Menschliches Wirtschaften – im Spiegel der Philosophie

Ein neuer Band des ersten Handbuchs „Wirtschaftsphilosophie“ ist erschienen. Verantwortlich für die Reihe sind Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann und Dr. Klaus Honrath.


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Der Stil des Wirtschaftens kann sich je nach Weltregion oder Zeitraum stark unterscheiden. Globale Differenzen sind ernstzunehmen.

„In der Fachwelt wird die wirtschaftsphilosophische Arbeit an der FernUniversität manchmal bereits als ‚Hagener Schule‘ bezeichnet“, sagt Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann über die Tradition am Lehrgebiet Philosophie II, die zurückreicht bis zu seinem Vorgänger Prof. Dr. Kurt Röttgers. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr. Klaus Honrath hat Prof. Hoffmann das Hagener Profil nun weiter geschärft: Im Verlag Springer VS ist Band I des „Handbuchs Wirtschaftsphilosophie“ erschienen. Die Reihe, federführend konzipiert von den beiden Forschern, stellt das erste Überblickswerk zu einem Ansatz dar, der die Ökonomie historisch und systematisch, kulturphilosophisch und normativ, anthropologisch und wissenschaftstheoretisch zugleich betrachtet. „Wirtschaftsphilosophie treiben heißt für uns, das Wirtschaften des Menschen in allen seinen Dimensionen abzudecken“, betont Hoffmann.

Das Handbuch ist auf insgesamt vier Bände angelegt und entsteht in enger Zusammenarbeit mit internationalen Autorinnen und Autoren sowie einem interdisziplinär besetzten wissenschaftlichen Beirat. Das darin bereitgestellte Wissen ist umfangreich: Allein der jetzt veröffentlichte Band I zu „Genealogien der Wirtschaftsphilosophie“ umfasst 668 Seiten. Als Herausgeber steuerten Hoffmann und Honrath selbst mehrere Artikel bei.

Wirtschaft ist menschlich

„In dem jetzt erschienenen Band stellen wir die Geschichte der Wirtschaftsphilosophie dar – und zwar in globalem Horizont“, so der Professor. Im alten China beginnend zeigt der Band die Entwicklungen vom alten Ägypten bis zur Gegenwart auf. Der Blick in den historischen Rückspiegel ist den Wissenschaftlern sehr wichtig – denn Wirtschaft, da sind sich beide einig, besteht eben nicht nur aus rauchenden Schloten, Produktionsstraßen und Bankautomaten: „Sie gehört seit jeher zum Menschen dazu“, ist sich Honrath sicher. „Wir sind immer schon wirtschaftende Wesen gewesen. Denn letztlich geht es um die Bereitstellung der Lebensgrundlage, ja die Ermöglichung eines guten Lebens.“

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Hagener Herausgeber (v.li.): Dr. Klaus Honrath und Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann präsentieren die bisher erschienenen Bände des Handbuchs für Wirtschaftsphilosophie.

Dichten und Denken über Wirtschaft

Solche Grundsätze menschlichen Handelns hat auch der dritte Band „Praktische Wirtschaftsphilosophie“ im Blick, der bereits 2021 herausgekommen ist. Band II ist aktuell bei Hoffmann und Honrath in Arbeit, hat einen theoretischen Schwerpunkt und wird sich mit zentralen Fragen der Ökonomie beschäftigen – zum Beispiel: Was ist Geld? Was sind ökonomische Krisen? Was ist der Markt? Band IV ist als Nachschlagewerk angelegt, zu eigentlich fachfremden Persönlichkeiten, die doch wichtige ideengeschichtliche Impulse gegeben haben. Zu ihnen zählen etwa Johann Wolfgang von Goethe, Martin Luther, Thomas Mann oder Dante Alighieri.

Bewusste Gegenakzente

„Mit unserem Projekt setzen wir bewusst einen Kontrapunkt zur vorherrschenden Beschränkung des philosophischen Interesses auf Wirtschaftsethik und etablieren Wirtschaftsphilosophie als eigenständige Disziplin“, betont Prof. Hoffmann. Lange Zeit beschäftigte sich die Philosophie überhaupt nur am Rande mit Ökonomie – und wenn, dann in der Perspektive der Wirtschaftsethik“. Adam Smith war im 18. Jahrhundert der erste Denker, der allgemeine ökonomische Gesetze beschrieb; parallel zur voranschreitenden Industrialisierung und Welthandel nahm das Thema an Fahrt auf. Für die beiden Hagener Forscher sind diese geschichtlichen Kontexte spannend. „Der Mensch wirtschaftet zwar irgendwie immer“, so der Professor. „Sein Wirtschaften steht dabei aber stets in Zusammenhang mit kulturellen Systemen.“

Wir gehen davon aus, dass der wirtschaftende Mensch von Natur aus ein auf Sittlichkeit angelegtes Wesen ist

Dr. Klaus Honrath

Zusammenhänge im Blick

„Genau deshalb gibt es aber auch kein Einheitsmodell, wie Menschen wirtschaften, sondern verschiedene Wirtschaftsstile“, erklärt Hoffmann. „Viele Probleme mit der Globalisierung hängen auch damit zusammen, dass man über diese Unterschiede einfach hinweggeht.“ Ohnehin liegt den beiden Philosophen am Herzen, den Menschen in seiner Ganzheit zu betrachten. „Es gibt eben nicht nur den rationalen, wirtschaftenden Menschen, dessen Handeln dann durch die Ethik irgendwie gezügelt werden muss“, so Honrath. „Wir gehen davon aus, dass der wirtschaftende Mensch von Natur aus ein auf Sittlichkeit angelegtes Wesen ist – nach ihr zu fragen, muss ihm nicht erst beigebracht werden.“

Humanes Wirtschaften

Worum geht es dann bei einem guten und dem Menschen dienlichen Wirtschaften? „Es reicht sicher nicht, dass sich ein Konzern einen sogenannten Ethik-Kodex an die Tür heftet“, urteilt Hoffmann. „Unser Ansatz ist zu sagen: Wenn der Mensch die Aufgabe hat, sein Leben vernünftig zu organisieren, dann sollte er das in allen Dimensionen tun: beim Wirtschaften, in persönlichen Beziehungen, im Recht und der Politik. Er muss alles, was er tut, sachgerecht tun, und kann durch Vernunft lernen, wie alles zu einem guten Leben zusammenstimmt.“ Und was ist das Gute? „Eben dies, dass es zu einem Zusammenstimmen kommt, zu einer Einheit, in der doch das Verschiedene nicht verschwindet“, meint Prof. Hoffmann – und bezieht sich damit auf eine antike Idee, die heute nicht aktueller klingen könnte: „Das Gute versammelt das Viele in Eines, ohne dass dabei die Vielheit unterdrückt wird.

 

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Benedikt Reuse | 28.10.2025