Politischer Salon: Neue Chancen für Hagen
Beim 18. Politischen Salon im Museumsquartier diskutierten Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur über Hagens Zukunft. Im Mittelpunkt: Oberbürgermeister Dennis Rehbein.
 Foto: FernUniversität
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    Mit 170 Besucherinnen und Besuchern war der letzte Politische Salon des Jahres so gut besucht wie nie zuvor. Die FernUniversität in Hagen, das Theater Hagen und das Emil Schumacher Museum hatten gemeinsam eingeladen, um über „Neue Chancen für Hagen“ zu sprechen. Hagen, das ist eine Stadt, die seit Jahren mit den Folgen des Strukturwandels ringt. Hohe Arbeitslosigkeit, schwieriger Wohnungsmarkt, Sanierungsstau in der Infrastruktur – Themen, die hier Alltag sind. Das Thema traf einen Nerv: Nur wenige Wochen nach der Kommunalwahl suchte die Stadtgesellschaft den Dialog über die Zukunft Hagens mit dem neu gewählten Oberbürgermeister Dennis Rehbein (CDU) auf dem Podium.
Dennis Rehbein selbst wurde vor der Amtsübernahme zu einer medial viel beachteten Figur: Sein Auftritt in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“, in dem er aus der Perspektive seiner Stadt über Probleme wie Sozialmissbrauch „Schrottimmobilien“ und „Angsträume“ wie Teile des Bahnhofsumfelds sprach, löste breite Resonanz aus. Die Berichterstattung machte Hagen zeitweilig bundesweit sichtbar. Unter anderem in einem SPIEGEL-Magazin-Beitrag, der das Thema „Armutsmigration“ und städtische Verfallszenarien betonte. Solche Darstellungen lösten in der Stadt und in der Region Debatten über Stigmatisierung, Ursachenforschung und politische Deutungshoheit aus: Kritiker warnten vor Vereinfachungen, andere sahen die Berichte als notwendige Mahnung gegenüber versäumter Politik.
Ein Abend, der Perspektiven bringt
Moderiert von Pia Henneken (TalentKolleg Ruhr Hagen) und Jens Helmecke, Leiter der Wirtschaftsredaktion der Westfalenpost, beginnt der Politische Salon daher mit einem analytischen Blick zurück. Jochen Klapheck, Abteilungsleiter für Statistik und Wahlen der Stadt Hagen, stellt die Ergebnisse der Kommunalwahl vor: eine Stichwahl, die bundesweit Aufmerksamkeit erregte, weil erstmals ein AfD-Kandidat in Hagen in die zweite Runde gelangte. Am Ende setzte sich Rehbein (CDU) klar durch.
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            Das Wahlergebnis, so Klapheck, sei Ausdruck einer Stadtgesellschaft im Umbruch und zugleich einer, die nach Orientierung suche. Diese Diagnose bildet den Hintergrund für die anschließende Diskussion auf dem Podium: Welche Chancen ergeben sich aus diesem Neustart? Und was braucht Hagen, um wieder Tritt zu fassen? Der neue Oberbürgermeister betont gleich zu Beginn, dass er die Erwartungen kennt: „Ich werde in fünf Jahren nicht alle Probleme gelöst haben“, sagt Rehbein, „aber wir müssen den Abwärtstrend aufhalten und Veränderungen im Alltag der Menschen erlebbar machen.“ Es ist ein Satz, der viel Zustimmung aus dem Publikum bekommt.
Seine Botschaft: Hagen soll wieder Zuversicht lernen. Nach Jahren der Negativschlagzeilen – über Armut, Integration oder den Zustand der Innenstadt – will er die Perspektive drehen. „Wir haben hier Potenzial, kluge Köpfe, starke Institutionen. Das müssen wir bündeln“, so Rehbein.
Kultur schafft Gemeinschaft
Den Auftakt der thematischen Runde bildet Søren Schuhmacher, Intendant des Theaters Hagen. Er beschreibt Kultur als sozialen Kitt einer Stadt, die sich neu erfinden will. „Wir müssen einen soziokulturellen Raum schaffen, in dem sich alle Menschen wiederfinden“, sagt er. Damit meint er auch ein Theater, das offen ist für Kooperationen, für neue Zielgruppen, für mehr Diversität.
Doch das gelingt nur mit stabiler Förderung. „Die freien Kulturzentren sind strukturell chronisch unterfinanziert“, mahnt Schuhmacher. Zugleich betont er, dass Kulturpolitik kein Luxus sei, sondern Teil der Stadtentwicklung. Der Applaus zeigt: Viele im Saal teilen diese Sicht.
Bildung als Fundament der Zukunft
Dann geht es um die Frage, wie Bildung in Hagen gerechter und zugänglicher werden kann. Claudia Schlempp, Leiterin der Kita St. Engelbert, schildert eindrücklich den Alltag in überfüllten Einrichtungen. „Wir brauchen mehr Fachkräfte, mehr Räume, mehr Unterstützung – und Kinder müssen Sprache lernen dürfen“, sagt sie. „Integration gelingt nur, wenn wir sie früh beginnen.“ Ihr Appell für mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung trifft auf Zustimmung.
„Wir wollen das demokratische Bewusstsein stärken und Bildung als gesellschaftliche Verantwortung begreifen.“
Prof. Dr. Osman Isfen
An ihrer Seite ergänzt Prof. Dr. Osman Isfen, Prorektor für Weiterbildung, wissenschaftliche Karrieren und gesellschaftliche Verantwortung der FernUniversität, die wissenschaftliche Perspektive: Bildung sei mehr als Wissenserwerb – sie sei demokratische Teilhabe. „Wir wollen das demokratische Bewusstsein stärken und Bildung als gesellschaftliche Verantwortung begreifen“, so Isfen. Die FernUniversität, sagt er, verstehe sich dabei als Partnerin der Stadt: mit Angeboten für Schulen, Lehrerfortbildungen und Projekten, die junge Menschen an Wissenschaft heranführen.
Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe
Kaum ein Thema bewegt Hagen so sehr wie der Arbeitsmarkt. Jens Mütze, 1. Bevollmächtigter der IG Metall, bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen mehr Flächen – und eine Wirtschaftsförderung, die Unternehmen wirklich unterstützt.“ Die Stadt habe Potenzial, aber es fehle an strategischer Planung und Investitionen. Als positives Beispiel nennt er den Zusammenhalt nach der Hochwasserkatastrophe 2021: „Da haben alle gezeigt, was Hagen kann.“
Winfried Bahn vom Unternehmerrat Hagen pflichtet ihm bei, betont aber auch die Verantwortung der Unternehmen selbst: „Wir müssen Menschen und Firmen von unserem Standort begeistern – ohne bürokratische Hürden, mit fairen Rahmenbedingungen.“ Wirtschaftsförderung, so sein Fazit, müsse Chefsache werden.
Ein Format, das verbindet
Im letzten Themenblock richtet sich der Blick auf die konkrete Zukunftsplanung. Marode Brücken, Problemviertel, Verkehrsengpässe – Rehbein benennt offen, dass die Liste der Aufgaben lang ist. „Ich will, dass die Menschen spüren: Da bewegt sich was“, sagt er. Als nach mehr als zwei Stunden die letzten Fragen gestellt sind, steht fest: Der Politische Salon ist längst mehr als eine Diskussionsreihe. Er ist ein Ort, an dem Hagen mit sich selbst ins Gespräch kommt – manchmal kritisch, sachlich, aber immer mit der Hoffnung auf Veränderung.
Kurzum: Hagen ist keine einfache Erfolgsgeschichte, aber auch keine Einbahnstraße ins Chaos. Ob die neue Spitze in Hagen nun konkrete, nachhaltige Lösungen vorlegt, soll die kommende Amtszeit zeigen.
 
                                 
                                 
                                




