Der Wolf im Menschen

Was entscheidet darüber, wie wir uns verhalten, was trennt Gut und Böse? Das ist eine der Leitfragen im Lehrgebiet Persönlichkeitspsychologie, Diagnostik und Beratung der FernUni.


Sechs Personen sitzen um einen Tisch. Foto: FernUniversität
Das Team: (v.li.) Prof. Andreas Mokros, Jonas Krüppel, Julien Wessels, Teamassistentin Alison Lunkeit, Sabrina Schneider und Dahlnym L. Yoon

„Wir untersuchen, ob es Persönlichkeitseigenschaften gibt, die einen Einfluss darauf haben, dass jemand böse handelt“, präzisiert Prof. Dr. Andreas Mokros. Mit seinem Team aus dem Lehrgebiet Persönlichkeitspsychologie, Diagnostik und Beratung beschäftigt Mokros sich mit der sogenannten Dunklen Tetrade – mit Persönlichkeitseigenschaften, die als problematisch gelten: Psychopathie, Narzissmus, Machiavellismus und Charaktersadismus.

In Anlehnung daran bezeichnen sich die Wisseschaftlerinnen und Wissenschaftler augenzwinkernd als „Darth Lab“ (kurz für: Dark Tetrad Assessment & Research Team Hagen). Das Team und dessen Arbeitsschwerpunkte stellte Mokros auch im Rahmen seiner Antrittsvorlesung vor (s. Videoplayer).

Die Grundannahme im „Darth Lab“ lautet: Menschen mit besonders hohen Ausprägungen in den sogenannten „dunklen Persönlichkeitsmerkmalen“ verhalten sich eher rücksichtslos und begehen auch häufiger Straftaten. „Psychopathen etwa“, skizziert Mokros, „können die Emotionen anderer durchaus erkennen. Aber die Gefühle anderer spielen für ihre persönliche Handlungssteuerung keine nennenswerte Rolle. Sie sind daher überdurchschnittlich aggressiv und kriminell.“ Für ihre Untersuchungen zieht die Forschungsgruppe deshalb auch männliche Straftäter aus dem Justiz- und Maßregelvollzug heran.

Schnittstelle zur Diagnostik

Mit Persönlichkeitspsychologie beschäftigt sich Jonas Krüppel, der direkt nach seinem Studium 2017 in Mokros‘ Team eingestiegen ist. Krüppel bewegt sich für sein Promotionsvorhaben an der Schnittstelle zur Diagnostik. „Mich interessiert der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und abweichendem Verhalten, etwa antisozialem, unmoralischem oder kriminellem.“

In der Wissenschaft hat sich die Annahme etabliert, dass der für Gefühle und Moral zuständige Bereich des Gehirns bei hoch-psychopathischen Straftätern auffällig zurückgebildet ist. „Das versuche ich über Verfahren messbar zu machen, die nicht auf Fragebögen basieren, sondern beispielsweise Reaktionszeiten von Probanden erfassen.“ Er möchte herausfinden, ob man mit indirekten Messverfahren aufgrund von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten ziehen kann.

Außerdem befasst sich Krüppel mit extremistischem Denken und Risikofaktoren für Radikalisierung und nutzt dafür die besondere Infrastruktur der FernUni für Online-Studien.

Aus unserer Podcast-Reihe „Vorgestellt“: Prof. Andreas Mokros

Kenntnisse und Fähigkeiten

Nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger hat Julien Wessels sein Psychologiestudium im Herbst 2017 abgeschlossen und an der FernUni angefangen. In der Lehre beschäftigt sich Wessels primär mit Differentieller Psychologie. Dabei geht es darum, wie sich Menschen in ihren Kenntnissen und Fähigkeiten unterscheiden.

In seiner Forschung befasst er sich mit Störungen der sexuellen Präferenz. So untersucht er etwa die These, dass Menschen mit Neigung zur Pädophilie emotionale Botschaften in den Gesichtsausdrücken von Kindern anders verarbeiten als in den Gesichtsausdrücken von Erwachsenen. Dies könnte ein wesentlicher Faktor sein, warum die Betreffenden Straftaten an Kindern begangen haben.

Darüber hinaus forscht Wessels auch zu sexuellem Sadismus und plant, Daten von Sexualstraftätern mit Probanden aus der sadomasochistischen Szene zu vergleichen: „Personen mit sadomasochistischen Vorlieben wissen um ihre ‘Andersartigkeit‘, begehen aber in der Regel keine Sexualdelikte. Was unterscheidet also einvernehmliche von kriminellen Sadisten? Welche Eigenschaften ermöglichen es ihnen, ihre Neigungen sozialverträglich auszuleben?“

Daten

Etwa 0,5 Prozent der männlichen Bevölkerung gelten als hochgradig psychopathisch. Das sind bei rund 40 Millionen erwachsenen Männern in Deutschland etwa 195.000. Etwa ein Zehntel davon befinden sich in Haft. Der Rest läuft „unter dem Radar“. Belastbare Daten zur Häufigkeit des Phänomens bei Frauen liegen aus Deutschland nicht vor.

Die hellere Perspektive

Für die hellere Perspektive auf die Dunkle Tetrade sorgt Dr. Dahlnym L. Yoon: „Ich gehe der Frage nach: Welche Faktoren helfen dabei, jemanden davon abzuhalten, wieder straffällig zu werden?“ Die Wissenschaftlerin hat nach ihrem Psychologiestudium in Korea und Deutschland Kriminologie studiert.

Vor ihrem Wechsel an die FernUniversität war sie am Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und am Institut für Forensische Psychiatrie der Charité – Universitätsmedizin Berlin tätig. Ihr Bereich ist daher die Diagnostik, konkret: die Messung von Persönlichkeitseigenschaften und Merkmalen, die mit Gesetzestreue zusammenhängen: „Was haben die Personen gemeinsam, die trotz der dunklen Persönlichkeitseigenschaften keine Straftaten begehen?“

Ihr Ziel ist es, aus den Ergebnissen Ansätze zur Prävention zu entwickeln. Zudem nimmt Yoon ausdrücklich Straftäterinnen in den Blick, die wissenschaftlich in Deutschland bislang unterrepräsentiert sind (s. Infobox).

Besondere Aufgaben

Sabrina Schneider ist seit Juli 2018 Lehrkraft für besondere Aufgaben. Zu ihren Forschungsthemen zählen unter anderen Untersuchungen zur sogenannten „Dunklen Triade“, alternative Modelle von Narzissmus, Handlungsregulation bei (pathologischen) Formen von Narzissmus sowie modellgeleitete Vorhersagen von Verhalten im kriminologischen Kontext. Die Neurowissenschaftlerin legt dabei ein besonderes Augenmerk auf neurophysiologische Parameter.

Anja Wetter | 10.12.2018