Das Verhältnis von Bildung und Technik.

Privatdozent Dr. Markus Deimann warnt in seiner Antrittsvorlesung vor zu viel Technikdeterminismus: „Wir brauchen die Bildungswissenschaft als Korrektiv.“


Ein Mann steht an einem Redepult in einem Saal, vor ihm sitzen Menschen in Stuhlreihen.
Wissenschaftler Dr. Markus Deimann plädiert für einen kritischen Umgang mit Bildungstechnologien. (Foto: FernUniversität)

Privatdozent Dr. Markus Deimann ist „wissenschaftlich auf der Suche“: auf der Suche nach dem Verhältnis von Bildung und Technik. Der Wissenschaftler ist der FernUniversität besonders verbunden. Zehn Jahre arbeitete Deimann als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Akademischer Rat bei Prof. Dr. Theo Bastiaens im Lehrgebiet Mediendidaktik. Nach seiner Habilitationsschrift folgte jetzt die Antrittsvorlesung an der FernUniversität in Hagen.

Darin stellte Deimann keine wissenschaftliche These auf, sondern spickte seinen Vortrag mit Impulsen. „Ich möchte anregen und provozieren. Vor allem möchte ich zu einem kritischen Umgang mit Digitalisierung aufrufen.“ Sein Appell ist dabei an das eigene Fach gerichtet: an die Bildungswissenschaft.

Korrektiv erforderlich

Sie ruft Deimann dazu auf, „der Großbaustelle Digitalisierung ein Korrektiv gegenüberzustellen“. Statt das Silicon Valley – als Metapher für einen „Plattformkapitalismus“ und Technikhype – zu glorifizieren, sollte (auch) die Bildungswissenschaft den Nutzen von technischen Geräten hinterfragen und prüfen.

Grafik eines Computermonitors mit Werkzeugen wie Schraubendreher und Schraubenschlüssel.
(Grafik: Thinkstock, pixlalex)

Dabei verdammt Deimann Technik und Fortschritt keineswegs: „Ich plädiere allerdings dafür, innezuhalten und zu reflektieren. Durch die rasanten technologischen Entwicklungen begeben wir uns sonst in eine gefährliche Abhängigkeit.“ Seine Linie sucht Deimann zwischen den „Totalverweigerern“ und den „Radikaloptimisten“: Nicht nur die Schnelligkeit des Mikroprozessors sollte den Ausschlag geben, auch der didaktische Nutzen spielt eine Rolle.

Als Vertreter einer solchen Mitte gilt für Deimann der Schweizer Wissenschaftler Prof. Dr. Felix Stalder. Stalder zeigt in seiner Theorie „Kultur der Digitalität“, wie man mit Technologien einen Mehrwert erzeugen und Sinn stiften kann. Digitale Werkzeuge erhöhen etwa den offenen Austausch von Wissen und Fertigkeiten. Darin sorgen Algorithmen für Orientierung.

Plädoyer für Vielfalt

„Was wir brauchen, ist ein Leitfaden.“ Denn durch die Digitalisierung von Bildungsprozessen verschiebt sich die Verantwortlichkeit fürs Lernen hin zu den Lernenden, weg von den Lehrenden. „Das Smartphone hat unseren Zugang zur Welt verändert. Smartphones haben Bücher abgelöst“, skizziert Deimann, der derzeit als Head of Research an der Fachhochschule Lübeck arbeitet. „Damit haben sich Bildungsprozesse verändert.“

Ist das Format E-Book kein Ersatz!? Da kommen Deimann Zweifel. Nimmt man Bibliotheken als Quelle für Bücher, dienen diese nicht nur der Infrastruktur, sie sind gleichzeitig auch Orte des Austausches. „Außerdem mache ich die physische Erfahrung der Buchausleihe und, viel wichtiger, gucke mal rechts und links im Regal.“ Doch damit spricht sich der Bildungswissenschaftler nicht gegen das Format E-Book aus. „Ich plädiere für eine Vielfalt und eben dafür, den Nutzen individuell abzuwägen.“

Anja Wetter | 17.10.2017