Energy Sharing: Große Idee, kleine Schritte

Die Podiumsdiskussion des Netzwerks Energieeffizienz zeigte: Energy Sharing birgt Potenzial. Doch einfache Modelle, klare Regeln und bessere Kommunikation sind entscheidend.


Foto: FernUniversität
Die Expertenrunde des Netzwerks Energieeffizienz und Nachhaltigkeit im Austausch mit dem Publikum

Wie gerecht kann gemeinschaftlich erzeugter Strom verteilt werden? Macht Energy Sharing die Energiewende wirklich günstiger, oder weckt es nur Erwartungen, die keiner erfüllen kann? Und wer erklärt den Menschen eigentlich dieses neue Modell, das technisch klingt, aber sozial funktionieren muss? Mit genau diesen Fragen beschäftigte sich jetzt das Netzwerk Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an der FernUniversität in Hagen.

Rektor Prof. Dr. Stefan Stürmer erinnerte in seinem Grußwort daran, wie ernst die FernUni ihren gesellschaftlichen Auftrag nimmt: „Dieser Campus soll ein Ort sein, an dem Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft zusammenkommen.“ Genau dafür steht das Netzwerk Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, das jährlich zur Podiumsdiskussion lädt und vom Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt & Nachhaltigkeit (E/U/N) getragen und organisiert wird. Gekommen waren Experten aus Wissenschaft, Energiewirtschaft, Handwerk, Wohnungswirtschaft und Verbraucherschutz, um gemeinsam auszuloten, wie groß das Potenzial des Energy Sharings wirklich ist und welche Hürden noch bestehen.

Energy Sharing

Bei Energy Sharing schließen sich Bürger:innen, Vereine, Wohnungs-genossenschaften und andere nicht gewinnorientierte Akteursgruppen zusammen, um gemeinsam erzeugten erneuerbaren Strom – meist aus Photovoltaik – miteinander zu teilen. Der überschüssige Strom wird über das öffentliche Netz an andere Mitglieder der Gemeinschaft weitergegeben. Unternehmen dürfen grundsätzlich mitwirken, sofern ihre Rolle nicht überwiegend gewerblich geprägt ist.

Ein Abend voller Fragen, und erstaunlich viel Einigkeit

Unter der Moderation von Ralf Schaepe (Radio Hagen) diskutierte ein breit aufgestelltes Podium darüber, ob Energy Sharing einen echten Beitrag zur Energiewende leisten kann. Einigkeit herrschte schnell in einem Punkt: Die Idee ist gut, aber die Umsetzung komplex. Jun.-Prof. Dr. Michael Bucksteeg (Juniorprofessur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Energiewirtschaft) machte klar: „Energy Sharing macht die Energiewende erlebbar und stärkt lokale Gemeinschaften. Doch ohne faire Regeln droht eine Belastung verbleibender Netznutzer.“

Für das Handwerk liegt die Herausforderung vor allem in der Praxis. Marco Endruschat (Geschäftsführer der Joachim Beinhold GmbH) betonte: „Die Umsetzung ist zu kompliziert. Wir brauchen Leitlinien. Wenn man keinen Anreiz schafft, wird man es nicht flächendeckend einführen.“ Dass gerade ältere Gebäude und fehlende Infrastruktur digitaler Stromzähler, die den Verbrauch automatisiert und in kurzen Zeitintervallen erfassen und übermitteln, eine Hürde darstellen, bestätigten auch andere Experten.

Wirtschaftlichkeit und Recht zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Ebenfalls deutlich wurde: Energy Sharing ist kein Instrument, das Energie grundsätzlich billiger macht. Erik Höhne (ENERVIE Gruppe) brachte es unmissverständlich auf den Punkt: „Die Energiewende wird nicht dazu führen, dass die Energiepreise günstiger werden.“ Bei aller Sympathie für gemeinschaftliche Stromnutzung sei entscheidend, dass Modelle einfach gehalten werden, sonst übersteigen „die Prozesskosten den angestrebten Nutzen“.

Rechtlich ordnete Prof. Dr. Bernhard Kreße (Lehrstuhl für Energierecht) das Thema ein: „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden sich ändern – und auch die Netzentgeltsystematik. Aber der Eindruck, der in der öffentlichen Debatte entstanden ist, dass ständig die Gesetze umgeworfen werden, täuscht.“ Vor allem die neue gesetzliche Grundlage ermögliche erstmals verlässliche Strukturen, auch wenn viele Details noch ausgestaltet werden müssten.

Wohnungswirtschaft und Verbraucherschutz: Erwartungen im Alltag

Wie Energy Sharing in der Praxis aussehen könnte und wo Grenzen liegen, schilderte Michael Henseler (EWG Hagen eG): „Das Modell muss so einfach wie möglich sein. Wir brauchen praktikable Lösungen. Unsere Mieter wünschen sich Planungssicherheit und Ehrlichkeit.“

Auch aus Verbrauchersicht gilt: Transparenz ist unverzichtbar. Thomas Zwingmann (Verbraucherzentrale NRW) sagte: „Kommunikation ist der Schlüsselpunkt. Energiepolitische Themen werden entlang politischer Lager diskutiert. Wir brauchen gute Kommunikationsexperten, damit die Menschen verstehen, was möglich ist und was nicht.“

Kommunikation als entscheidender Erfolgsfaktor

Moderator Ralf Schaepe sprach außerdem ein Thema an, das sich wie ein roter Faden durch den Abend zog: Viele Missverständnisse entstehen nicht durch fehlende Technik, sondern durch unklare Botschaften. „Niemand fühlt sich zuständig, das ordentlich zu kommunizieren“, so Schaepe. Prof. Kreße ergänzte, dass informierende Internetseiten häufig zu vereinfachend seien. „Das ist irreführend den Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber.“

Für Jun.-Prof. Dr. Bucksteeg steht fest: Ohne klare Informationen und ohne Reduktion regulatorischer Komplexität werden Energiegemeinschaften nur für wenige attraktiv sein. Auch der Blick nach Österreich zeige, so Bucksteeg, dass „es einen Markt gibt, aber kaum Kostenvorteile“.

Große Bereitschaft und viel Arbeit

So unterschiedlich die Perspektiven auch waren, in den zentralen Punkten zeigte sich das Podium erstaunlich einig: Energy Sharing hat Potenzial, aber wird kein Massenphänomen. Die Energiewende wird Geld kosten, und zwar für alle. Modelle müssen einfacher, verständlicher und rechtssicher werden. Ohne bessere Kommunikation wird das Vertrauen der Menschen nicht wachsen. Gerade darin sieht der Forschungsschwerpunkt E/U/N seine Aufgabe: als Impulsgeber, Vermittler und Knotenpunkt zwischen Wissenschaft und Praxis.

Beim anschließenden Get-together nutzten viele die Gelegenheit, mit den anwesenden Experten weiter zu diskutieren, neue Kontakte zu knüpfen und nächste Schritte anzudenken. Denn klar wurde auch: Die besten Lösungen entstehen, wenn alle Perspektiven zusammenkommen – genau dafür ist das Netzwerk Energieeffizienz und Nachhaltigkeit da.

 

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Sarah Müller | 01.12.2025