Die dunkle Seite globaler Lieferketten

Welche sozialen Probleme Batterien für Elektrofahrzeuge verursachen, beleuchtet Prof. Karsten Kieckhäfer am 10. Mai bei der Ringvorlesung „Energie, Umwelt & Nachhaltigkeit“.


Foto: Volker Viciok
„Beim Abbau von Kobalt im Kongo stehen zu Recht immer wieder soziale Missstände hinsichtlich Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Kinderarbeit im Fokus“, sagt FernUni-Prof. Karsten Kieckhäfer.

Globale Lieferketten geraten ins Wanken. Die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben uns gezeigt, wie leicht unser weltumspannendes Warennetz zerreißen kann. Störungen von Lieferketten und die damit zusammenhängenden Versorgungsengpässe werden uns auch in Zukunft beschäftigen, wenn Handelspartner und Unternehmen nicht gegensteuern. Auch aus ökologischer und sozialer Perspektive gibt es Handlungsbedarf, nicht zuletzt aufgrund des im Januar 2023 in Deutschland in Kraft getretenen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes.

Das Gesetz verpflichtet Unternehmen dazu, menschenrechtliche und umweltbezogene Mindeststandards in der gesamten Lieferkette einzuhalten – vom Rohstoff bis zum absatzfähigen Produkt. Im Dunkeln der vielschichtigen und stellenweise intransparenten Lieferbeziehungen bleiben oftmals insbesondere soziale Missstände verborgen. Vor diesem Hintergrund beleuchtet Prof. Dr. Karsten Kieckhäfer von der FernUniversität in Hagen am Mittwoch, 10. Mai, von 18 bis 20 Uhr aktuelle soziale Probleme, die mit globalen Lieferketten einhergehen.

Herr Professor Kieckhäfer, welche sozialen Probleme in globalen Lieferketten sind Ihrer Meinung nach die drängendsten?

Im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wird eine Vielzahl menschenrechtlicher Risiken genannt, die es zu vermeiden beziehungsweise vermindern gilt. Hierzu gehören unter anderem Kinderarbeit, Sklaverei, Zwangsarbeit, Missachtung von Arbeits- und Gesundheitsschutz, Ungleichbehandlung von Beschäftigten und das Vorenthalten eines angemessenen Lohns. Grundsätzlich sollten wir versuchen, all diese Probleme in den Griff zu bekommen. Welche Probleme am drängendsten sind, hängt stark von den lokalen Gegebenheiten am Ort der Wertschöpfung ab. Beispielsweise stehen beim Abbau von Kobalt im Kongo zu Recht immer wieder soziale Missstände hinsichtlich Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Kinderarbeit im Fokus.

Vortrag am 10. Mai

Über soziale Probleme in globalen Lieferketten spricht Prof. Karsten Kieckhäfer im Rahmen der Ringvorlesung „Energie, Umwelt & Nachhaltigkeit“ auf dem Hagener Campus am 10. Mai um 18 Uhr. Interessierte können sich noch bis zum 9. Mai anmelden.

Zur Anmeldung

Welche Instrumente können dazu beitragen, soziale Risiken zu identifizieren? Und welche Rolle könne Unternehmen dabei spielen?

Die Rolle der Unternehmen ist eindeutig: Ihnen obliegt es, die sozialen Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern aufzuspüren. Hierzu können klassische Instrumente des Supply-Chain-Risikomanagements eingesetzt werden, etwa Lieferantenaudits oder der Aufbau von Frühwarnsystemen. Auf welche sozialen Risiken überhaupt zu achten ist, gibt zum einen die Gesetzgebung vor. Zum anderen lohnt sich ein Blick in Richtlinien zur sozialen Nachhaltigkeitsbewertung von Produkten und Organisationen, zum Beispiel vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen.

Welche Maßnahmen stehen zur Verfügung, um diesen Risiken zu begegnen?

Zunächst gilt es, die identifizierten Risiken zu bewerten. Beispielsweise kann mithilfe von Methoden der sozialen Nachhaltigkeitsbewertung bestimmt werden, wie hoch die sozialen Risiken sind, eine gewisse Wertschöpfung in einem spezifischen Land und Sektor zu erzielen. Verknüpft man alle Sektoren und Länder, die an der Herstellung und dem Transport eines Produkts beteiligt sind, ergeben sich klare Hinweise darauf, wo die sozialen Missstände in der Lieferkette besonders groß sind. Um die sozialen Risiken zu mindern, können unter anderem alternative Lieferanten in die Lieferkette integriert werden, die soziale und ökologische Standards einhalten. Eine mindestens genauso große Rolle kommt der Entwicklung und Zertifizierung bestehender Lieferanten zu. Auch der Übergang von einer linearen Wirtschaftsweise hin zu einer Kreislaufwirtschaft kann in der Regel dazu beitragen, soziale Risiken abzuschwächen beziehungsweise zu vermeiden.

Der Hagener Forschungsschwerpunkt E/U/N versteht sich darauf, in seinen Ringvorlesungen brennende Fragen rund ums Klima aufzugreifen und aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Zuletzt berichtete der Freiburger Forstwissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Bauhus bei einer Waldvorlesung im Hagener Freilichtmuseum eindrucksvoll unter freiem Himmel über den Zustand unserer Wälder. Zum Campusfest 2022 konnte der Forschungsschwerpunkt den ARD-Wetterexperten Karsten Schwanke für einen unterhaltsamen wie schonungslosen Klima-Bericht nach Hagen holen.

 

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Sarah Müller | 03.05.2023