Gezielte Starthilfe für Beruflich Qualifizierte

Unterstützung für den Studienbeginn sorgt vor allem bei Studierenden ohne Hochschulzugangsberechtigung für mehr Zufriedenheit. Auch traditionell Studierende profitieren.


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Das passende Werkzeug zum Studienstart gibt die FernUni beruflich Qualifizierten an die Hand.

Als das Projekt vor drei Jahren startete, war „lediglich“ die Ausgangslage klar: Die Hochschulen berücksichtigen nicht ausreichend, welche Bedarfe Studierende mit beruflicher Qualifizierung haben und unterstützen diese insbesondere zum Start ins Studium zu wenig. Dabei gehört gerade die Gruppe ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung zu einer wachsenden Zielgruppe.

„Es fehlte an Erkenntnissen, welche konkrete Unterstützung die so genannten Beruflich Qualifizierten benötigen“, sagt Prof. Dr. Uwe Elsholz vom Lehrgebiet Lebenslanges Lernen an der FernUniversität in Hagen. Der Bildungswissenschaftler hatte die Leitung für das drei Jahre laufende Projekt „Ein fakultätsübergreifendes Konzept für die Studieneingangsphase Beruflich Qualifizierter (BQ)“, an dem sich die vier Fakultäten der Hagener Hochschule beteiligt haben. Ende November lief die Projektphase ab.

Konkrete Kurse

In Mathematik und Informatik ist ein Brückenkurs konzipiert worden, der auf mathematisches Hochschulwissen vorbereitet. In Wirtschaftswissenschaft wurde eine multimediale Übung überarbeitet und auf Moodle als neu eingeführtes Lernmanagementsystem verankert. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät hat im Lehrplan einen Kurs für juristisches Schreiben im Gutachtenstil aufgenommen.

„Den beruflich qualifizierten Studierenden fehlen vor allem Fähigkeiten, die man für einen strukturierten Umgang mit Texten benötigt – und die zumeist in der Oberstufe vermittelt werden“, fasst Denise Brückner aus dem Lehrgebiet Lebenslanges Lernen zusammen. Die Bildungswissenschaftlerin hat das BQ-Projekt wissenschaftlich begleitet.

Die BQ benötigen einen Kurs, der in engem Bezug zum Studium steht.

Denise Brückner, Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Für den Bachelor Bildungswissenschaft gibt es neben einer Kurzanleitung zum Studiengang, die die wichtigsten Informationen zusammenfasst, die App „Re:flect FU“. Die App stellt unter anderem Fragen zur Selbstreflexion, beinhaltet eine Kalenderfunktion, erinnert an Termine und erhebt qualitative Daten dazu, wie BQ ihr berufliches Vorwissen ins Studium einbringen können. „Das Know-how daraus kann auch anderen Lehrgebieten weiterhelfen“, weist Brückner auf die Nachhaltigkeit des BQ-Projektes hin.

Probleme zu Studienbeginn

In die neuen Konzepte für die Studieneingangsphase sind Erkenntnisse über die nicht traditionell Studierenden eingeflossen. Sie haben vor allem Schwierigkeiten in der Übergangsphase ins Studium. Dazu kommt: Im Joballtag ist Praxiswissen gefragt, an den Unis werden sie vor allem mit theoriebasierten Wissenskonzepten konfrontiert. Statt Erfahrung zählt hier Abstraktionsvermögen, systematisches akademisches Lernen steht dem beruflichen Lernen gegenüber. In der Regel liegen außerdem Lernphasen der nicht-traditionell Studierenden länger zurück und ihnen fehlt eben häufig das Wissen aus der gymnasialen Oberstufe.

Angebote auch für andere Lehrgebiete

Um dieses fehlende Wissen auszugleichen und den BQ Starthilfe ins Studium zu geben, haben alle am Projekt beteiligten Lehrgebiete Unterstützungsangebote entwickelt, eingesetzt und evaluiert. „Die Konzepte werden nun in der Lehre verstetigt und stehen auch für andere Lehrgebiete zur Verfügung“, so Brückner. Als wesentlichen Erfolgsfaktor macht sie aus: „Die lehrgebiets- und fakultätsübergreifende Kommunikationsstruktur hat für einen guten und verbindlichen fachlichen wie persönlichen Austausch gesorgt. Das hat sich sehr positiv ausgewirkt.“

Davon profitiert nicht nur das BQ-Projekt selbst: Viele Projektbeteiligte arbeiten auch im Diversitäts-Audit mit und bringen ihr Know-how dort ein. „Diese personellen Querverbindungen verleihen dem Thema Diversität einen Extraschub, der einen Beitrag zur gesamten Hochschulentwicklung leistet“, sagt Elsholz.

Studienerfolg positiv beeinflussen

Ein weiteres Fazit aus der wissenschaftlichen Begleitung lautet: „Die BQ benötigen nicht einen weiteren Kurs mehr zu einem bestimmten Thema“, hebt Denise Brückner hervor, „sondern einen Kurs, der in engem Bezug zum Studium steht. Entscheidend ist, dass die Angebote transparent sind.“ Insgesamt seien die BQ zufriedener im Studium, seit es zusätzliche Angebote gebe. „Insbesondere die Einführung in die fachliche Sprache und ins fachliche Denken, die Enkulturation, werden gut angenommen“, ergänzt Elsholz.

  • Im Rahmen der wissenschaftlichen Analyse ist bereits ein Sammelband erschienen, der über aktuelle Studien informiert, den Forschungsstand präsentiert und Biografien von Studierenden auf dem Dritten Bildungsweg nachzeichnet. Herausforderungen in bildungspolitischer, in didaktisch-curricularer und theoretischer Hinsicht werden ebenso beschrieben wie offene Forschungs- und Entwicklungsfragen.

    Die FernUniversität hat bundesweit die meiste Erfahrung mit Beruflich Qualifizierten. Ihr Anteil beträgt an der Hagener Hochschule elf Prozent, während sich bundesweit im Schnitt nur drei Prozent der Studierenden ohne Abitur einschreiben. In absoluten Zahlen liegt die FernUniversität bei rund 7.600 Studierenden, die über ihre Berufserfahrung ins Studium starten. Sie konzentrieren sich nicht in einzelnen Fächern, sondern verteilen sich auf die vier Fakultäten der FernUniversität, insbesondere als Studienanfänger.

Anja Wetter | 07.12.2017