Für mehr Nachhaltigkeit in der Industrie

Wie können erneuerbare Energien in der Industrie 5.0 zum Einsatz kommen? FernUni-Professor Lars Mönch forscht dazu in einem europäischen Forschungsprojekt.


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Mikrochips sind heutzutage fast überall verbaut, ob in unserem Auto, Laptop oder Smartphone. Die Herstellung eines einzelnen Chips kann bis zu drei Monate dauern und ist sehr energieintensiv.

Erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit: Das sind Begriffe, die in Zeiten des Klimawandels im Fokus stehen. Wie kann mehr Nachhaltigkeit in der Industrie 5.0 entstehen, insbesondere in der europäischen Fertigung? Der Chiphersteller Infineon Technologies AG leitet dafür das europäische Forschungsprojekt „Artificial Intelligence in Manufacturing Leading to Sustainability and Industry 5.0 (AIMS5.0)“ mit 53 beteiligten Institutionen und Unternehmen. Dazu gehört die FernUniversität. Prof. Dr. Lars Mönch (Lehrgebiet Unternehmensweite Softwaresysteme) forscht mit zwei Doktoranden in verschiedenen Arbeitspaketen.

Energieeffiziente Herstellung von Mikrochips

Prof. Lars Mönch ist an drei der insgesamt acht verschiedenen Arbeitspakete beteiligt. Dabei untersucht der Professor einen praktischen Anwendungsfall, in dem er die Prozesse einer Halbleiterfabrik in Dresden energieeffizient gestaltet. Dafür arbeitet er mit dem Unternehmen Infineon eng zusammen. „Wir haben hier die einmalige Möglichkeit, Theorie direkt in der Praxis anzuwenden“, sagt Lars Mönch. In Halbleiterfabriken werden Mikrochips hergestellt. „Diese sind heutzutage praktisch überall verbaut – in unseren Autos oder Smartphones“. Was vielen nicht bewusst ist: Die Herstellung von Mikrochips ist nicht nur aufwändig und energieintensiv, sondern dauert auch lange. Die Herstellung eines einzelnen Chips kann bis zu drei Monate erfordern.

Aufwändige Produktion

In einer Halbleiterfabrik (Wafer Fab) arbeiten die Beschäftigten mit einem weißen Ganzkörper-Anzug, Laborschuhen und Latex-Handschuhen unter Reinraumbedingungen, denn es dürfen keine Schmutzpartikel auf die Chips kommen. Die Maschinen für die Mikrochip-Herstellung verbrauchen viel Energie. Damit die Produktion wirtschaftlich bleibt, sind die Maschinen 24 Stunden am Tag im Betrieb. Der Bau einer Halbleiterfabrik ist nämlich sehr teuer. Bestimmte wichtige Maschinen werden nur von einem einzigen Hersteller in den Niederlanden produziert. „Wir versuchen, die Maschinen so zu steuern, dass die Produktion bevorzugt in Perioden stattfindet, in denen der Energiepreis niedrig ist“, erklärt Mönch.

Für die Produktionssteuerung in der Halbleiterfabrik in Dresden entwickelt Lars Mönch Algorithmen. „Wir verwenden sogenannte naturanaloge Algorithmen. Im Wesentlichen bedeutet das, dass sich am Ende nur die Ablaufpläne durchsetzen, die zu einer hohen Termintreue bei gleichzeitig niedrigem Energieverbrauch führen.“ In einem weiteren Arbeitspaket beschäftigt sich der Wirtschaftsinformatik-Experte mit der Erstellung einer Open-Access-Plattform. Dies ist eine Plattform, die es ermöglicht, unter Verwendung von Ontologien auf Daten standardisiert zugreifen zu können. Eine Ontologie ist dabei ein Datenmodell, das sich dadurch auszeichnet, standardisiert und somit für alle beteiligten Anwendungssysteme und Entscheidungsträger verständlich zu sein.

Foto: Hardy Welsch
Prof. Lars Mönch beschäftigt sich bereits seit Jahren in seiner Forschung mit den Themen erneuerbare Energie und Nachhaltigkeit.

Halbleiternetzwerke planen

Die Open-Access-Plattform möchten sie dafür nutzen, um strategische Halbleiter-Netzwerke zu entwerfen. „Dabei möchten wir in der Produktion insbesondere erneuerbare Energien nutzen.“ Mönch versucht, die Halbleiter-Netzwerke so zu planen, dass er für jeden Fabrik-Standort entscheidet, wie viel Energie jeweils aus Windrädern oder Photovoltaik-Einrichtungen eingebracht werden muss. „Mit dem Einsatz der erneuerbaren Energien möchten wir einen Kompromiss finden, um nicht nur die Energieknappheit zu überwinden, sondern auch die notwendige Termintreue in der Produktion zu erreichen.“

Lange Forschung mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit

Lars Mönch beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren in seiner Forschung mit den Themen erneuerbare Energie und Nachhaltigkeit. Er gehört zur wissenschaftlichen Leitung des Forschungsschwerpunktes Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit (EUN) der FernUniversität. Durch mehrere ähnliche Forschungsprojekte wie beispielsweise MaxFab, in denen Lars Mönch bereits forschte, bringt er Expertise zum Projektthema mit. Diese Vorarbeiten haben es ihm ermöglicht, das Projekt einzuwerben. Für das von der EU im Rahmen des Key Digital Technologies Joint Undertaking (KDT JU) und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gemeinsam geförderte Projekt wurden Prof. Lars Mönch 2,5 Stellen für wissenschaftliche Mitarbeitende bewilligt, die drei Jahren mit ihm im Projekt forschen werden. KDT JU ist eine öffentlich-private Partnerschaft mit einem Forschungs- und Innovationsprogramm, das die strategische Autonomie der EU im Sektor Elektronikkomponenten und -systeme stärken soll. Insgesamt erhält die FernUniversität eine Förderung von ca. 700.000 Euro. Das Projekt „AIMS5.0“ gehört mit einem Budget von insgesamt rund 70 Millionen Euro zu den großen europäischen Forschungsprojekten. Die Nachwuchswissenschaftler haben damit die Möglichkeit, zu promovieren und gleichzeitig erste Erfahrungen in der Industrie zu sammeln.

Dr. Lars Jensen-Lampiri, Koordinator des Forschungsschwerpunkt EUN der FernUniversität, sieht das Projekt als riesigen Erfolg an. „Das Projekt passt thematisch sehr gut zu unserem wissenschaftlichen Profil und insbesondere zum Forschungscluster Nachhaltige Supply Chains.“ Neben seiner Grundlagenforschung entwickelt Prof. Lars Mönch im Projekt „AIMS5.0“ eine praxisnahe Lösung in einem konkreten Anwendungsfall. An praktischen Lösungen möchte er im Schwerpunkt Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit weiterforschen.

Unterschied zwischen Industrie 4.0 und 5.0

Industrie 4.0 hat bereits enorme Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Sie führt dazu, dass Unternehmen agiler, effizienter und umweltfreundlicher werden. Eines der wichtigsten Merkmale von Industrie 4.0 ist die Verwendung von vernetzter Technologie. Dadurch können Prozesse optimiert und Kosten gesenkt werden. Industrie 5.0 ist der nächste große Schritt. Der Fokus liegt auf der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschinen. Es geht auch um den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik. Die Technologien sollen Menschen unterstützen und ergänzen.

 

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