Vielfalt – ein Wert mit Auftrag
Der diesjährigen Diversity Days an der FernUni ist der Beginn eines Dialogs und der Auftakt für das Format „Diversity Talks”.

Wie kommen wir zu einem wertschätzenden Umgang miteinander? Wo liegen die Schmerzpunkte an der FernUni in Bezug auf Diversität und Diskriminierung? Welche Handlungsspielräume bestehen? Das waren Fragen, die auf der hybriden Abschlussveranstaltung „Diskriminierung erkennen – Vielfalt stärken“ der diesjährigen Diversity Days an der FernUni aufkamen. Abschließende Antworten darauf gibt es nicht. „Es der Beginn eines Dialogs und der Auftakt für das neue Gesprächsformat ,Diversity Talks‘“, kündigte Rektor Prof. Stefan Stürmer an.
Gemeinsame Kultur etablieren
Gemeinsam mit der Hochschulöffentlichkeit möchte Stürmer eine Hochschulkultur entwickeln, die sich mit gelebter Vielfalt, Herausforderungen im Hochschulalltag und dem konstruktiven Umgang mit Diskriminierung beschäftigt Als Diskussionsgrundlage diente die Befragung „Alles in Ordnung? Diversität und Diskriminierungserfahrungen an der FernUniversität in Hagen“, die im Herbst 2024 durchgeführt wurde.
Erste Ergebnisse daraus stellte der Rektor auf der Abschlussveranstaltung vor. Darüber hinaus speiste Jennifer Eickelmann, Junior-Professorin für Digitale Transformation in Kultur und Gesellschaft, Impulse dazu ein, welchen Anfeindungen Wissenschaftler:innen im digitalen Raum ausgesetzt sind und welche Effekte das auf die Freiheit von Wissenschaft hat – mit Beispielen von der FernUni . Im Anschluss daran diskutierten Stefan Stürmer und Jennifer Eickelmann mit den Interessierten vor Ort und im Chat; die Moderation übernahm Dr. Annabell Bils, Geschäftsführerin des Zentrums für Lernen und Innovation (ZLI).
„Alles in Ordnung?“
In der Befragung im Herbst 2024, an der Studierende und Beschäftigte teilnahmen, konnten rund 3.430 Fragebögen ausgewertet werden. Bei einer Grundgesamtheit (alle Mitglieder der FernUni) von ca. 72.755 Personen liegt die Rücklaufquote bei ca. 5 Prozent für Studierende und bei ca. 20 Prozent für Personal. „Repräsentativ ist das unter Umständen fraglich, aber deshalb möchte ich die Ergebnisse nicht in Frage stellen“, machte Stürmer deutlich.

Denn: 350 Personen haben angegeben, Diskriminierungserfahrungen an der FernUni gemacht zu haben – aufgrund ihrer Geschlechteridentität, ihrer Behinderungen oder ihres Alters. „Das können wir als Institution nicht tolerieren und dem müssen wir nachgehen.“ Der Großteil der Befragten bewertet das Diversitätsklima an der FernUni positiv.
Zumindest vermittelt die Umfrage – die erste systematische zum Thema überhaupt – einen Einblick, wie sich verschiedene Gruppen an der FernUniversität fühlen: aufgesplittet in unterschiedliche Diversitätsdimensionen, unter anderem das Merkmal Migrationshintergrund. Durch die Umfrage ergibt sich ein Anteil von 21,4 Prozent. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 24 Prozent. „Damit sind wir weniger divers als wir denken“, sagte Stürmer. In Bezug auf die Fernlehre liegen die Schmerzpunkte vor allem in den unzureichend barrierefreien Zugängen zu Lernorten und Zeit fürs Studium.
Unterm Strich bilanziert Stürmer die ersten Ergebnisse der Umfrage – eine ausführliche schriftliche Auswertung liegt noch nicht vor – als Hinweis darauf: „Wir müssen lernen, besser zuzuhören.“ Genug Gesprächsstoff für die Diversity Talks gibt es schon mal.
„Auch bei uns“
Jennifer Eickelmann thematisierte, welchen Anfeindungen Wissenschaftler:innen ausgesetzt sind. „Das ist ein ernstzunehmendes Problem.“ Als Präzedenzfall zitierte sie die systematischen Angriffe auf Gender Studis durch die AfD. „Das kann auch auf andere Fachdisziplinen übergreifen“, machte sie deutlich – „und zwar nicht nur auf politisierte Themen wie Gender oder Klima.“ Es schlägt bis zur FernUni durch: „Es ist auch hier unter uns – und das müssen wir sichtbar machen.“ Das Dilemma dabei: Die zunehmende Sichtbarkeit von Forschenden führt zu verstärkten Angriffen – auch und vor allem auf sozialen Plattformen und in digitalen Kanälen.
Den Angriffen erfolgen nach einem wiederkehrenden Muster, die klassische Taktik rechtsextremer Bewegungen: Einzelne Personen oder Gruppen mit Massennachrichten oder -anfragen zu überziehen. „Die digitale Eskalation führt innerhalb weniger Stunden zu Überlastung und Störung der Infrastruktur einer Organisation. Das darf man nicht unterschätzen“, warnt Eickelmann aus der Beobachtung konkreter Fälle an der FernUni. Allerdings: „Ohne Dissens und Diversität ist die Demokratie gefährdet. Es muss Spielraum geben für konstruktive Auseinandersetzung.“
Kein Nischenthema
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Interessierten vor Ort und im Chat unterstrich Prof. Stephan Meyering in seiner Rolle als Senatsvorsitzender: „Der digitale Raum an der Hochschule darf kein rechtsfreier Raum sein.“ Denn „es geht nicht um ein Nischenthema, es geht um die Grundfesten der Gesellschaft“, schloss sich Rektor Stefan Stürmer an. Die gilt es zu verteidigen – die negativen Folgen bis hin zur Demontage demokratischer Strukturen lassen sich aktuell live in den USA verfolgen.
Moderatorin Annabell Bils brachte es auf den Punkt: „Vielfalt ist ein Wert, den wir feiern – aber auch ein Auftrag.“