„Die berufsbegleitende Weiterbildung wird immer wichtiger”

Interview mit Prof. Dr. Ursula Nelles, der neuen Hochschulratsvorsitzenden der FernUniversität in Hagen.


Foto: FernUniversität
Prof. Ursula Nelles: „Ich sehe die Funktion des Hochschulrats in der strategischen Hintergrundberatung.”

Liebe Frau Nelles, Sie sind seit gut einem Jahr Mitglied des Hochschulrats und nun zu dessen Vorsitzenden gewählt worden. Was hat Sie gereizt, diese Aufgaben zu übernehmen?

Als Rektorin der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster hatte ich ein großes Arbeitspensum. Nach meinem Ausscheiden dort sozusagen auf null zu gehen, wäre nicht gesund gewesen, deshalb wollte ich gerne andere Aufgaben übernehmen. Die Tätigkeit als Hochschulratsmitglied in Hagen hat mich vor allem deswegen gereizt, weil es für mich eine ganz andere Art von Universität ist als eine Präsenzuniversität. Man hat es mit ganz anderen logistischen und auch hochschulstrategischen Herausforderungen zu tun.

Und was hat für Sie den Ausschlag gegeben, im Hochschulrat den Vorsitz zu übernehmen?

Ich bin schon relativ frühzeitig vom damaligen Vorsitzenden Herrn Dr. Scholle gefragt worden, ob ich nicht seine Nachfolge antreten möchte. Daher hatte ich einige Monate Zeit mir anzuschauen, wie hoch die mit dem Amt verbundene zeitliche Belastung ist und wie der Hochschulrat als Team zusammenarbeitet. Ich kann sagen, dass ich das Team als sehr angenehm empfinde. Und auch die Unterstützung durch die Hochschulverwaltung ist so gut organisiert, dass der mit dem Amt verbundene Mehraufwand für mich überschaubar ist. Deshalb habe ich das Amt gerne übernommen.

Welche Erfahrungen aus Ihrer Tätigkeit als Wissenschaftlerin und Hochschulrektorin sind für Sie in Ihrem neuen Amt als Hochschulratsvorsitzende besonders wertvoll?

Eine Erfahrung ist die Übung in Demut. Als Rektorin in Münster hatte ich einen Hochschulrat, durch den ich kontrolliert wurde, zugleich war ich auch Mitglied im Hochschulrat der Universität in Maastricht und habe dort selbst die Kontrollfunktion ausgeübt. Ich glaube, dass es ausgesprochen wichtig ist, im Hochschulrat Menschen zu haben, die wissen, wie eine Universität im Inneren tickt. Wir hatten in Maastricht den niederländischen Begriff „kritische Freunde“. So sehe ich den Hochschulrat. Daher gehe ich davon aus, dass ich genügend Erfahrung aus beiden Lagern mitbringe, um auch in Hagen zu einer friedlichen und konstruktiven Koexistenz dieser beiden Organe beitragen zu können.

Vier zentrale Leitungspositionen an der FernUniversität sind von Frauen besetzt: Von der Rektorin Prof. Dr. Ada Pellert, der designierten Kanzlerin Birgit Rimpo-Repp, der Senatsvorsitzenden Prof. Dr. Luise Unger und eben Ihnen als Hochschulratsvorsitzender. Messen Sie dem eine besondere Bedeutung zu?

Ziemlich am Ende eines beruflichen Lebens, dass von Gleichstellungsproblemen nicht ganz frei war, bringe ich die Gelassenheit auf, dies als einen Fall der Normalität zu betrachten. Es hat sich niemand darüber gewundert, dass es viele Universitäten gibt, in denen sämtliche Leitungspositionen von Männern besetzt sind. Daher sehe ich die Entwicklung an der FernUniversität mit einer gewissen Freude, aber auch mit der Haltung: Das ist und soll auch normal sein.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der FernUniversität in den vergangenen Jahren?

Es ist ja eine wachsende Universität und die größte, die wir in Deutschland haben. Die berufsbegleitende Weiterbildung und Fortbildung sind immer wichtiger geworden. Auf diesem Gebiet schläft die Konkurrenz nicht, es tummeln sich inzwischen viele private Weiterbildungseinrichtungen unter dem Namen Hochschule auf dem Markt. Diesen Wettbewerbern darf die FernUniversität, die ja wissenschaftlichen Qualitätsstandards folgt, nicht das Feld überlassen. Außerdem halte ich es für ausgesprochen wichtig, dass Hagen in den Fokus der Bundespolitik gerückt wird. Es kann nicht sein, dass fast 80.000 Studierende aus dem In- und Ausland an dieser Universität des Bundeslands NRW eingeschrieben sind und NRW diese Universität alleine finanziert. Dafür müsste es einen länderübergreifenden Ausgleich und eine andere Methode der Finanzierung geben.

Welche strategischen Schwerpunkte sollte die FernUniversität setzen und wo sehen Sie besondere Stärken?

Ein wichtiger Schwerpunkt liegt sicher in der Entwicklung von marktorientierten Angeboten der Weiterbildung. Eine große Stärke, die die FernUniversität in den letzten Jahren aufgebaut hat, ist die Organisation von Teilzeitstudien. Denn die meisten Studierenden der FernUniversität kombinieren ihr Studium mit einer Berufstätigkeit oder haben private Gründe, die gegen ein Vollzeitstudium sprechen. In meiner Zeit als Rektorin in Münster hatte die Landesregierung den Universitäten Weiterbildung als neue Pflichtaufgabe ins Gesetz geschrieben hat. Damals habe ich in der Landesrektorenkonferenz betont, dass es in Nordrhein-Westfalen bereits eine perfekt aufgestellte Universität für Teilzeitstudiengänge gibt, nämlich die FernUniversität in Hagen. Die Präsenzuniversitäten dagegen haben gar nicht die Infrastruktur, um solche Studiengänge anbieten zu können.

Haben Sie selbst Erfahrung mit dem Fernstudium gemacht?

Ja, ich habe in meiner Zeit als Juraprofessorin in Münster rechtswissenschaftliche Lehrbriefe für die FernUniversität geschrieben. Die Verbindung kam über den Hagener Professor Thomas Vormbaum zustande, mit dem ich vorher in Münster zusammengearbeitet hatte. Auch mit Frau Professorin Zwiehoff hatte ich früher schon zusammengearbeitet. Daher habe ich einen kleinen Einblick davon gewonnen, wie die Fernlehre gestaltet ist und welche Besonderheiten zu beachten sind.
Als Rektorin in Münster war ich später umgeben von Studierenden der FernUniversität, denn viele in meinem Mitarbeiterteam haben berufsbegleitend dort studiert.

Zum 1. Oktober hat Birgit Rimpo-Repp ihr Amt als neue Kanzlerin der FernUniversität angetreten. Welche Impulse erhoffen Sie sich von ihr?

Ich sehe es als Riesenchance, dass nach der 18-jährigen Amtszeit der amtierenden Kanzlerin, die viel für die FernUniversität geleistet hat, nun eine Nachfolgerin mit unverstelltem Blick, anderem Erfahrungshintergrund und großer Freude ihren Job antritt. Ich hoffe dass sie die Abläufe in ihrem neuen Biotop unvoreingenommen betrachtet und danach fragt, ob Dinge, die schon immer so gemacht wurden, weiter so gemacht werden müssen oder sich ändern sollten. Ich traue ihr da eine Menge zu.

Sie haben den steigenden Wettbewerb im Bereich der Weiterbildung und die Frage der Finanzierung als Herausforderungen beschrieben. Was sollte die FernUniversität tun, um diese Herausforderungen erfolgreich zu bestehen, und wie kann der Hochschulrat dabei unterstützen?

Im Bereich der Weiterbildung besteht ja die Überlegung, eine Tochtergesellschaft für die Weiterbildungsaktivitäten zu gründen, die flexibler am Markt agieren kann als die Universität innerhalb der öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen. Der Hochschulrat muss der Gründung einer solchen GmbH zustimmen und wird sich daher intensiv mit dieser strategischen Herausforderung befassen. Im politischen Raum kann der Hochschulrat dem Rektorat den Rücken stärken und Kontakte herstellen. Allgemein sehe ich die Funktion des Hochschulrats in der strategischen Hintergrundberatung. Die inhaltlichen Impulse müssen vom Rektorat und von der Universität ausgehen.
In Maastricht hat sich der Hochschulrat mit einem niederländischen Begriff als „Klangbord“ bezeichnet. Er ist eine intelligente Echomauer für das Rektorat.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Professorin Nelles.

Die Fragen stellte Stephan Düppe, Pressesprecher der FernUniversität in Hagen.

Stephan Düppe | 09.10.2019