Gut informiert bei privaten Investitionen?

Mit Fragen des Anlegerschutzes befasst sich ein finanzwirtschaftliches Forschungsvorhaben an der FernUniversität. Im Mittelpunkt steht der Handel mit Discount-Zertifikaten.


Forscher sitzen am Tisch, vor ihnen ein Sparschwein und Basisinformationsblätter Foto: FernUniversität
Patrick Münchhalfen (li.) und sein Doktorvater Prof. Rainer Baule analysieren, ob Banken Kleinanlegerinnen und -anleger angemessen informieren.

Immobilien, Kunstwerke, Oldtimer… Es gibt zahllose Möglichkeiten, Geld anzulegen. Bei Deutschen besonders beliebt sind Zertifikate – spezielle Investitionsobjekte, die an die Wertentwicklung von Aktien, Währungen, Rohstoffen oder Ähnlichem gekoppelt sind. Zertifikate zählen zu den sogenannten „verpackten Anlageprodukten“. Dabei handelt es sich um fertig geschnürte Pakete, die Banken für Verbraucherinnen und Verbraucher aus verschiedenen Finanzinstrumenten zusammenstellen. Doch das Vertrauen in ihre Qualität und Transparenz hat spätestens seit der Finanzkrise gelitten.

Um es wieder herzustellen, verordnete die Europäische Union 2014, dass Finanzinstitute ihre Kundinnen und Kunden beim Verkauf verpackter Anlageprodukte besser aufklären müssen. Das geschieht mithilfe einheitlicher Informationsblätter, die über wichtige Faktoren – vom Risikoprofil bis hin zu den Kosten – Auskunft geben sollen. Aber ist diese Regulierung durch die EU wirklich sinnvoll? Ziehen Kleinanlegerinnen und -anleger einen praktischen Nutzen aus den maximal dreiseitigen Papieren?

Verbraucherrelevante Fragen wie diese erforscht Patrick Münchhalfen von der FernUniversität in Hagen im Rahmen seiner Dissertation. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Bank- und Finanzwirtschaft. Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Rainer Baule betreut seine in zwei Teile gegliederte Arbeit.

Förderung vom Land NRW

Patrick Münchhalfens Dissertationsprojekt gliedert sich in zwei Teile. Der 2019 gestartete zweite Abschnitt wird vom Kompetenzzentrum „Verbraucherforschung NRW“ gefördert, das bei der Verbraucherzentrale des Landes angesiedelt ist. Titel des Vorhabens: „Kosten strukturierter Finanzprodukte im Lichte des Anlegerschutzes zehn Jahre nach der Finanzkrise – Wie verstehen und berücksichtigen Kleinanleger Bankinformationen in Verkaufsprospekten?“

Discount-Zertifikate im Fokus

„Wir gehen speziell auf das Discount-Zertifikat ein, weil es ein relativ einfaches Produkt innerhalb der Gruppe ist, die wir untersuchen wollen“, erklärt Münchhalfen. Mit Discount-Zertifikaten partizipieren Käuferinnen und Käufer an der Wertentwicklung von Basiswerten – das sind zum Beispiel Aktien oder Indizes.

Das Besondere ist jedoch ein von der Bank festgelegter Deckel (engl. „Cap“): Anlegende sind nur unterhalb dieser Marke an Kursveränderungen beteiligt. Von Gewinnen jenseits des Caps profitieren sie nicht. Im Gegenzug sind die Sparenden aber auch nicht von Kursverlusten oberhalb des Deckels betroffen. Zudem kostet das Produkt weniger als ein entsprechendes Direktinvestment in einen Basiswert. „Das Discount-Zertifikat ist etwas risikoärmer, dafür hat es den Nachteil einer gewissen Intransparenz“, so Prof. Baule. Umso relevanter scheint die Frage nach dem Informationsfluss zwischen Banken und ihrer Kundschaft.

„Die Informationsblätter sind sinnvoll, wenn sie die Anlegerinnen und Anleger auch interessieren!“

Prof. Rainer Baule

Banken tendenziell nicht offen genug

Mithin überprüften die Wissenschaftler im ersten Projektabschnitt die Angaben in Verkaufsprospekten für Discount-Zertifikate. Dabei bezogen sie sich noch nicht auf die aktuell von der EU verordneten Informationsblätter, sondern auf Auskünfte, zu denen sich die Banken seinerzeit selbst verpflichtet hatten. In ihren Stichproben stießen sie auf versteckte Kosten und schwammige Formulierungen: „Nahezu alle Banken haben eine geringere Marge angegeben, als wir in der Nachkalkulation erfasst haben“, so Doktorand Münchhalfen. Die Finanzinstitute verdienten also eigentlich mehr an den Produkten, als sie in ihren Broschüren zugaben. „Die Quintessenz war für uns, dass die Selbstverpflichtung der Banken nicht richtig funktioniert hat“, fasst Rainer Baule zusammen. Insofern begrüßen die Forscher die EU-Verordnung – allerdings unter einer Prämisse: „Die Informationsblätter sind sinnvoll, wenn sie die Anlegerinnen und Anleger auch interessieren!“

Mann und Frau sitzen auf einem Sofa. Er hält ein Papier in der Hand, sie einen Taschenrechner. Foto: Geber86/E+/Getty Images
Basisinformationsblätter sollen Anlegerinnen und Anlegern bei der richtigen Entscheidung helfen.

Wie kommen die Informationen an?

Hier setzt seit diesem Jahr der zweite Projektteil an. Es geht um die konkrete Resonanz der Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Regulierungsmaßnahme. Münchhalfen erläutert den Versuchsaufbau: „Da es unrealistisch ist, Testpersonen komplette Informationsblätter zu Discount-Zertifikaten vorzulegen, haben wir diese auf jeweils eine Seite gekürzt.“ Die so präparierten Texte informieren über unterschiedliche Produkte, die in ihren Eigenschaften – etwa die in Aussicht gestellte Rendite oder das zu erwartende Risiko – variieren. Die Testpersonen sollen sich nun auf Basis des verschiedenen Infomaterials für ein bestimmtes Zertifikat entscheiden. Aus den Präferenzen leiten die Forscher dann anschließend ab, wie wichtig die einzelnen Faktoren den Anlegerinnen und Anlegern bei ihrer Kaufentscheidung wirklich sind – und somit, inwiefern aktuelle Informationsblätter überhaupt den Bedürfnissen der Zielgruppe entsprechen.

Besserer Anlegerschutz als Ziel

Ein geeignetes Versuchsfeld, das grundsätzlich offen für Investitionen ist und über Vorwissen verfügt, haben die Forscher schon im Auge: „Wir treten an den Anlegerclub der Börse Stuttgart heran“, sagt Münchhalfen. „Wir gehen davon aus, dass diese Leute Interesse an Discount-Zertifikaten und die notwendige Expertise haben.“ Baule ergänzt: „Die Umfrage soll nicht repräsentativ für die gesamte deutsche Bevölkerung sein, sondern gezielt auf diejenigen abzielen, die Anlageentscheidungen aufgrund von Informationsblättern treffen.“ Zum besseren Schutz ebenjener interessierten Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern möchten die Wissenschaftler mit ihrer Forschung beitragen.

Benedikt Reuse | 21.02.2019