Eine neue Seite an Schopenhauer

Das Interesse des deutschen Philosophen an Mathematik, Logik und Sprache ist bisher kaum bekannt. Eine Fachtagung auf dem Hagener Campus hat nun ein Schlaglicht darauf geworfen.


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Wer sein Gesamtwerk auf negative Schlagworte wie Lebensverneinung oder Irrationalismus herunterbricht, tut Arthur Schopenhauer Unrecht.

Für Arthur Schopenhauer war die Welt kein harmonischer Ort, sondern vom unaufhörlichen Daseinskampf aller Lebewesen geprägt. Sein Werk wird oft auf düster anmutende Sichtweisen wie diese reduziert. Der Ruf des „Pessimisten“ haftet ihm an. Jetzt hat eine Fachtagung auf dem Campus der FernUniversität in Hagen gezeigt, wieviel mehr der Denker abseits gängiger Pauschalurteile zu bieten hat. An zwei Tagen standen die „Mathematik, Logik und Sprache bei Schopenhauer“ im Mittelpunkt von Diskussionen und Vorträgen. Dr. Jens Lemanski vom Lehrstuhl Philosophie I (Prof. Dr. Hubertus Busche) organisierte das Treffen federführend. Aus sieben Nationen kamen Forschende der Philosophie, Mathematik, Linguistik und Informatik.

Selbst in akademischen Kreisen war bis vor wenigen Jahren kaum bekannt, dass sich Schopenhauer auch mit rationalen Themen wie mathematischen Beweisverfahren oder moderner Semantik auseinandersetzte. Häufig nutzte er Diagramme, um schwierige Probleme der Geometrie, Logik und Sprachphilosophie aufzuarbeiten. „Diese Methode ist heute wieder von großem Interesse, da sie auch in modernen Computertechnologien vielfach Anwendung findet“, erklärt Dr. Lemanski die gesteigerte Aufmerksamkeit für Schopenhauers Ansätze.

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Jean-Yves Béziau (li.) hat als Logiker einen Zugang zu Schopenhauer gefunden. Auch Amirouche Moktefi (re.) setzt sich in seiner Forschung mit den Logik-Diagrammen des Philosophen auseinander.

Drei Blickwinkel

In den drei Sektionen Sprache, Mathematik und Logik hielten insgesamt 12 Experten Vorträge. So fragte Prof. Dr. Allan Janik (Wien/Innsbruck) nach Schopenhauers Einfluss auf den Philosophen Ludwig Wittgenstein. Bezüge der zeitgenössischen Mathematik zu Schopenhauers Werk thematisierten unter anderem Prof. Dr. Werner Kirsch, Leiter des FernUni-Lehrgebiets Stochastik, und Dr. Jason Costanzo (Missouri). Weit gereist waren auch Dr. Amirouche Moktefi (Tallinn) und Prof. Dr. Dr. Jean-Yves Béziau (Rio de Janeiro). In ihren Beiträgen sprachen sie über Schopenhauers Ideen zur Logik. Aus Sichtweise der analytischen Philosophie diskutierten Prof. Dr. Hans-Johann Glock und Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Birnbacher über die Sprachphilosophie Schopenhauers. Zum Ende der Tagung fasste eine ausführliche Abschlussdiskussion die gewonnenen Erkenntnisse zusammen.

Benedikt Reuse | 12.12.2017