„Reflexion“ in Theorie und Praxis

Bildungswissenschaftlerin Prof. Dr. Eva Cendon hielt ihre Antrittsvorlesung zum Begriff Reflexion. Unterstützt wurde sie dabei von zwei Wissenschaftlerinnen an E-Gitarren.


Frau am Redepult Foto: FernUniversität
Prof. Eva Cendon sprach über Reflexion als zentralen Aspekt des hochschulischen Lernens und Lehrens.

Prof. Dr. Eva Cendon sei ein „Glücksfall“ für die FernUniversität: „Die Kollegin ist wie maßgeschneidert für die FernUni, das Lehrgebiet ist wie maßgeschneidert für Eva Cendon“, eröffnete Prof. Dr. Jürgen Nagel als Dekan der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften die Antrittsvorlesung der Bildungswissenschaftlerin. Sie leitet seit März 2018 das Lehrgebiet Wissenschaftliche Weiterbildung und Hochschuldidaktik.

Stationen in der Wissenschaft

Auf ihr Thema hat die Österreicherin Cendon im Laufe ihrer akademischen Jahre hingearbeitet: Nach ihrer Ausbildung zur Grundschullehrerin, ihrem Pädagogikstudium und ihrer Promotion arbeitete sie im Bereich Weiterbildungsforschung und Bildungsmanagement. In Berlin baute sie die Deutsche Universität für Weiterbildung mit auf, die später Institut einer privaten Hochschule wurde.

Von der Erwachsenenbildung und ihrer Auseinandersetzung mit der jüdischen Philosophin und politischen Denkerin Hannah Arendt kam sie über das Feld lebenslanges Lernen und die Forschung zu bildungspolitischen Entwicklungen zur wissenschaftlichen Weiterbildung und Hochschuldidaktik. Für die Bildungswissenschaftlerin spielt darin die stärkere Verzahnung von beruflicher und hochschulischer Bildung eine bedeutende Rolle.

Mann am Redepult Foto: FernUniversität
Prof. Jürgen Nagel, Dekan der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften, skizzierte die Stationen der wissenschaftlichen Laufbahn seiner Fakultätskollegin.

Nachdenken und Überlegen

In den Mittelpunkt ihrer Antrittsvorlesung stellte Eva Cendon Reflexion als zentralen Aspekt des hochschulischen Lernens und Lehrens. Als Annäherung an den Begriff Reflexion stellte sie ein Zitat von Hannah Arendt voran: „…und meine Annahme ist, daß das Denken aus Geschehnissen der lebendigen Erfahrung erwächst und an sie als einzigen Wegweiser, mit deren Hilfe man sich orientieren kann, gebunden bleiben muß.“

Darauf nahm Cendon Bezug: „Theoretische Gerüste hinter dem Begriff Reflexion setzen dort an, wo ein Nachdenken und Überlegen einsetzt, wenn man anfängt zu zweifeln, Widersprüche entdeckt oder Probleme sieht – Reflexion ist denkende Erfahrung.“

Dabei dreht es sich für Cendon um Fragen, wie Studierende jeweils ihren eigenen Lernprozess während des Studiums reflektieren. Insbesondere dann, wenn eine Ausbildung oder ein Erststudium bereits länger zurückliegen. Dem gegenüber steht ein in der Regel hohes Maß an (beruflichem) Erfahrungswissen. „Was ist das Hochschulische an der Hochschulbildung? Was macht hochschulisches Lernen aus?“, fragt Cendon. Ihr geht es darum zu klären, welche Kompetenzen Studierende durch das Studium erwerben sollen.

Empirische Befunde

Aus ihren eigenen Forschungsaktivitäten zu Reflexion in Bezug auf Studierende, Lehrende und Curricula hat sie „Korridore“ für Reflexion im Kontext wissenschaftlicher Weiterbildung ausgemacht: „Reflexion spielt eine Rolle in Transitions-, Transfer- und Transformationsprozessen“, so Cendon.

Drei Frauen singen in ein Mikro, zwei spielen Gitarre. Foto: FernUniversität
Drei Wissenschaftlerinnen am Mikro: Nach dem offiziellen Teil folgte die Feier im Videostudio der FernUni.

Beim Übergang von Beruf und Studium (Transition) verorten sich Studierende neu, sie nutzen Reflexion, um ihr berufliches und lebensweltliches Erfahrungswissen neu zu rahmen. Im Transfer, also der Übersetzung von hochschulischem Wissen in andere Kontexte, dient die Reflexion dem Verändern oder Verbessern des eigenen Handelns. Stellen Studierenden ihre eigenen Vorannahmen in Frage, richten sie ihr Denken und Handeln neu aus. Urteilen sie daraus neu, vollzieht sich die Transformation und damit auch transformatives Lernen.

„Den Lehrenden kommt in der wissenschaftlichen Weiterbildung die Rolle zu, einen Rahmen für diese Entwicklungsprozesse zu geben und Impulse zu setzen: etwa über das Lernklima, die Wissensvermittlung und darüber, Lernen im Austausch zu ermöglichen“, beschreibt Cendon. Kurz: zur Reflexion anzuregen.

Vorlesung mit Musik

Musikalisch rahmte die Band „supernachmittag“ die Antrittsvorlesung: zwei rockende österreichische Bildungsforscherinnen, die bei ihren Auftritten mit Geschlechterklischees spielen. Es war ein Auftritt mit wissenschaftlichem Mehrwert: Gitarristin Dr. Sol Haring hielt im Promotionskolleg des Lehrgebietes von Eva Cendon einen Tag später einen Gastvortrag zum Thema Videographieforschung. Anita Mörth, Bassistin, arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lehrgebiet.

Anja Wetter | 29.10.2019