Philosophieren unter Nietzsches Linde

Am 15. Oktober wäre Friedrich Nietzsche 175 Jahre alt geworden. Studierende der FernUniversität besuchten nach einem Seminar in Leipzig seine Geburts- und Grabstätte in Röcken.


Eine Personengruppe mit drei Steinfiguren Foto: Paul Martin
Die Philosophie-Studierenden der FernUniversität mit Prof. Thomas Sören Hoffmann (4.v.li.) vor dem Friedrich Nietzsche gewidmeten Denkmal in Röcken.

Friedrich Nietzsche ist wohl einer der wirkmächtigsten deutschen Philosophen. Am 15. Oktober wäre er 175 Jahre alt geworden. Philosophie-Studierende der FernUniversität in Hagen besuchten aus diesem Anlass das Geburtshaus und die Grabstätte Nietzsches in Röcken (Sachsen-Anhalt). Davor hatten sich fast zwanzig Studierende ein Wochenende lang in einem von Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann gegebenen Seminar mit der Philosophie Nietzsches auseinandergesetzt.

Unter der bewusst weiten Seminar-Überschrift „Nietzsche“ beschäftigten sie sich im Studienzentrum Leipzig mit einem Querschnitt durch das Werk. Die in den Wochen zuvor angefertigten Referate reichten von der „Geburt der klassischen Tragödie“, in der Nietzsche die Vereinigung gegensätzlicher Kunsttriebe verwirklicht sah, bis zu seinem Spätwerk – allem voran „Also sprach Zarathustra“, in dem Nietzsche unter anderem den in der NS-Zeit missbrauchten Begriff des „Übermenschen“ prägte. Auch der Einfluss, den Nietzsche auf Philosophen wie Martin Heidegger, Michel Foucault oder Jacques Derrida hatte, war Thema.

Studentische Initiative

Die Idee, nach Röcken zu fahren, kam von dem aus Leipzig stammenden Studenten Paul Martin, der die siebenköpfige Besuchergruppe nach Röcken brachte. „Es hat seinen guten Sinn, bei einem Denker, der Philosophie immer auch biographisch versteht, den Ort zu besuchen, an dem er geboren und an dem er beigesetzt worden ist“, begrüßte Prof. Hoffmann, Leiter des Lehrgebiets Philosophie II, Praktische Philosophie: Ethik, Recht, Ökonomie, die studentische Initiative.

Es hat seinen guten Sinn, bei einem Denker, der Philosophie immer auch biographisch versteht, den Ort zu besuchen, an dem er geboren und an dem er beigesetzt worden ist.

Prof. Thomas Sören Hoffmann

Das Pfarrhaus sei „mit mächtigem Griffel in seine Seele eingegraben“, schrieb Nietzsche über den Ort, an dem er die ersten fünf Jahre seines Lebens verbrachte. Nach dem Tod des Vaters zog er mit der Familie nach Naumburg und von dort aus in die Welt. Nach Röcken kehrte er niemals zurück. In der 185-Seelen-Gemeinde erinnert ein Denkmal an den Denker. Von der Enge der frühen Jahre Nietzsches zeugt die Kirche: Im Zwielicht des kleinen Gotteshauses predigte der Vater. In seinem Werk kritisierte Nietzsche später Kirche und Christentum scharf und schrieb träumerisch von der Weite und Freiheit des Himmels. Ein Gegenentwurf zum 185-Seelendorf Röcken?

Solche Gedanken wurden beim Kaffee unter der Linde erörtert, unter der auch schon der kleine Friedrich gespielt haben muss.