„Wir Deutsche allein können das Klima nicht retten“

Wie kann internationale Klimapolitik besser gelingen? Dieser Frage widmet sich Prof. Thomas Eichner von der FernUniversität in Hagen.


Foto: Alistair Berg/DigitalVision/Getty Images
Gemeinsam gegen den Klimawandel. Von der Stabilität einer Koalition hängt ihr Erfolg ab.

Mehr Windparks bauen, Gebäude energieeffizient planen, moderne Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen: Die Ziele des Pariser Klimaabkommens sind so vielfältig wie anspruchsvoll. Es geht um nichts weniger, als die globale Erderwärmung zu reduzieren und den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Alle Länder dieser Welt sind gefordert. Doch: „Wirklich effektiv ist das Pariser Klimaabkommen momentan noch nicht, weil die aktuellen und geplanten zukünftigen Emissionsreduzierungen nicht ausreichen“, sagt Prof. Dr. Thomas Eichner von der FernUniversität in Hagen. Der Ökonom untersucht, was Klimakoalitionen effektiver und stabiler machen könnte. Eichner leitet den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbes. Finanzwissenschaft. Zudem arbeitet er im interdisziplinären Forschungsschwerpunkt „Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit“.

Der Forscher betrachtet es nüchtern: „Ich halte es für unrealistisch, dass die Weltgemeinschaft mit ihren derzeitigen Anstrengungen das 1,5-Grad-Ziel erreichen wird. Eine vielversprechende Lösung wäre die Entwicklung neuer Technologien, die es uns ermöglichen, CO2 aus der Luft wieder herauszuholen.“ Ein Blick auf Deutschland offenbart: Wir sind für gerade einmal zwei Prozent der weltweiten Gesamtemissionen verantwortlich. „Wir Deutsche allein können das Klima nicht retten. Damit möchte ich nicht sagen, dass wir weniger tun sollten. Aber auch wenn wir unser Bestes geben, wird es nicht reichen, wenn andere nicht ähnliche Anstrengungen unternehmen.“

Es bräuchte eine große, effektive und stabile Klimakoalition

Eine besonders starke Bremse für den Klimaschutz ist die derzeitige geopolitische Lage. Nicht nur der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist problematisch, sondern auch die wirtschaftlichen Interessen Chinas, dem weltweit größten CO2-Emittenten. „Es ist derzeit extrem schwierig auf der politischen Bühne. Und der Klimaschutz rückt ein Stück weit nach hinten. Auch die Bevölkerung treibt momentan andere Dinge um als das Klima. Doch je mehr Zeit wir verlieren, desto schwieriger wird es, sich der Entwicklung entgegenzustemmen“, sagt Eichner.

Prof. Dr. Thomas Eichner Foto: FernUniversität

„Auch wenn wir unser Bestes geben, wird es nicht reichen, wenn andere nicht ähnliche Anstrengungen unternehmen.“

Prof. Dr. Thomas Eichner

Bei Klimakoalitionen wie dem Kyoto-Protokoll oder dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet sich ein Teil der internationalen Staatengemeinschaft dazu, Emissionen zu reduzieren. Effektiv sind Koalitionen vor allem dann, wenn sich viele Staaten beteiligen, die ihre CO2-Emissionen drastisch zurückfahren. Ein großes Problem für die Stabilität solcher Zusammenschlüsse stellen Trittbrettfahrer dar: Länder, die ihren CO2-Ausstoß bewusst nicht senken und sich darauf verlassen, dass andere schon genug Emissionen einsparen. Sie profitieren davon, dass andere den Klimaschutz finanzieren. Die internationale Gemeinschaft sucht schon lange nach Möglichkeiten, Trittbrettfahren unattraktiver zu machen.

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Unvollständige Verträge aufsetzen

„Eine Möglichkeit, Klimakoalitionen zu stabilisieren“, so Eichner, „sind unvollständige Verträge, bei denen Investitionen in erneuerbare Energien nicht in der Klimakoalition verhandelt werden, sondern von den Ländern unilateral festgelegt werden. Damit erschließt sich den Koalitionsländern die Möglichkeit, ihre Investitionen zurückzuhalten, falls Länder aus der Klimakoalition austreten. Dadurch sollen Trittbrettfahreranreize verringert werden.“ Ob sich Trittbrettfahren lohnt oder nicht, hängt laut dem Wissenschaftler ganz entscheidend davon ab, ob sich Investitionen kurz- oder langfristig realisieren. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass Trittbrettfahreranreize vor allem bei kurzfristigen Investitionen der Koalitionsländer bestehen. Das sind zum Beispiel Investitionsprojekte wie Solaranlagen oder Windparks auf dem Festland. Langfristige Investitionen wie zum Beispiel Wasserkraftwerke hingegen reduzieren Trittbrettfahreranreize und können zu effektiven großen stabilen Koalitionen führen – und die brauchen wir.“

Kaufen und liegenlassen

Hilfreich für stabile Klimaabkommen sei zudem eine angebotsorientierte Politik. „Angebotsorientierte Politiken zielen zum Beispiel darauf ab, das Angebot an fossilen Brennstoffen zu reduzieren.“ Die Idee dahinter: Länder könnten aktiv Flächen mit Braunkohle-, Erdgas- oder Erdölvorkommen von anderen Staaten kaufen und die Lagerstätten fossiler Brennstoffe unangetastet lassen, anstatt wie bisher zu versuchen, den Konsum zu reduzieren, um der Erderwärmung entgegenzutreten.

„Momentan haben wir eher eine nachfrageseitige Klimapolitik“, erklärt der FernUni-Forscher. Eine Verknappung des Angebotes an fossilen Brennstoffen reduziert Trittbrettfahreranreize, was dazu führt, dass sich ein Eintritt in die Klimakoalition eher lohnt. Was die Koalitionen betrifft: Je mehr Länder beteiligt sind, umso besser, da ist sich der Forscher sicher. Aber es reicht nicht nur eine große Anzahl von Koalitionsländern, sondern damit einhergehen müssen auch große Anstrengungen zur Emissionsreduktion.

 

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Presse | 15.03.2023