„Akademischen Luxus“ Fellowship verdient

Prof. Thomas Bedorf von der FernUniversität kann in der lehrfreien Zeit in Frankreich konzentriert an seinem neuen Buch über die Bedeutung von Gefühlen in der Politik arbeiten.


„Akademischen Luxus pur“ wird Prof. Dr. Thomas Bedorf im Wintersemester 2019/20 genießen können: Zeit. Zeit, um konzentriert an seinem Buch über die Bedeutung von Gefühlen in der Politik arbeiten zu können, befreit von den Verpflichtungen der Lehre. Das ermöglicht ihm ein Fellowship, das die Universität Aix-Marseille jetzt dem Leiter des Lehrgebiets Philosophie III, Praktische Philosophie: Technik, Geschichte, Gesellschaft an der FernUniversität in Hagen verliehen hat. Durch das Stipendium kann der Philosoph am IMéRA – Institut d‘Études Avancées der Universität Aix-Marseille zu seinem Thema „Pour une phénoménologie des affects politiques“ arbeiten. Er plant, dort das Manuskript fertig zu stellen.

Das Portraitfoto eines Mannes, der in Richtung Kamera blickt. Foto: FernUniversität
Prof. Thomas Bedorf

Das IMéRA geht auf eine Gründung der Eliteuniversität Princeton zurück, die Vorbild war für dieses und zahlreiche andere „Institutes for Advanced Study“ (IAS) in aller Welt: „Diese Forschungseinrichtungen sind mit Universitäten verbunden und laden für eine gewisse Zeit ‚Fellows‘ ein, die zu interessanten Themen forschen“, erläutert Bedorf. „Sie können dann an dem jeweiligen Institut die Freiheit der Forschung genießen. Von allen Lehraufgaben freigestellt zu sein und sich gemeinsam mit führenden Kolleginnen und Kollegen auf seine Forschung konzentrieren zu können ist ja ein großer Luxus geworden.“

Projektqualität entscheidend

Um ein Fellowship an einem IAS muss man sich bewerben. Ausgewählt werden die Fellows per internationalem Peer-Review-Verfahren aufgrund der Qualität ihrer Projekte: „Das Gutachtergremium hat mich für würdig befunden“, schmunzelt Bedorf. Soweit es sachlich sinnvoll und inhaltlich naheliegend ist, sollen die herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über ihre Fachgrenzen hinweg miteinander ins Gespräch kommen, um neue Impulse zu erhalten. Bedorf freut sich auf die neuen Kontakte und Anstöße aus anderen Richtungen: „Das ist der Idealfall akademischer Arbeit.“

Beworben hatte er sich um ein Fellowship an der Université d’Aix-Marseille wegen seiner „wissenschaftlichen und auch persönlichen Affinitäten“ zu Frankreich. Da seine Frau ein berufliches Sabbatjahr nehmen und der Sohn eine bilinguale Schule besuchen kann, zieht die ganze Familie nach Südfrankreich. Verständigungsprobleme wird Thomas Bedorf dort nicht haben: „Über mehrere Frankreich-Aufenthalte und jahrelange Kooperationen ist mein Französisch ganz brauchbar.“

Die Lehre wird im Wintersemester durch seinen Wissenschaftlichen Mitarbeiter und Habilitanden Dr. Steffen Herrmann sichergestellt. Das Rektorat der FernUniversität hat für ihn eine Gastprofessur bewilligt.

Gefühle in der Politik

In Bedorfs Buch geht es um Gefühle in der Politik: „Sie spielen in der politischen Philosophie normalerweise nur eine untergeordnete Rolle, weil man lange dachte, Politik nur ohne den Einfluss von Gefühlen nach vernünftigen Prinzipien gestalten zu können“, erläutert er. „Doch das entspricht nicht der Realität.“

„Die Reflexion der politischen Gefühle steht dem Anspruch auf vernünftige Politik nicht im Wege.“

Prof. Thomas Bedorf

Tatsächlich werden durch den erstarkenden politischen Populismus Gefühle verstärkt, sie werden offener geäußert, sie treten immer häufiger an die Stelle von Argumenten: „Dem muss die politische Philosophie sich stellen und Gefühlen einen begrifflichen Ort geben. Wie kann man der Kraft der Gefühle in der Politik Rechnung tragen, ohne dass daraus eine irrationale politische Theorie oder Philosophie entsteht?“ Es sei nicht falsch, Bauchgefühle zu berücksichtigen. Aber sie dürften nicht der einzige Grund sein, um Politik zu betreiben: „Die Reflexion der politischen Gefühle steht dem Anspruch auf vernünftige Politik nicht im Wege.“

Gerd Dapprich | 11.06.2019