„Das Potenzial für Empathie ist meist da“

Freude, Empörung, Mitgefühl. Welche Rolle spielen Emotionen für unser Zusammenleben? Das erforscht Prof. Helen Landmann. Von der FernUni wurde die Psychologin jetzt habilitiert.


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Psychologie und Protest: Helen Landmann erforscht auch die Rolle, die Emotionen in Bezug auf politischen Aktivismus spielen.

Migrationskrise, Coronakrise, Klimakrise – Prof. Dr. Helen Landmanns Forschung steht oft in Verbindung mit gesellschaftlichen Eruptionen. Mit einer negativen Sichtweise hat das jedoch wenig zu tun; im Gegenteil: „Das verbindende Element meiner psychologischen Forschung ist, dass mich die Rolle von Emotionen interessiert – vor allem für gutes Zusammenleben von Menschen.“ An der FernUniversität in Hagen hat die Psychologin nun ihre Venia Legendi erhalten. „Emotionen können uns signalisieren, was uns wichtig ist. Sie sagen uns, welche Werte wir haben. Sie können zum Handeln aktivieren und Brücken bauen.“

Habilitation in Hagen

Helen Landmann wurde im Februar 2025 von der FernUniversität habilitiert, wo sie ab 2016 im Lehrgebiet Community Psychology von Prof. Dr. Anette Rohmann als Forscherin und Dozentin tätig war. Bereits 2022 übernahm sie eine Vertretungsprofessur für Sozialpsychologie an der Universität Bremen. Im März 2024 folgte die Psychologin dann einem Ruf an die Universität Klagenfurt. Hier leitet sie als Professorin die Abteilung für Allgemeine Psychologie und das Environment and Community Lab. Mit der FernUni bleibt sie unter anderem durch ihre Beteiligung im Forschungsschwerpunkt Umwelt, Energie & Nachhaltigkeit (E/U/N) verbunden. So forschte sie unter anderem im interdisziplinären Projekt „Hemm-den-Wind“ zum Thema Emotionen und Windkraft.

Forschung, die etwas bewegt

Dass ihre akademische Arbeit einen echten gesellschaftlichen Impact hat, ist Helen Landmann sehr wichtig. „Ich hatte schon immer ein großes Interesse an der Anwendung meiner Forschung.“ Bemerkbar macht sich das an den Themen, die sie bearbeitet – so forschte sie zum Beispiel zum Einfluss von Emotionen in Bezug auf geflüchtete Menschen. Bereits in ihrer Promotionszeit gründete sie das Fachnetzwerk Sozialpsychologie zur Flucht und Integration. „Ich hatte den Eindruck, es gibt eine Kluft zwischen dem, womit wir uns in der Forschung beschäftigten, und dem, was in der Praxis gemacht wird“, erinnert sich Landmann. „An vielen Stellen wird nicht berücksichtigt, was die Forschung herausgefunden hat – umgekehrt wissen viele Forschende gar nicht, welche Probleme es eigentlich in der Praxis gibt.“

FernUni zur richtigen Zeit

Rückenwind für ihr Engagement bekam die Wissenschaftlerin in Hagen: „Für mich war der Start an der FernUniversität eine tolle Gelegenheit, meine Interessen an Emotionsforschung stärker mit Anwendungsforschung zu verbinden. Das Lehrgebiet Community Psychology von Anette Rohmann war genau der richtige Ort dafür.“ Hier entstanden zahlreiche Studien und Paper – viele davon gingen in Landmanns kumulative Habilitationsschrift ein. Unter anderem forschte sie dazu, was Menschen an Geflüchteten bedrohlich finden oder wie kollektiver Protest wie im Hambacher Forst dadurch angestoßen wird, dass Menschen bewegt und überwältigt sind von der Idee, gemeinsam etwas verändern zu können.

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Dekan der Fakultät für Psychologie Prof. Andreas Mokros (li.) und Prof. Dr. Anette Rohmann (re.) gratulieren Prof. Helen Landmann zur Venia Legendi.

Emotionen in der Krise?

Krieg, Pandemie, Erderwärmung, Populismus… In der letzten Dekade scheint sich die Weltlage schier zu überschlagen. Angesichts der vielen Bedrohungen betrachtet Helen Landmann auch wie sehr sich Menschen um die jeweiligen Themen sorgen. Schaffen sie es überhaupt noch, mit ihren Gefühlen auf alles zu reagieren? „Es gibt den Ansatz, dass sich die Krisen gegenseitig verdrängen – die ‚Finite Pool of Worry‘-These. Demnach haben wir nur eine begrenzte Kapazität, uns Sorgen zu machen“, erklärt die Expertin.

Allerdings äußert sie Zweifel an dieser Vorstellung: „Wenn man in der Bevölkerung gezielt nachfragt, ist es nicht so, dass etwa die Sorge über den Klimawandel im gleichen Maß nachgelassen hat, wie die Sorgen über andere Krisen zugenommen haben.“ Eher sieht die Forscherin das Problem in der Aufmerksamkeitsspanne: „Man kann eben nur an eine Sache gleichzeitig denken“. Komme das Thema Klima aber erneut auf den Tisch, sei auch die Sorge wieder voll da. „Die Aufmerksamkeit ist eben begrenzt, die Emotionen eher nicht.“

Informieren und koordinieren

Sorgen über Probleme sind das eine, gemeinsame Lösungen zu finden, das andere. Diesbezüglich gibt Helen Landmann die Hoffnung nicht auf – im Gegenteil: „Die meisten Menschen haben ein Interesse an einem guten Zusammenleben.“ Die eigentliche Herausforderung bestehe darin, dieses Potenzial gut zu koordinieren. „Man muss sich als Gesellschaft einigen – und ich hoffe, dass meine Arbeiten in der Habilitationsschrift dabei helfen, zu verstehen, wann wir uns solidarisch, empathisch und konstruktiv verhalten.“

Doch welche Maßnahmen leiten sich praktisch daraus ab? „Als Intervention ist es wichtig, weiter Aufklärungsarbeit zu leisten. Zum Beispiel wissen viele Menschen in Deutschland zwar viel über den Klimawandel, aber wenig über konkrete Effekte ihres Handelns.“ Im Kleinen verhalten sich die Dinge oft anders als viele denken. Die Sozialpsychologin nennt ein paar Beispiele: „Bioprodukte sind gut, aber noch wichtiger wäre es, uns auf lokale, fleischfreie Produkte zu konzentrieren. Das Licht auszuschalten ist gut, aber einen stärkeren Effekt hätte es, deutlich seltener neue Elektrogeräte wie Smartphones zu kaufen.“

Stereotype aufbrechen

Auch bestehende Stereotype gelte es zu durchbrechen, argumentiert Landmann und bleibt dafür beim Beispiel Nachhaltigkeit: „Diejenigen, die viele Leute als typische Ökos wahrnehmen, sind nicht unbedingt diejenigen, die in Sachen Nachhaltigkeit besonders gut abschneiden.“ Denn wer finanziell gut gestellt sei, der reist auch häufiger, wohnt auf größerer Fläche oder besitzt mehr elektronische Geräte. „Die Leute mit dem kleinsten ökologischen Fußabdruck sind in Deutschland wie international diejenigen, die wenig Geld zur Verfügung haben. Solche Verzerrungen sollten wir uns als Gesellschaft ins Bewusstsein rufen.“

Bildung sei hier nach wie vor der wichtigste Schlüssel. Grundsätzlich emotionaler kommunizieren, um gesellschaftliche Ziele zu erreichen, sollte man hingegen nicht – sonst rutsche man schnell in den Bereich von Propaganda ab, fürchtet Helen Landmann. „Emotionen passieren sowieso“, betont sie. „Besser wir konzentrieren uns auf die Informationen. Was die Leute dann damit machen, ist ihre Sache.“

 

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Benedikt Reuse | 29.04.2025