Der Einfluss von Medien auf die Energiepreise
Wie die Preise an den Märkten steigen und fallen, können wir in den Medien nachlesen. Doch ist die Rolle der Medien in dieser Beziehung wirklich nur reaktiv?
Vor ein paar Tagen lag der Heizölpreis noch bei gut 61 Dollar je 100 Liter, mittlerweile sind es knapp 58 Dollar. Wie die Preise an den Märkten steigen und fallen, können wir in den Medien nachlesen. Doch ist die Rolle der Medien in dieser Beziehung wirklich nur reaktiv? Bestimmen also die Geschehnisse an den Märkten die Berichterstattung? Oder hat die Stimmungslage, die beispielsweise in Zeitungsartikeln gezeichnet wird, vielleicht auch selbst Einfluss auf die Energiepreise für Verbraucher?

Diese Frage haben sich die FernUni-Wissenschafter:innen Dr. Jennifer Brunne, Prof. Dr. Joscha Beckmann (beide Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomie) und Prof. Dr. Robert Gaschler (Lehrgebiet Allgemeine Psychologie: Lernen, Motivation, Emotion) gestellt. Um sie zu beantworten, schauten sie sich die Preisentwicklungen von Benzin, Heizöl und Erdgas und entsprechende Berichterstattungen im Zeitraum 2006 bis 2021 an. Einbezogen haben sie sowohl Stimmungen in klassischen Zeitungsberichten als auch in den sozialen Medien. Ihre Ergebnisse haben sie in „Energy Economics“, einer führenden Zeitschrift im Bereich Energieökonomie, veröffentlicht. Die Gelder für das Projekt kamen zum Teil von der Europäischen Kommission.
Starke Emotionen haben starke Effekte
Dass Stimmungen für die Preisdynamik der Aktienmärkte eine Rolle spielen, ist in der Wirtschaftswissenschaft schon länger bekannt. „Wir haben herausgefunden, dass Stimmungslagen in Zeitungsartikeln – ob positiv oder negativ – auch einen deutlichen Einfluss auf die Preise von Benzin, Heizöl und Erdgas haben können“, fasst Jennifer Brunne ein zentrales Ergebnis zusammen. Wird in den Medien besonders viel berichtet, hat die Stimmungslage zudem noch einmal einen stärkeren Einfluss auf die Preise.

„Unsere Analyse stützt sich auf einen umfangreichen Datensatz, der verschiedene Stimmungsindikatoren enthält."
Dr. Jennifer Brunne
Der Fokus des Teams lag insbesondere auf der Rolle von Emotionen. „Unsere Analyse stützt sich auf einen umfangreichen Datensatz, der verschiedene Stimmungsindikatoren enthält, die starke Emotionen wie Freude, Angst, Optimismus und Pessimismus widerspiegeln“, so Brunne. Dabei haben sie festgestellt, dass eine emotionalere Berichterstattung mit größeren Preiseffekten einhergeht. Starke Emotionen in den Medien können also dazu führen, dass die Preise stärker steigen oder fallen, als es die objektiven wirtschaftlichen Daten rechtfertigen würden.
Wechselspiel zwischen Stimmungslage und Preisen
Bei ihren Untersuchungen haben die Forschenden das Problem miteinbezogen, dass die Kausalität zwischen Energiepreisen und Stimmungslage auch immer ein Wechselspiel sein kann: Besonders hohe oder niedrige Preise können Einfluss auf die Stimmungslage haben oder aus der Stimmungslage resultieren. „Um dieses Problem zu lösen, haben wir die Auswirkungen von Stimmungen auf tagesaktuelle Preisänderungen analysiert und auch die verzögerte Preisdynamik berücksichtigt“, erklärt Brunne.
So haben die Forschenden beispielsweise festgestellt, dass eine negative tagesaktuelle Berichterstattung kurzfristig zu einem Rückgang der Preise führen kann und positive zu einem Anstieg. Handelt es sich hingegen um eine optimistische zukunftsorientierte Berichterstattung, kann dies in der Zukunft zu einem Rückgang der Preise führen.

„Mediendaten können in manchen Perioden für Prognosen ein wichtiger Indikator sein.“
Prof. Dr. Joscha Beckmann
Soziale Medien sind für die Preisentwicklung irrelevant
Bei ihren Untersuchungen haben die Wissenschafter:innen zudem festgestellt, dass sich die Stimmung in klassischen und sozialen Medien mitunter erheblich voneinander unterscheiden. Dabei haben Sie herausgefunden, dass Zeitungsberichte einen Einfluss auf die Preisgestaltung haben können, soziale Medien hingegen kaum bis gar nicht. „Dies könnte daran liegen, dass die Stimmung in den sozialen Medien eher die Sichtweise der Verbraucher:innen als die der Investor:innen auf die Preise widerspiegelt“, gibt Jennifer Brunne eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz.
Am Ende ihres Papers haben die Forschenden ein Modell entwickelt, das als Basis für Prognosen dienen könnte. „Mediendaten können in manchen Perioden für Prognosen ein wichtiger Indikator sein“, erklärt Prof. Beckmann. Allein mit ihnen lasse sich aber keine exakte Vorhersage machen. „Unsere Ergebnisse sind leider keine Gelddruckmaschine“, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.
Zur Entstehung des Papers
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Beitrag aus dem FernUni-Newsletter @fernuni.
Erstautorin des Papers ist Dr. Jennifer Brunne. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Beckmann und studiert zeitgleich Psychologie an der FernUniversität. Das Paper war ein wichtiger Part in ihrer kumulativen Doktorarbeit, die sie Ende 2024 abgeschlossen hat. Die Nachwuchswissenschaftlerin hat zusammen mit den anderen Wissenschaftler:innen des Teams für das Paper über gut eineinhalb Jahre die Daten ausgewertet, analysiert und zusammengefasst. Die Idee für das Thema war zuvor im Team entstanden. Vernetzen konnten sich die Wirtschaftswissenschaftler:innen und der Psychologe unter anderem dank der Möglichkeiten, die der Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt & Nachhaltigkeit bietet. „Es ist eine sehr gute Plattform für den Austausch und hilft beim Entwickeln genau solcher interdisziplinären Projekte“, freut sich Joscha Beckmann. „An meinem Lehrstuhl befassen wir uns schon lange mit den Auswirkungen von Medienberichterstattungen auf Märkte. Im Austausch mit Robert Gaschler und Helen Landmann, die mittlerweile eine Professur an der Universität Klagenfurt angetreten hat, entstand die Idee, den psychologischen Aspekt miteinzubringen.“ Der Psychologe Gaschler erinnert sich noch, dass er sofort interessiert war: „Für uns ist das ein sehr interessanter Ansatz. Wir arbeiten sonst häufig mit kleinteiligen Experimenten. Hier konnten wir auf einen sehr großen Datensatz zurückgreifen und uns existierende Variationen anschauen, statt zu versuchen, im Labor welche zu erzeugen.“

„Wir nutzen einen Datensatz, um zu untersuchen, inwiefern Medieninhalte die Akzeptanz von Windenergieausbau beeinflussen.“
Prof. Dr. Robert Gaschler
Weitere Veröffentlichungen und Forschung in Planung
Der Ansatz kann auch auf weitere Fragestellungen angewandt werden, die im Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit relevant sind. Im interdisziplinären Projekt „Hemm den Wind“ geht es um Hemmnisse für den Windenergieausbau. In zwei Psychologie-Masterarbeiten an Gaschlers Lehrstuhl haben Studierende einen großen Datensatz zur Windenergie-Akzeptanz erhoben. „Diesen nutzen wir, um zu untersuchen, inwiefern Medieninhalte die Akzeptanz von Windenergieausbau beeinflussen“, erklärt Gaschler. „Interessant ist hierbei, dass in diesem Fall die Stimmung in den sozialen Medien einen stärkeren Zusammenhang zeigt als die in den klassischen Medien.“ Geplant ist, auch diese Ergebnisse in den kommenden Monaten zu veröffentlichen.
Außerdem fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung über einen Zeitraum von 18 Monaten mit 75.000 Euro ein Folgeprojekt von Prof. Beckmann. Es wird gemeinsam mit der SGH Warsaw School of Economics und der University of Macedonia durchgeführt.
- Paper „Media sentiment emotions and consumer energy prices“ | mehr
- Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit | mehr
- Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomie | mehr
- Lehrgebiet Allgemeine Psychologie: Lernen, Motivation, Emotion | mehr