Rendezvous mit Eichhörnchen: Als Proband beim Multitasking-Experiment

Seinen Arbeitsplatz in der FernUni-Pressestelle gegen einen Stuhl im Labor des Instituts für Psychologie getauscht hat Benedikt Reuse: Seine Multitasking-Fähigkeit wurde getestet.


Benedikt Reuse mit Headset vor einem PC im Multitasking-Labor
Auf Tasten tippen, ins Headset sprechen: Als Proband musste Benedikt Reuse mehrere Eingabegeräte gleichzeitig bedienen. (Foto: FernUniversität, Christina Weckwerth)

Ich sitze in einem kleinen Raum. Hier gibt es nichts weiter als Schreibtisch, Computer, Stuhl und Deckenbeleuchtung. Den Blick durch ein Fenster ins Nebenzimmer versperrt eine Jalousie. Auf meinem Kopf klemmt ein Headset. Dann schließt sich hinter mir die Tür; es geht los.

Was sich ein wenig so anhört wie ein Job im Callcenter, dient in Wahrheit der Wissenschaft. Eigentlich arbeite ich in der Pressestelle der FernUniversität in Hagen. Heute jedoch nehme ich als „Versuchsobjekt“ an einem psychologischen Experiment auf dem Campus teil. Natürlich ist der Test völlig ungefährlich für mich, wenngleich mit ein bisschen Stress verbunden: Ich soll mehrere Dinge gleichzeitig erledigen.

Das Multitasking-Labor auf dem Campus der FernUniversität wird von Prof. Dr. Robert Gaschler und seinem Team in Kooperation mit Prof. Dr. Hilde Haider von der Universität Köln betrieben. Prof. Gaschler leitet das Lehrgebiet „Allgemeine Psychologie: Lernen, Motivation, Emotion“ und möchte in einer Reihe von Experimenten herausfinden, unter welchen Umständen Multitasking besser gelingt.

Parallele Aufgaben

Mit zwei einsatzbereiten Fingern auf der Tastatur beobachte ich den Monitor. „Zuerst kommt das ‚Eichhörnchen‘-Experiment“, hat mir Christina Weckwerth im Vorfeld erklärt. Die Studentische Hilfskraft ist heute meine Versuchsleiterin und überwacht den Versuch von einem Nebenzimmer aus. Erst während der Aufgabe erschließt sich, was Eichhörnchen mit Multitasking zu tun haben sollen: Als Testperson wird mir ein Referenzobjekt genannt, etwa ein Fahrrad. In zügiger Reihenfolge erscheinen nun Bilder von Gegenständen und Tieren auf dem Bildschirm – so taucht zum Beispiel das namensgebende Eichhörnchen auf. Ich muss per Tastendruck angeben, ob das Gezeigte größer oder kleiner ist als mein Bezugspunkt. In diesem Fall wäre die richtige Antwort also: „Ein Eichhörnchen ist kleiner als ein Fahrrad.“ Nachdem ich diesen Ablauf mehrere Runden üben kann, überlagert eine zweite Aufgabe die erste. Durch das Headset dringen tiefe und hohe Töne, auf die ich mit den gesprochenen Worten „tief“ oder „hoch“ reagieren soll – zusammen mit dem Tastendrücken ist das gar nicht so einfach!

Christina Weckwerth an ihrem Arbeitsplatz im Multitasking-Labor
Auch eine Art Multitasking: Die Versuchsleiterin Christina Weckwerth koordinierte gleich mehrere Experimente im Labor. (Foto: FernUniversität, Pressestelle)

Verbesserung durch Lernen?

Zeitlich komme ich ganz gut hin – dafür mache ich einige Fehler, über die ich mich ärgere. Natürlich ist das völlig unnötig. Schließlich ist das Experiment kein Wettbewerb, sondern soll gerade zeigen, wann Multitasking schlechter oder besser funktioniert. „Wir wollen aktuell herausfinden, ob es den Probandinnen und Probanden durch Übungseffekte leichter fällt, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen“, klärt mich Christina Weckwerth in der Pause nach dem Versuch auf. Dann fragt sie: „Haben Sie noch Energie für ein zweites Experiment?“ Ja, habe ich – außerdem bin ich neugierig.

Beim zweiten Test wird mir klar, was Christina Weckwerth mit „Übungseffekt“ meint. Auf dem Monitor erscheinen Buchstaben, die ich so schnell es geht auf der Tastatur drücken soll. Nach einer Weile werde ich richtig flink dabei. Sicher hat das mit einem Lernvorgang in meinem Gehirn zu tun. Erst nach einigen Runden kommt die zweite Aufgabe hinzu: Ich muss nun parallel zu den Buchstaben auch noch auf Zahlen reagieren. Dass mir meine Fehlerbilanz und die Zeit nach jedem Abschnitt angezeigt werden, erinnert mich rudimentär an Videospiele aus Kindheitstagen. Nach kurzer Eingewöhnung werde ich regelrecht ehrgeizig. Obwohl es niemand von mir verlangt, versuche ich Runde für Runde, meinen eigenen „Highscore“ zu überbieten und erziele tatsächlich bessere Resultate.

Zumindest mein subjektiver Eindruck bestätigt die Annahme, dass Routine beim Multitasking hilft. Ob das wirklich der Fall ist, wird sich erst nach der Auswertung einer langen Reihe von Experimenten zeigen. Neben dem Übungseffekt möchte das Team um Prof. Gaschler noch andere Bedingungen testen, die sich positiv auf die Fähigkeit zum Multitasking auswirken könnten. Als „Versuchskaninchen“ bin ich gerne ein weiteres Mal dabei – schon deshalb, weil ich sehr gespannt auf die finalen Forschungsergebnisse bin.

Weitere Freiwillige gesucht

Für die Versuche auf dem Hagener Campus werden noch Teilnehmende gesucht – gerne mit Interesse an Wissenschaft. Dabei ist nicht wichtig, besonders fähig zum Multitasking zu sein. Die Tests sind einfach gestaltet und finden an gewöhnlichen Computern statt. Die Teilnahme dauert etwa zwei Stunden. Es wird eine Aufwandsentschädigung gezahlt. Psychologie-Studierende der FernUniversität können alternativ auch Versuchspersonenstunden gutgeschrieben bekommen.

Benedikt Reuse | 24.08.2017