Endlich bessere Noten im Studium

Wie verändern Studierende ihr Lernverhalten, wenn sie ambitionierte Ziele und die Aussicht auf eine Belohnung haben? FernUni-Forscher Hendrik Sonnabend hat es untersucht.


Motiviert am Schreibtisch sitzen, konzentriert für die Prüfung lernen und am Ende eine gute Note kassieren. Ein Forschungsteam hat jetzt untersucht, was sich Millionen Studierende wünschen. Die Ergebnisse bestätigen einen Effekt, der sich schon in anderen Studien zum Thema abgezeichnet hat – bisher allerdings noch nie so deutlich.

Studierende, die sich konkrete Ziele setzen, erreichen bessere Noten. Entscheidend ist, dass ihre Ziele realistisch sind und sie sich auf eine Belohnung freuen können. Das kann zum Beispiel ein Gutschein oder Bargeld sein. „Wichtig ist, dass die Belohnung echt ist und es sich dabei nicht um etwas Fiktives handelt“, weiß Dr. Hendrik Sonnabend von der FernUniversität in Hagen. „Das muss gar nicht viel kosten.“

Motiviert studiert

Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik, war an der Auswertung eines Experiments beteiligt, das ein Forschungsteam an einer niederländischen Universität umgesetzt hat. Die Forschenden untersuchten das Verhalten von mehreren hundert Ökonomie-Studierenden im dritten Semester. In dem Experiment sollten die Studierenden immer wieder Fragen zu ihrem Lernverhalten beantworten und angeben, wie hoch ihr Lernaufwand pro Woche ist.

Nach der Zwischenprüfung wurden sie dann nach ihren Notenzielen für die Abschlussprüfung gefragt. Wer sich dazu entschied, an dem Experiment teilzunehmen und versuchen wollte, das Notenziel zu erreichen, durfte am Ende des Semesters an einer Verlosung teilnehmen. Die Studierenden konnte zwischen 25 und 100 Euro gewinnen – dazu mussten sie ihre angestrebte Note aber auch wirklich erreichen. „In unserer Studie konnten wir feststellen, dass monetäre Ziele einen sehr starken Effekt auf das Lernverhalten und letztlich auf die Note haben“, fasst Hendrik Sonnabend das Ergebnis zusammen.

Um eine halbe Note verbessert

Es stellte sich heraus: Wer im Experiment auf die Verlosung hingearbeitet hat, war offenbar motivierter und hat sich im Vergleich zu denen, die nicht am Experiment teilgenommen haben, tatsächlich verbessert – um eine halbe Note im Durchschnitt. Grundlage war das in den Niederlanden geltende Notensystem der Zehn-Punkte-Skala. Hendrik Sonnabend bewertet eine Verbesserung um 0,5 Punkte allein aufgrund des niedrigen finanziellen Anreizes als sehr hoch. Auch auf Fernstudierende lassen sich die Ergebnisse übertragen. „Die Aussicht auf die Teilnahme an der Lotterie sorgte dafür, dass die befragten Studierenden erheblich mehr Zeit in ihr Selbststudium investierten. Es ist davon auszugehen, dass der Effekt sich bei Fernstudierenden ebenfalls zeigen würde“, ist sich der Forscher sicher.

  • Die Studierenden konnten sich selbst für das Experiment anmelden. Daher gingen die Forschenden davon aus, dass sich eher motivierte und engagierte Studierende für die Teilnahme interessierten. Um diese drohende Verzerrung ausgleichen zu können, mussten die Forschenden einen Trick anwenden. Sie teilten die Studierenden in Lernpaare ein. Auf der einen Seite diejenigen, die am Experiment teilnahmen, auf der anderen Seite, diejenigen, die nicht am Experiment teilnahmen. Anhand ihrer Leistung, ihres Geschlechtes und einiger anderer Faktoren wurden sie auf dem Papier gegenübergestellt. Die Forschenden achteten bei der Einteilung darauf, dass die Studierenden eine ähnliche Ausgangsposition hatten, um am Ende prüfen zu können, welche Seite sich stärker verbessert hatte. Auf diese Weise konnte der Verzerrung mit Hilfe statistischer Verfahren entgegenwirkt werden.

  • Hendrik Sonnabend wertete alle Daten zusammen mit Bastian Westbrock (Universität Hamburg) und Sarah Rezaei Khavas (Universität Innsbruck) aus. Ihre Ergebnisse stellten sie zuletzt bei der 33. Jahreskonferenz der European Association of Labour Economists (EALE) vor, der größten Tagung von Arbeitsökonom:innen in Europa.

Warum die Belohnungsstrategie funktioniert, lässt sich mit einem bildungsökonomischen Modell erklären, das die Forschenden entwickelt haben. Es beruht auf einem planenden Ich und einem handelnden Ich. Während sich das planende Ich vornimmt, in der Zukunft etwas Bestimmtes zu tun, wird das handelnde Ich von den Verlockungen der Gegenwart beeinflusst. „Jeder, der schon mal eine Hausarbeit geschrieben hat, kennt das. Man möchte eigentlich fertig werden, surft dann aber doch rüber zu Netflix“, weiß Sonnabend. Klassische Prokrastination.

Aufruf zur Noten-Lotterie

Mithilfe von Anreizen und Zielen lässt sich die Ablenkung austricksen. Damit steigt die Motivation, den geschmiedeten Plan umzusetzen. Sonnabend empfiehlt Hochschulen daher, über das Lotterie-Prinzip nachzudenken. Der Kostenaufwand ist gering. Im Experiment belief sich der Geldeinsatz auf gerade mal 300 Euro. Eine Lotterie könnte beispielsweise Tutorien ergänzen, die ebenfalls dazu gedacht sind, Studierende beim Lernen zu unterstützen.

Damit Studierende auch ohne hochschulweiten Contest von dem Effekt profitieren können, schlägt Sonnabend vor, Notenziele öffentlich zu verkünden. „Wer nahestehenden Personen mitteilt, welche Note man erreichen möchte, schafft sich selbst eine größere Verbindlichkeit. Und damit wäre der erste Schritt Richtung Zielgerade gemacht.“

Die ausführlichen Ergebnisse der Studie „Using goals to motivate students: The power of small financial rewards“ sind in einem Arbeitspapier erschienen.

Sarah Müller | 03.11.2021