Wissen in Umlauf bringen
Dorett Funcke setzt ihre Arbeit mit der Ernsting Stiftungsprofessur für Mikrosoziologie fort. Ihre Mission: Wissen teilen – und umgekehrt von Gesellschaft und Studierenden lernen.

Gute Lehre zu machen – für Prof. Dr. Dorett Funcke ist das keine Nebensache. Im Gegenteil: „Unser Kapital sind die Studierenden.“ Ihnen gegenüber habe die Hochschule eine besondere Pflicht: „Die FernUniversität ermöglicht den Menschen einen alternativen Zugang zu akademischer Bildung – das ist unheimlich wichtig.“ Ihren Bildungsauftrag versteht die Soziologin über die Campus-Grenzen hinweg; was sie in ihrer Forschung herausfindet, möchte sie möglichst offen mit der Gesellschaft teilen. „Es geht immer um den Transfer, um die Abgabe von Wissen. Damit möchte ich mich in Zukunft noch stärker beschäftigen.“ Vom Austausch wiederum profitiere die Forschung: „Im Dialog mit den Menschen lerne ich selbst immer wieder so viel Neues.“
Zu diesem Verständnis von Wechselseitigkeit passt auch die Förderung, die Dorett Funcke und ihre Ernsting Stiftungsprofessur erfährt: Seit Anfang des Jahres wird diese von der Ernsting Kunst- und Kulturstiftung finanziert. Das Unternehmen Ernsting‘s family setzt sich bereits seit 2007 intensiv für die soziologische Forschung an der FernUni ein. „Ich bin der Firma Ernsting und der Ernsting Kunst- und Kulturstiftung sehr dankbar für die Großzügigkeit, mit der sie die Soziologie an der FernUniversität unterstützen“, betonte Rektor Prof. Dr. Stefan Stürmer anlässlich der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags im Februar.
Wirkung in Coesfeld
Wie sich die Arbeit von Prof. Funcke und ihrem Team praktisch niederschlägt, ist seit 2007 im westfälischen Coesfeld zu sehen. Dort öffnet die BürgerUniversität regelmäßig ihre Türen für alle Interessierten. Ausgewählte Vorträge schlagen Brücken zwischen Stadtgesellschaft, FernUni und dem Unternehmen Ernsting‘s family, das seinen Sitz in Coesfeld hat. „Die BürgerUni ist eine gewachsene Institution, die aus der Stadt nicht mehr wegzudenken ist“, erklärt Funcke. Das Publikum sei bunt gemischt und das Format dank der regen Beteiligung der Gäste „keine Einbahnstraße“. Typisch FernUni gibt es die abwechslungsreichen Vorträge auch als Videos digital in der Mediathek zu sehen.
…und in Hagen
Auch in Hagen ist die Forscherin aktiv. „Ich bringe mich mit viel Freude in die Kooperation zwischen der Stadt und der FernUnversität ein. Hier ist viel im Aufschwung“, bestätigt sie. „Die Zusammenarbeit kommt mir persönlich sehr entgegen, da ich mich mit Hagen eng verbunden fühle.“ Besonders im Bereich Kinderschutz möchte sie ihre Expertise einfließen lassen. Darüber hinaus begrüßt sie das Engagement für die JugendUni: „Auch hier kann man Wissen direkt an eine jüngere Generation weitergeben! Der Ball liegt bereit, wir müssen ihn nur spielen.“ Aus wissenschaftlicher Sicht sei klar: „Die Soziologie ist immer mit der Gegenwartsgesellschaft verbunden. Wo ist sie, wenn nicht dort, bei den jungen Menschen?“

„Man braucht eigentlich nur die Augen aufzumachen, und man sieht, wo man sich einbringen kann.“
Prof. Dorett Funcke
Fokus auf Professionssoziologie
Und inhaltlich? Nach Jahren intensiver Beschäftigung mit der Familiensoziologie wird es um eine neue Schwerpunktsetzung, eine Perspektivenerweiterung gehen, ohne die familiensoziologischen Themen aufzugeben. „Künftig werden wir uns noch stärker auf die professionssoziologische Forschung und Lehre ausrichten“, stellt sie in Aussicht. „Ein Merkmal der FernUni ist eben, dass viele unserer Studierenden aus Berufen kommen, die zu den Professionen gehören.“ Dazu zählen etwa sozialpädagogische, medizinische, juristische oder seelsorgerische Berufe. „Bei all diesen ist man mit Menschen im Gespräch – und muss aus der Interaktion heraus ad hoc Diagnosen aufstellen können. Wir nennen das auch ‚Fallverstehen in der Begegnung‘.“ Hierfür hilft auch theoretisches Fachwissen. So verwundert es nicht, dass das Bachelormodul zur Professionssoziologie, das Funckes Lehrgebiet seit kurzem anbietet, unter den Studierenden äußerst beliebt ist.
„Uns im Team zeigt das, dass die FernUni genau der richtige Ort ist, dieses Thema auszubauen.“ Abseits des grundständigen Studiums vermittelt ein Zertifikatsstudium zum Thema Kinderschutz professionssoziologisches Knowhow. „Die Weiterbildung ist ein fruchtbarerer Boden für unsere Inhalte“, erklärt die Forscherin.

Aufbau eines Kollegs
Um die professionssoziologische Forschung zu vertiefen, etabliert sie zudem ein entsprechendes Kolleg. Hierin arbeitet zum Beispiel ihr Mitarbeiter Dr. Julian Valentin Möhring zum Entscheidungshandeln von Familienrichter:innen. Dr. Franziska Krüger forscht zum Handlungsbereich der Transgender-Medizin. Selbst wendet sich Dorett Funcke unter anderem der soziologische Forschung rund um die Reproduktionsmedizin zu – einem Thema, zu dem sie 2023 bereits eine große Tagung an der FernUniversität ausgerichtet hat, ebenfalls gefördert von Ernsting’s family. „Mich interessiert zum Beispiel das professionelle Handeln von Mediziner:innen in Kinderwunschkliniken und -zentren“, nennt Funcke ein Beispiel.
Familiensoziologie bleibt zentral
Der familiensoziologische Grundpfeiler ihres Lehrgebiets bleibe dennoch erhalten – allein wegen der natürlichen Verbindungen zur Professionssoziologie. „Alles hängt immer miteinander zusammen“, betont Funcke. „Der Mensch ist ohne die Vergemeinschaftung durch die Familie nicht zu verstehen.“ Deshalb wird auch das Netzwerk Qualitative Familienforschung seine Arbeit fortsetzen. Im Herbst erscheint ein neuer Tagungsband „Vom Gewordenen zum Gemachten“. Persönlich freut Funcke, dass vermehrt internationale Perspektiven einfließen. Derzeit betreut sie etwa eine indischstämmige Promovendin mit ihrer Arbeit über die Familiensituation in Indien.
Angesichts der vielen Möglichkeiten, die die erneute Förderung durch die Stiftung bringt, blickt Dorett Funcke mit Optimismus und Freude auf die nächsten acht Jahre. Genug zu tun gibt es auf alle Fälle, sagt sie mit einem Lächeln. Für sie ist klar: „Man braucht eigentlich nur die Augen aufzumachen, und man sieht, wo man sich einbringen kann.“