Mehr Sicherheit für Flugzeuge

„ELA“ ermöglicht bei einem Triebswerksausfall das Gleiten zu einem sicheren Landeplatz. Der „Thermikassistent“ hilft Segelfliegern bei der Aufwindsuche. Beides ist auf der AERO zu sehen.


Zwei Entwicklungen am Lehrgebiet Rechnerarchitektur der FernUniversität in Hagen können das Fliegen sicherer machen: ein Flugassistenzsystem, das bei einem totalen Triebswerksausfall zum Einsatz kommt, um den Piloten ein sicheres Gleiten zu einem Notlandeplatz zu ermöglichen, und ein Asstenzsystem für Segelflieger, das ihnen das Erreichen größerer Höhen erleichtert. Präsentiert werden sie von Prof. Dr.-Ing. Wolfram Schiffmann auf der Internationalen Fachmesse für Allgemeine Luftfahrt AERO vom 5. bis 8. April 2017 in Friedrichshafen.

Emergency Landing Assistant (ELA)

Der Airbus von US-Airways schwimmt nach der Notwasserung auf dem Hudson River in New York. auf den Flügel stehen Menschen. Foto: Wikimedia/Greg L.
Der Airbus von US-Airways nach der Notwasserung auf dem Hudson in New York

Der 15. Januar 2009 war der Tag, an dem Chesley B. Sullenberger weltberühmt wurde: Dem Flugkapitän gelang nach einem Gleitflug mit seinem Airbus A320 eine Notwasserung auf dem Hudson River, nachdem über New York durch Vogelschlag beide Triebwerke ausgefallen waren. Alle 155 Menschen an Bord wurden gerettet. Eine wichtige Hilfe bei diesem Horrorflug hätte ein Flugassistenzsystem sein können, das Piloten bei einem totalen Triebwerksausfall dabei unterstützt, sicher notzulanden. Der am Lehrgebiet Rechnerarchitektur der FernUniversität in Hagen entwickelte Emergency Landing Assistant (ELA) bietet eine Entscheidungs- und eine Navigationshilfe, um das Flugzeug im Gleitflug genau an den Anfang eines Bereiches zu steuern, wo eine sichere Notlandung möglich ist.

Professor Wolfram Schiffmann an seinem Schreibtisch mit Grafiken, die den möglichen Rückweg des Flugzeugs über New York zeigen. Foto: FernUniversität
Prof. Wolfram Schiffmann (um die vordere Grafik mit dem Rückflugweg, den ELA angezeigt hätte, groß zu sehen auf das Bild klicken - das Unfallereignis ist dort oben links, der Flughafen unten rechts dargestellt, außerdem werden die Höhen des Gleitfluges angezeigt)

Jedes Flugzeug kann ohne Triebwerke im Gleitflug weiterfliegen. Das Problem ist zunächst, zu entscheiden, wo im Notfall der beste Landeplatz ist. Hierbei unterstützt eine von Prof. Wolfram Schiffmann selbst entwickelte Datenbank den Piloten. Sie sucht dabei ständig Alternativen. Zudem berechnet ELA – der im Rahmen einer Bachelor-Arbeit des FernUni-Studenten Jürgen Vörding als App für ein Android-Tablet entwickelt wurde – den optimalen Energieeinsatz: Beim Gleitflug geht es nicht nur um die Entfernung, sondern auch um Flughöhe, Sinkgeschwindigkeit und Landewinkel. Prof. Wolfram Schiffmann, der ebenso wie Vörding Pilot ist: „Wegen der vielen zu berücksichtigenden Parameter sind die Berechnungen höchst komplex.“

Wie wichtig die Unterstützung bei der Entscheidung für einen Notlandeplatz ist, zeigten die Untersuchungen nach dem 15. Januar 2009: „Sullenberger entschloss sich binnen Sekunden für die Notwasserung. Er konnte den Hudson sehen, als die Triebwerke ausfielen. In seiner Situation eine absolut richtige Entscheidung! Später ergab sich jedoch, dass auch die Rückkehr zum Flughafen LaGuardia in New York möglich war. Doch dafür fehlten Sullenberger die Informationen. Unsere Simulationen zeigten ebenfalls, dass er dorthin gekommen wäre: ELA hätte ihm LaGuardia als sichersten Notlandeplatz vorgeschlagen und ihn dorthin navigiert.“

Das Navigationssystem kann sogar mit dem Autopiloten verbunden werden, dadurch hätte der Pilot nach der Entscheidung für das neue Ziel zum Beispiel mehr Zeit für die Kommunikation mit der Flugsicherung. Die Landung führt der Pilot aber wieder selbst durch. Grundsätzlich eignet sich das System über den Einsatz in Verkehrsmaschinen hinaus auch für kleinere Typen bis hin zu Ultraleichtflugzeugen.


App: Thermikassistent für den Segelflug

Durch warme Winde nach oben, nicht durch Motorkraft: Das ist Grundprinzip des Segelfliegens. Dafür suchen sich die Pilotinnen und Piloten von Segelflugzeugen aufsteigende Luftströmungen. Um ihnen die Suche nach diesen Aufwinden zu erleichtern, wurde am Lehrgebiet Rechnerarchitektur ein Thermikassistent für den Segelflug entwickelt. Mit Hilfe einer sowohl zwei- als auch dreidimensionalen App können Thermiken automatisiert erkannt werden, wenn sie durchflogen werden.

Dafür ist die Kopplung an ein entsprechendes Messsystem, ein Variometer, notwendig. Die Apps wurden in zwei Studienabschlussarbeiten entwickelt. „Zahlreiche neue Handys haben bereits einen Drucksensor integriert, den wir nutzen können“, erläutert Prof. Wolfram Schiffmann.

Ein Segelflugzeug in der Luft Foto: Wikipedia Commons/Paul Haliday
Segelflugzeug-Piloten suchen Thermiken, mit denen sie Höhe gewinnen können.

Die notwendigen Informationen über Steigen und Sinken liefert ein Total Energiekompensiertes Variometer: Dem statischen Luftdruck, der der Höhenmessung dient, wird ein geschwindigkeitsabhängiger Unterdruck überlagert, so dass die Höhenänderung in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt werden kann (z.B. x Fuß Steigen bzw. Sinken pro Minute). Ein Segelflugzeug sinkt jedoch nur. Ausnahme: Es fliegt in eine Thermik, deren Steigung größer ist als das Sinken des Flugzeugs.

Findet ein Pilot eine Thermik, dreht er das Flugzeug in sie hinein, um sich kreisförmig in größere Höhe tragen zu lassen. „Dabei verliert man jedoch leicht die Orientierung darüber, wo die Thermik ist“, erläutert der Professor mit Pilotenschein für Motorflugzeuge.

Mit einem Total Energiekompensierten Variometer wird bestimmt, welchen Anteil die Thermik am Steigen des Segelfliegers hat. Seine hierzu gefundenen Daten hat Prof. Schiffmann dem Dortmunder Software-Spezialisten AppPilots GmbH & Co. KG zur Verfügung gestellt, deren Geschäftsführer Kevin Beyer selbst Segelflieger ist. AppPilots hat Schiffmanns Gleichungen in ein iPhone integriert und eine ansprechende graphische Darstellung der damit gemessen Thermik realisiert. „Je länger das Segelflugzeug in der Thermik kreist, desto aussagefähiger ist die Anzeige auf dem Display und desto besser das Bild, das sich der Pilot von der Thermik machen kann. So kann er sie viel besser ausnutzen, um nach oben zu kommen“, erläutert Schiffmann. „Unsere Entwicklung kann auch für Drohnen und Flugzeuge genutzt werden. Wir haben sogar einen Autopiloten entwickelt, der sie selbstständig ‚hochkurbeln‘ kann.“

AERO-Messe in Friedrichshafen

Prof. Schiffmann präsentiert den Notlandeassistenten ELA gemeinsam mit Jürgen Vörding auf der AERO 2017, Stand FW-BP04, Messe Friedrichshafen, Neue Messe 1, 88046 Friedrichshafen.

Der Thermikassistent ist mit einem Flugsimulator auf dem Stand FW-BP03 der AERO zu finden.

Gerd Dapprich | 21.02.2017