Förderung für europaweites Vorhaben mSPACE

FernUni-Mathematiker Prof. Delio Mugnolo leitet das interdisziplinäre Projekt zu Multiskalen-Systemen, finanziert von der European Cooperation in Science and Technology (COST).


Foto: Javier Zayas Photography/Moment/Getty Images
In das Projekt mSPACE fließt die Energie von zahlreichen Forschenden, Praktiker:innen und sogar Kunstschaffenden. Die Erkenntnisse bringen Nutzen für viele Anwendungsbereiche – zum Beispiel in der industriellen Batterieproduktion.

Die FernUniversität in Hagen wird zum Mittelpunkt eines großangelegten internationalen Forschungsprojekts, koordiniert von Mathematiker Prof. Dr. Delio Mugnolo. 2024 stellte der Leiter des Lehrgebiets Analysis einen Förderantrag bei der European Cooperation in Science and Technology (COST). Jetzt wurde das Vorhaben „mSPACE - multiscale Stochastics, Patterns, and Analysis of Combinatorial Environments“ offiziell bewilligt: COST wird einen Zusammenschluss von Forschenden über vier Jahre hinweg unterstützen, mit einer Summe zwischen 500.000 und 950.000 Euro – das konkrete Volumen steht noch nicht fest. Zu tun hat das mit dem dynamischen Fördermodell: „Nach der Genehmigung kann die Gruppe mit der Zeit weiter anwachsen“, erklärt Mugnolo. „Je mehr Länder mitmachen, desto größer wird auch die Finanzierungssumme.“

Eine beachtliche Größe hat das Projekt schon jetzt: 44 Wissenschaftler:innen von unterschiedlichen Universitäten, Firmen, Behörden und privaten Forschungszentren aus 19 europäischen Ländern ziehen an einem Strang. Während ein großer Teil der Forschenden theoretisch arbeitet, wendet ein anderer die Erkenntnisse direkt an – um die praktischen Beobachtungsergebnisse wiederum zurückzuspielen.

Systeme zusammen denken

Gemeinsam möchte das große Team auf diese Weise Multiskalen-Systeme analysieren, modellieren und gewinnbringend nutzbar machen. Was bedeutet das? „In der Mathematik gibt es sogenannte Systeme. Sozusagen Umgebungen mit verschiedenen Eigenschaften.“ Zu solchen Systemen zählen etwa Raum und Zeit. Für bestimmte Überlegungen ist es wichtig, beide zu berücksichtigen. „Wie breitet sich zum Beispiel Wärme in einem Medium aus? Wie schwingt ein Spinnennetz?“, nennt Mugnolo einfache Beispiele. Die Multiskalen-Systeme, die das Forschungsprojekt ergründen will, beziehen als dritte Komponente zudem noch den Zufall mit ein. „Raum, Zeit und Zufall – das sind die drei großen Achsen unserer Forschung.“

Foto: FernUniversität
Von seinem Büro auf dem Hagener Campus aus koordiniert Prof. Delio Mugnolo fortan das europäische Forschungsvorhaben.

Forschung im direkten Praxistest

Was sich in seiner Dreigliedrigkeit noch recht verständlich anhört, ist in Wahrheit hochkomplex. Deutlich wird das mit Blick auf mögliche Anwendungsbereiche: „Eine unserer Arbeitsgruppen besteht aus Menschen, die sich intensiv mit Batterieforschung beschäftigen“, erklärt der FernUni-Mathematiker. „Von innen betrachtet, ist so eine Batterie ein poröses Medium voller Kanälchen, in denen Flüsse von Ionen fließen.“ Mikroskopisch betrachtet können die Ionen darin steckenbleiben und verklumpen – ein Zufallsfaktor. Dieses Phänomen genauer als bisher berechnen zu können, würde die Produktion voranbringen. „Durch eine akkuratere Modellierung kann man genauer schätzen, wie viel Milliampere eine Batterie hat, und zukünftig effizientere Akkus bauen.“

Schon jetzt steht mSPACE in Kontakt mit unterschiedlichen Industriezweigen, Forschungsinstituten und regierungsnahen Akteuren in verschiedenen Ländern. Mugnolo zählt Beispiele auf: „Wir arbeiten etwa mit Industrie in Frankreich zusammen, mit einem sozialökologischen Forschungsinstitut in Schweden oder einer Gruppe in England, die mit einem Gesundheitsdienst zusammenarbeitet, um Menschen mit Psychose zu helfen.“

Ich bin überzeugt, dass ein inklusiverer Diskurs unsere Forschung bereichert und zu stärkeren, vielfältigeren Ergebnissen führt.

Prof. Delio Mugnolo

Fair und divers

Die Förderlinie von COST bevorzugt Forschungsprojekte mit möglichst diverser, junger, praxisnaher und internationaler Zusammensetzung. Das passt zu mSPACE, das verstärkt weiblichen Wissenschaftlerinnen und Forschenden in frühen Karrierephasen die Hand reicht: „Ich bin stolz darauf, dass genau 50 Prozent unserer Antragstellenden Frauen sind. In der Mathematik ist das fast unerhört!“, sagt Mugnolo mit Blick auf die noch immer sehr männerlastige Naturwissenschaft. „Wir haben sehr viel darin investiert, uns ausgewogen aufzustellen.“ Die dafür nötige Quote verteidigt er gegenüber möglicher Kritik: „Das ist keine Einschränkung, sondern eine Frage der Fairness – und vor allem eine Chance, unseren wissenschaftlichen Horizont zu erweitern. Ich bin überzeugt, dass ein inklusiverer Diskurs unsere Forschung bereichert und zu stärkeren, vielfältigeren Ergebnissen führt.“

International und -disziplinär

Zudem beteiligt das Team etwa zur Hälfte Forschende aus wissenschaftlich eher strukturschwachen Ländern – etwa im Baltikum, Osteuropa oder Zypern. „Eigentlich ist das keine große Sache“, unterstreicht Mugnolo sein internationales Selbstverständnis. „Unsere Disziplin macht traditionell keinen Halt an Grenzen – zum Beispiel waren Länder wie Polen oder Ungarn schon immer sehr stark in der Mathematik.“

Übrigens sind nicht alle Beteiligten der Gruppe Wissenschaftler:innen. „Kunstschaffende können unsere sehr abstrakten mathematischen Forschungsergebnisse gut veranschaulichen. Wir bieten deshalb Künstler:innen eine Residenz in unserem Projekt an“, stellt Delio Mugnolo in Aussicht. Auf diese Verschmelzung freut er sich. „Diese armen Menschen müssen dann mit lauter Mathematiker:innen tagen“, sagt er augenzwinkernd, „und hoffentlich inspirieren unsere Vorträge sie dann zu eigenen Positionen.“

 

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Benedikt Reuse | 02.07.2025