Pädagogische Forschung im Live-Betrieb

Eine Gastprofessur an der FernUniversität ermöglicht Veit Kubik in einer praktischen Umgebung zu forschen: In einem Bachelormodul untersucht er psychologische Lernprozesse.


Portrait auf dem Campus Foto: FernUniversität
Veit Kubik begeistern Fragen rund ums menschliche Gedächtnis und um Lernprozesse.

Psychologische Grundlagenforschung spielt sich oft in experimentellen Umgebungen ab. In vielen Fällen ist das nicht anders möglich. Umso mehr freut sich Dr. Veit Kubik, in diesem Wintersemester anwendungsorientiert forschen zu können. Möglich macht das eine Gastprofessur an der FernUniversität in Hagen. „Ich möchte wissen, wie Lern- und Lehrprinzipien im echten pädagogischen Alltag funktionieren – nicht nur im Labor“, betont der Wissenschaftler. In der Fakultät für Psychologie sieht er den idealen Ort für sein Vorhaben: „Die FernUniversität hat rund 15.000 Psychologie-Studierende. Die Fakultät nutzt online-basierte Lehre. Das sind gute Voraussetzungen dafür, studentisches Lernen noch besser und realistischer zu erforschen.“

Die Gastprofessur ist im Lehrgebiet von Prof. Dr. Robert Gaschler (Allgemeine Psychologie Lernen, Motivation, Emotion) angesiedelt. In Abschlussarbeiten und dessen Bachelor-Modul „Biologische Psychologie und Allgemeine Psychologie II“ testet Kubik derzeit verschiedene Szenarien mit den Fernstudierenden. „Wir haben bereits erste lernpsychologische Elemente in die Moodle-Umgebung eingebaut.“ Weitere Studien sollen folgen – auch in kommenden Semestern und anderen Modulen. Die Größe des Kurses mit seinen hunderten Teilnehmenden kommt dem Wissenschaftler dabei entgegen. Hier gewinnt er Daten, die an Präsenzuniversitäten in dieser Breite und in diesem Umfang nur schwer abzufragen sind.

Win-Win-Situation

Kubik möchte gemeinsam mit den Fernstudierenden herausfinden, unter welchen Umständen ihnen das Lernen leichter fällt und welche Ansätze aus der Grundlagenforschung tatsächlich funktionieren. Im Umkehrschluss profitieren auch die Teilnehmenden von den Ideen, die der Psychologe in die Lehre einbringt. Dazu gehören etwa Quizze und Zwischentests, mit denen die Studierenden regelmäßig ihren Wissensstand ausloten können, oder ein sehr engmaschiges Feedbacksystem, das sie während des Semesters mit den Lehrkräften vernetzt. Die interaktiven Elemente und Orientierungshilfen kommen gut an: „Die Quizze und Zwischentests werden positiv als zusätzliches Lernangebot aufgenommen“, so der Lern- und Gedächtnisforscher.

Nachhaltig und reflektiert lernen

Nicht nur die Intensität, sondern auch das richtige Timing ist ein wichtiges Thema für Kubik: „Viele Studierende lernen erst kurz vor der Klausur in einem knappen Zeitintervall. Wenn sie die Informationen per ‚Nürnberger Trichter‘ aufnehmen, wissen sie für einen kurzen Zeitraum tatsächlich sehr viel – vergessen aber das meiste schnell wieder.“ Viel sinnvoller sei es, sowohl attraktive Lerngelegenheiten als auch Tests über einen längeren Zeitraum zu verteilen.

Studierende unterhalten sich Foto: Jakob Studnar
Mithilfe von Fernstudierenden sammelt Veit Kubik wertvolle Erkenntnisse aus dem laufenden Lehrbetrieb.

Die Fähigkeiten und die Selbstständigkeit der Hagener Fernstudierenden schätzt der Psychologe als hoch ein. Mit einigen von ihnen arbeitet er schon seit längerer Zeit zusammen: „Ich betreibe das Online-Labor Memory, Metacognition & Multitasking – das ‚M3-Lab‘.“ In seinem wissenschaftlichen Team sind dabei ausschließlich Absolventinnen und Absolventen der FernUniversität. „Für mich war es also nur eine Frage der Zeit, dass ich einmal selbst Teil der FernUniversität in Hagen werde.“

Wissenschaftlicher Teamplayer

Zurzeit ist Kubik noch an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg tätig; zum nächsten Semester tritt er eine Stelle als Akademischer Rat an der Universität Bielefeld an. „Hier werde ich im Feld der Pädagogischen und Bildungspsychologie arbeiten“ erklärt er. „Damit bleibe ich nicht nur fachlich, sondern auch geografisch ganz in der Nähe der FernUniversität.“ Die Weichen für eine weitere Zusammenarbeit stellt der Wissenschaftler schon jetzt: „Während meiner Zeit in Hagen versuche ich Forschungsstrukturen aufzubauen, die ich später kooperativ weiterführen kann.“

Neue Prinzipien für die Onlinelehre möchte er nicht nur im Lehrgebiet von Prof. Gaschler erforschen. So plant er für die nächsten Semester auch, mit Prof. Dr. Kathrin Jonkmann (Lehrgebiet „Bildungspsychologie“) und Prof. Dr. Roman Liepelt (Lehrgebiet „Allgemeine Psychologie: Urteilen, Entscheiden, Handeln“) zusammenzuarbeiten. Mittelfristig möchte er seine Erkenntnisse in internationalen Fachzeitschriften publizieren und über Fächergrenzen hinweg mit der FernUniversität teilen.

Progressive Themen

Potenzial sieht Kubik zudem in den wissenschaftlichen Schwerpunkten der FernUniversität. Die hier gesetzten Themen hält er für besonders zukunftsträchtig. „Das macht Hagen als Forschungsstandort besonders attraktiv.“ Seine Expertise bringt er derzeit in den hochschulweiten Zusammenschluss „Digitalisierung, Diversität und Lebenslanges Lernen. Konsequenzen für die Hochschulbildung“ und das fakultätsinterne Vorhaben „Psychologie digitalisierter Bildung“ ein. Auch hier will Veit Kubik Kontakt halten und von Bielefeld aus weiterhin eng mit den Hagener Forschenden zusammenarbeiten. „Auf dem Hagener Campus bin ich also in Zukunft sicher noch öfter.“

Benedikt Reuse | 26.02.2020