Stärkt Bürgerbeteiligung die Ökologie?

Für Jens Newig, Professor für Governance und Nachhaltigkeit in Lüneburg, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Er hielt hierzu in der FernUniversität einen Vortrag.


Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen zur CO2-Reduktion, neue Windkraftanlagen, Bahnstrecken oder – im Zuge der Energiewende – neue Stromtrassen: Bei immer mehr ökologischen Entscheidungen sollen Bürgerinnen und Bürger „mitgenommen werden“. Doch stärkt Bürgerbeteiligung die Ökologie? Die wissenschaftliche Literatur bejaht das überwiegend. Jens Newig sieht das nicht so eindeutig. Für den Professor für Governance und Nachhaltigkeit an der Leuphana Universität Lüneburg kommt es auf die Umstände des Einzelfalls, den „Kontext“, an.

Ein Mann hält vor einem Publikum einen Vortrag. Foto: FernUniversität
Prof. Jens Newig stellte Ergebnisse der Studie in der FernUni-Ringvorlesung vor.

In seinem Vortrag „Mehr Bürgerbeteiligung = mehr Ökologie?“ stellte er in der FernUniversität in Hagen Ergebnisse der Lüneburger Partizipations-Studie vor. Diese Studie untersucht als weltweit größte ihrer Art 307 umweltbezogene Entscheidungsprozesse in 22 westlichen Demokratien. Die Vortragsveranstaltung fand im Rahmen der Ringvorlesung „Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit“ des gleichnamigen neuen Forschungsschwerpunktes der FernUniversität statt.

Prof. Newig zeigte, dass und wie der Kontext Partizipationsergebnisse beeinflussen kann. Geht es um Vorgänge in einem europäischen Zusammenhang, sind sie eventuell ganz anders als solche, die direkten Einfluss auf das persönliche Leben haben und bei denen dann gerne das „Sankt-Florians-Prinzip“ gilt.

Ein Mann blickt in Richtung Kamera. Foto: FernUniversität
Prof. Jens Newig

Auch, wie die Partizipation stattfindet, hat Einfluss: durch Kommunikation, durch Abgabe von Macht, durch Repräsentation der Bereiche Ökologie, Nutzung, Gesellschaft oder Wirtschaft. So kann ein Weniger an staatlicher Macht durchaus zu mehr Ökologie führen. Werden jedoch Nutzungsinteressen in den Vordergrund gestellt, könnte das Gegenteil eintreten.

Kommunikation ist zwar grundsätzlich gut, aber nicht immer wirksam: Je mehr man sich selbst – z.B. von Verkehrslärm vor der Haustür – betroffen fühlt, desto weniger ist man Argumenten zugänglich. Der Klimawandel dagegen wird in Deutschland oft noch als ein eher „entferntes“ Thema wahrgenommen. Hier können Umweltverbände größeren Einfluss nehmen. Ganz unterschiedlich sind trotz identischer Einflussfaktoren die Partizipationsergebnisse, wenn es nicht um Ökologie geht, sondern um Gesundheit.

Ein angesichts des Schlagwortes von der „Mitnahme der betroffenen Bürgerinnen und Bürger“ überraschendes Ergebnis.

Mit diesem Vortrag endete die Ringvorlesung – aber nur vorläufig. Im Sommersemester soll sie fortgesetzt werden, versprach der Koordinator des Forschungsschwerpunktes, Prof. Dr. Alfred Endres, den Gästen.

Gerd Dapprich | 22.01.2019