Carearbeit oder ein CO2-Fußabdruck erfasst werden können, tatsächlich auf die Veränderung von Gewohnheiten abzielen. „Ich möchte gern zeigen, dass die Apps noch weitere Handlungspotenziale besitzen, weil sie bei den Nutzenden Neugier, Antizipation von Erwartungsdruck, Unsicherheit oder auch Apathie, Widerwillen und Scham auslösen.“ Was passiert, wenn durch das digitale Protokollieren von Carearbeit auch individuell sichtbar wird, was gesamtgesellschaftlich unbestritten ist: dass Frauen den Großteil dieser Arbeit tragen? Löst die App Konflikte aus, sorgt sie für ein Umdenken? Oder verführt sie im Gegenteil dazu, die politisch-gesellschaftliche Ebene einfach auszublenden?
Um das erforschen zu können, arbeitet Waldmann mit Bildschirmvideos (Screencasts), in denen Menschen ihre App-Nutzung dokumentieren und kommentieren. Auch er selbst tut das, die Rollen des Nutzers und des Forschers überschneiden sich. „Ich finde immer wieder faszinierend, wie viel in einer kurzen App-Nutzungs-Sequenz stecken kann“, sagt er. Das reiche von Hinweisen, wie Daten der Nutzer:innen von den Anbietern monetarisiert werden, bis zu eingeschriebenen kulturellen Stereotypen wie Heteronormativität oder Zweigeschlechtigkeit. Seine Doktorarbeit hat Waldmann über Queer/Feminismus und kritische Männlichkeit geschrieben. Neben der hegemonie und machtkritischen Medienpädagogik gehören Gender und Queer Studies nach wie vor zu seinen Forschungsschwerpunkten.
Über die Auszeichnung
Die Grants der Hans-Böckler-Stiftung dienen dazu, für ein oder zwei Semester eine Teilvertretung für die Lehrverpflichtungen der Preisträger:innen zu finanzieren. Dafür erhalten die Hochschulen der Ausgezeichneten pro Semester jeweils 20.000 Euro Förderung durch das Begabtenförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Der „Maria-Weber-Grant“ wird jeweils zum September eines Jahres ausgeschrieben und richtet sich an Habilitierende sowie Juniorprofessor:innen aller Fachrichtungen.
Der „Maria-Weber-Grant“ schenkt zeitliche Freiräume, damit exzellente junge Forschende sich profilieren und so eine Chance auf eine dauerhafte Karriere im Wissenschaftsbetrieb erhalten können. Dabei geht es keinesfalls darum, Forschung gegen Lehre auszuspielen. Die Bewerber:innen zeigen deutlich, dass gerade die Postdocs und Juniorprofessor:innen sich besonders für eine gute Lehre stark machen, sich engagieren und methodisch fortbilden in einer der wichtigsten Phasen der akademischen Karriere. Ebenso ist es ein erklärtes Ziel, gute Lehre durch stabile Beschäftigung langfristig abzusichern. Die Gewerkschaften machen sich seit Langem für eine verlässliche und faire Personalentwicklung an Hochschulen stark, auch wenn es dafür noch viel zu tun gibt.
Gleichzeitig steht dieser Grant auch für die Stärkung der Innovation und wissenschaftlichen Expertise an deutschen Universitäten. Das gilt sowohl fachlich als auch in der Förderung von Chancengleichheit für Frauen in der Wissenschaft – gut zwei Drittel der bisherigen Grant-Träger:innen sind weiblich.