Was tun US-Staaten für Gesundheit und Umwelt?

Die FernUni-Politologin Kathrin Loer forschte im Rahmen einer Fellowship in Washington DC. Sie fragte nach politischen Maßnahmen, die auf das Verbraucherverhalten abzielen.


Frau vor großem Gebäude mit Turm und Grünfläche Foto: Leon Lieblang
Kathrin Loer vor dem Hauptcampus der Johns Hopkins University in Baltimore, der das AICGS angegliedert ist.

„Die Themen Umwelt und Gesundheit stehen in den USA unter dem Brennglas“, sagt Dr. Kathrin Loer, Politikwissenschaftlerin an der FernUniversität in Hagen. Eindrücke aus den USA sammelte sie in diesem Semester aus nächster Nähe: Für acht Wochen war sie in Washington DC am American Institute for Contemporary German Studies (AICGS). „Es ist faszinierend zu sehen, mit wieviel Kenntnis und Interesse sich das Institut Deutschland widmet“, berichtet Kathrin Loer. „Umgekehrt bezieht sich meine Forschung auf die USA, wodurch ein guter Austausch zustande kam.“

Zur Person

Dr. Kathrin Loer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FernUniversität in Hagen im Lehrgebiet Politikwissenschaft III: Politikfeldanalyse und Umweltpolitik von Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller. Zum Lehrgebiet

Die Politologin leitet das Projekt „Instrumente in der Verbraucherpolitik“ (IniVpol), gefördert vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung. Im Zentrum stehen gesundheits- und umweltpolitische Prozesse in den USA, Großbritannien und Dänemark, die Loer mit der Lage in Deutschland und NRW vergleicht. Ihr Fellowship am AICGS hat das Land in Kooperation mit der NRW School of Governance finanziert.

„Ich befasse mich vor allem mit der Situation auf amerikanischer Bundestaatenebene“, erklärt die Forscherin. Dabei nahm sie bislang besonders drei Staaten in den Blick: „Florida und New York State sind wegen ihrer Einwohnerzahl vergleichbar mit NRW.“ Zudem habe West Virginia mit seiner Industriegeschichte und seinem traditionellem Kohlebergbau eine ähnliche Problemstruktur wie das Ruhrgebiet.

„In Philadelphia zum Beispiel werden Softdrinks extra besteuert.“

Dr. Katharina Loer

In den Bundestaaten geht es umwelt- und gesundheitspolitisch heiß her. Nicht zuletzt, weil Präsident Trump beharrlich versucht, ihren Einfluss zu beschneiden. „Die Ausgangslage ist hier sehr problematisch. Gleichzeitig passiert aber auch sehr viel!“ Loer interessieren speziell jene Maßnahmen, mit denen die Staaten Verbraucherinnen und Verbraucher dazu bewegen wollen, Energie in Privathaushalten zu sparen oder sich gesünder zu ernähren.

Sanfte Steuerung

Während ihres Aufenthalts führte Kathrin Loer wissenschaftliche Interviews mit Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), Denkfabriken (Think-Tanks) und Institutionen, die an der Gestaltung entsprechender Maßnahmen beteiligt sind. Ein Fazit ihrer Recherche ist, dass die Verantwortlichen harte Instrumente wie Verbote und Vorschriften eher scheuen. Den Eindruck einer bevormundenden Politik wollen sie größtenteils vermeiden. Vielmehr sind Aufklärung, Kommunikation und freiwillige Angebote die Mittel der Wahl. „Allerdings gehen einzelne Bundesstaaten und Städte zumindest so weit, dass sie Steuern einführen, etwa auf zuckerhaltige Getränke“, so Loer. Der Handlungsspielraum ist dabei größer als in Deutschland. Was hierzulande unter die nationale Mehrwertsteuer fällt, wird in den USA auch zusätzlich lokal geregelt – zum Teil auf föderaler, zum Teil auf kommunaler Ebene. „In Philadelphia zum Beispiel werden Softdrinks extra besteuert.“

Plastikflaschen mit Softdrinks Foto: RapidEye/E+/Getty Images
Maßnahmen zur gesünderen Ernährung: Manche Städte in den USA besteuern zuckerhaltige Softdrinks zusätzlich.

Regulierung ohne Verbot

Wie sich eine Regulierung geschickt verpacken lässt, zeigt der Bereich der Schulernährung in New York City: „Die Stadt hat in ihren öffentlichen Ausschreibungen Standards bestimmt, die für Kantinenessen gelten. Da gibt es auch strikte Vorgaben zu Zucker und Fett. Weil die Lebensmittelhersteller dennoch an den großen Aufträgen interessiert sind, haben sie die Rezepturen ihrer gesamten Fertigprodukte tatsächlich geändert.“ Die Strategie der Stadt ging auf und führte zu gesünderen Produkten. Die Anbieterseite passte sich an – alles ohne eine direkte Vorschrift. Das vergleichsweise beherzte Vorgehen hat auch mit der breiten Front zu tun, die sich gegen das schlechte Schulessen formiert hatte, erklärt Loer: „Für gesunde Ernährung setzen sich Ärzteverbände, Stiftungen und NGOs ein. Sie alle haben sehr stark darauf eingewirkt, den Umweg über die Ausschreibungen zu nehmen.“

Guter Rat ist teuer

Können sanfte Mittel im Vergleich dazu überhaupt etwas ausrichten? „Auf Bundesstaaten-Ebene und auch in lokalen Initiativen wird sehr stark versucht, etwas über Bildung, Unterstützung und Vermittlung zu erreichen“, sagt Loer mit Blick auf den Gesundheitssektor. „Die Beratung ist oft schon ein fester Teil des Schulangebots.“ Möglichst früh zu informieren und aufzuklären, ist ungemein wichtig – auch, weil viele Menschen in den USA nicht ausreichend krankenversichert sind. Ärztliche Ratschläge können sie sich schlichtweg nicht leisten. Die Staaten müssen auf die eine oder andere Weise einspringen. Das tun sie bisweilen auch indirekt, indem sie eine Infrastruktur bereitstellen, die dazu anregt, gesünder zu leben. „Manche Staaten richten Parks ein, bauen Fahrradwege oder erst einmal Bürgersteige, damit die Leute sich körperlich betätigen. Wobei damit natürlich zunächst nur ein Angebot bereit steht, das möglicherweise auch ungenutzt bleibt.“ Mancherorts soll auch mehr Transparenz helfen. So informiert die Gastronomie in New York detailliert über den Kaloriengehalt ihrer Gerichte.

Für Kathrin Loer und ihr Projekt besteht der nächste Schritt nun darin, die vielschichtigen Beobachtungen aus den Vergleichsländern auszuwerten und zu verstehen: „Was können wir von anderen Ländern wie den USA über die Auswahl bestimmter politischer Instrumente lernen?“

Benedikt Reuse | 29.01.2020