Erster PoliTikTalk: Jugendliche diskutieren über ihre Orte in Hagen

Der Auftakt der PoliTikTalks bringt Jugendliche zusammen, die ihre Stadt aktiv mitgestalten wollen. Sie wünschen sich mehr Räume und mehr Beteiligung an Entscheidungen.


Foto: FernUniversität
Beim PoliTikTalk tauschten Jugendliche und Vertreterinnen und Vertretern aus Verwaltung, Politik, Wissenschaft und Jugendarbeit Ideen zu sicheren, freien und kreativen Orten aus.

Wo trifft man sich eigentlich in Hagen, wenn man jung ist? Im Kultopia? In der Rathaus Galerie? Oder fehlt es vielleicht genau an solchen Orten, an denen man einfach sein darf? Mit diesen Fragen startete im Rahmen des Campusfestes der FernUniversität in Hagen erstmals das neue Dialogformat PoliTikTalk. Eingeladen hatten die FernUni gemeinsam mit dem Jugendrat und dem Jugendring. Die anwesenden Jugendlichen diskutierten engagiert mit Vertreterinnen und Vertretern aus Verwaltung, Politik, Wissenschaft und Jugendarbeit über die Zukunft jugendgerechter Räume in ihrer Stadt.

FernUni-Rektor Prof. Dr. Stefan Stürmer, der den Entstehungsprozess des Formats von Anfang an begleitet hat, betonte in seinem Grußwort: „Mir ist es wichtig, dass wir Jugendlichen in Hagen etwas bieten können – ganz unabhängig davon, ob sie einmal an der FernUni studieren. Gerade in politisch unsicheren Zeiten braucht es Räume, in denen junge Menschen ihre Perspektiven einbringen und erleben können, dass ihre Stimmen zählen.“

Wissenschaftlicher Impuls und lebendige Diskussion

Zum Einstieg gab Dr. Christian Helbig vom Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung der FernUni einige Denkanstöße. Er stellte klar: Öffentliche Räume werden nicht durch Verwaltung oder Planung geschaffen – sie entstehen erst dadurch, dass Jugendliche sie nutzen, sich aneignen und mit Bedeutung füllen. „Jugendliche brauchen Orte, an denen sie nicht nur erlaubt sind, sondern die sie mitgestalten können. Nur dann erleben sie Selbstwirksamkeit und Zugehörigkeit.“

Helbig verwies außerdem auf die Vielfalt jugendlicher Lebenswelten: „Es gibt nicht die Jugendlichen. Manche suchen Bewegung, andere Rückzug, viele wünschen sich Sicherheit und zugleich Freiheit. Diese Diversität müssen wir ernst nehmen.“

Im Anschluss ging es ins Gespräch: Welche Räume gibt es in Hagen bereits? Welche fehlen? Und was müsste sich ändern? Eine Teilnehmerin brachte es auf den Punkt: „Wir müssen Orte schaffen, die sicher, sauber, für alle zugänglich sind und an denen man etwas erleben kann – im besten Falle kostenlos.“

Orte, die fehlen – und Orte, die schon da sind

Andreas Beilein, Leiter der Abteilung Stadtentwicklung, sah das ähnlich: „Wir haben in Hagen mit den Jugendzentren und -treffs in den Quartieren viele gute Ansätze, aber entscheidend ist, Jugendliche frühzeitig einzubeziehen, schon bevor die ersten Entwürfe gemacht werden. Und sie sollten Prozesse auch kontinuierlich begleiten.“ Er verwies auf gute Beispiele wie die Jugend-Lounge Mitte in der Volme Galerie oder das Allerwelthaus: offene Räume, die von Jugendlichen angenommen werden. „So etwas müssen wir stärken und ausbauen.“

Merle Steinmann, die sich im Jugendrat engagiert und die Interessen junger Menschen in Hagen vertritt, brachte eine weitere wichtige Perspektive ein. Sie machte deutlich, wie wichtig die richtigen Rahmenbedingungen sind. „Manchmal liegt es gar nicht am Ort selbst, dass er nicht genutzt wird“, sagte sie. Viele Jugendliche fühlten sich an bestimmten Orten unsicher, andere könnten sich den Aufenthalt schlicht nicht leisten, oder die Orte sind infrastrukturell schlecht angebunden. Ihre Botschaft: Erst wenn Orte barrierefrei, sicher und verkehrstechnisch erreichbar sind, können sie wirklich jugendgerecht sein.

Visionen für Hagen – ohne Denkverbote

Moderiert haben den Nachmittag Seranie Wegener von der Servicestelle Jugendbeteiligung und Detlef Reinke, Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses. Besonders lebendig wurde es, als das Moderationsteam ein Gedankenspiel aufwarf: „Was würdet ihr mit 100.000 Euro für Hagen verändern?“ Die Ideen sprudelten: „Mehr attraktive Treffpunkte!“, „Ein Strandbereich im Volkspark!“, „Interessantere Geschäfte in der Innenstadt!“, aber auch: öffentliche Toiletten, kostenlose Yoga-Angebote, bessere Beleuchtung an Brennpunkten.

„Wir müssen Orte schaffen, die sicher, sauber, für alle zugänglich sind und an denen man etwas erleben kann – im besten Falle kostenlos.“

Eine Teilnehmerin

Ein Ort, an dem es vieles von dem, was sich die Jugendlichen wünschen, schon gibt, ist das TalentKolleg Ruhr. Die Einrichtung unterstützt Schülerinnen und Schüler ab Klasse 8 dabei, ihre schulischen und persönlichen Ziele zu entwickeln und zu erreichen. Neben Hausaufgabenhilfe und Lernangeboten gibt es dort Raum zum Treffen, Reden, Ausprobieren und einfach zum Chillen.

„Es ist ein Abhängen mit Perspektiventwicklung“, beschreibt es Pia Henneken, die Leiterin des TalentKollegs. „Wir wollen zeigen: Ihr seid es wert, dass wir euch Orte schaffen, an denen ihr euch wohlfühlt und weiterkommt.“ Dass das Kolleg bewusst in Wehringhausen angesiedelt ist, sei ein Signal: Man gehe dorthin, „wo es brennt“ – also in Stadtteile, in denen Jugendliche besonders von fehlenden Angeboten betroffen sind.

Zwischen Sicherheit und Freiheit

Auch das Thema Sicherheit zog sich durch die Diskussion. Andreas Beilein plädierte dafür, Angsträume wie den Volkspark nicht aufzugeben, sondern durch Belebung zurückzugewinnen. „Wenn Orte genutzt und mit Leben gefüllt werden, entsteht soziale Kontrolle. Das ist nachhaltiger als reine Überwachung.“ Zu viel Polizei oder Videoüberwachung könne auch abschreckend wirken, wichtiger seien Sauberkeit, Licht und das Gefühl, willkommen zu sein.

Am Ende stand die Erkenntnis: Hagen hat bereits viele Orte, doch sie müssen sichtbarer, attraktiver und vor allem gemeinsam mit Jugendlichen gestaltet werden. „Jugendbeteiligung bedeutet mehr, als Meinungen abzufragen“, fasste Christian Helbig zusammen. „Es bedeutet, Entscheidungsfreiheit zu geben und Räume gemeinsam zu entwickeln.“

 

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Sarah Müller | 08.09.2025